Pop up: Die Popkultur-Kolumne
Auch klassische Musik kann Popkultur sein. Thomas Nasswetter hat ein Benefizkonzert des Malteserordens besucht und die Dirigentin Nazanin Aghakhani live erlebt.
Thomas Nasswetter
Wien, 12. März 2022 | Rock me Amadeus ist der Gassenhauer und Welthit des einzigen österreichischen Pop-Superstars Falco. Mozart war im Sinne Falcos der erste Popmusiker der Weltgeschichte, bald verräumt ins Fach der „ernsten Musik“. So wurde wir Boomer gymnasial musikalisch mit einem tiefen Graben zwischen U- und E-Musik sozialisiert. Letztlich ein reiner „Eliten-Trick“, der die Abgrenzung zum gemeinen Volk sicherstellt. In Wien gehörte die E-Musik zur Popkultur. Nirgends anders treffen museale Gefühle der Massentourismus geprägten Welthauptstadt der Musik so handfeste auf geschäftliche Interessen des Pop-Kapitalismus.
So erklärt sich auch ein Benefizkonzert des Malteserordens im Goldenen Saal des Musikvereins als Popkulturereignis. Letzten Samstag umrahmten zwei sakrale Werke von Bruckner und Haydn, ein profanes von Dvorak – ganz klar Popkultur. Der Blick ins Publikum genügte. Der popkulturelle Höhepunkt war aber eine Frau am Pult: die Wiener Dirigentin mit iranisch-russischen Wurzeln, Nazanin Aghakhani. Sie war unlängst im ZackZack Nachtclub zu Gast und leitete Dvoraks 8. Sinfonie.
Höhen und Tiefen
Das Te Deum, von Bruckner selbst als eines seiner besten Werke bezeichnet, war der Beginn. Matthias Binder mühte sich sehr, mit der aus hochklassig musizierenden Amateuren bestehende Sinfonia Academica. Das Te Deum blieb spröde, brüchige und mit wenig Wucht, obwohl fast 200 Personen musizierten. Nur Sopran, Alt und Bassbariton konnten überzeugen.
Nazanin Aghakhani folgte und verzauberte auf einen Schlag Orchester wie Publikum. Fast mühelos gelang es ihr der feinziselierten und vielschichtigen Rhythmik der 8. Sinfonie eine fast schon swingende Note zu geben. Sichtbar wurde die große Kunst nach dem 3. Satz, als ein fröhlich entspanntes Lächeln die meisten Gesichter auf der Bühne zierte. Auch das Publikum zollte der Leistung mit heftigem Trampeln Respekt. Mit der „Missia in angustiis“ unter Florian Schwarz ging den Abend solide zu Ende. Resümee: Die Frau am Pult hat das Zeug das Neujahrskonzert zu leiten – sie sollte es unbedingt!
Titelbild: Thomas Nasswetter/ZackZack