»Flugverbotszone würde zu Konflikt zwischen Russland und NATO führen«
Auch nach drei Wochen beschäftigt der Krieg in der Ukraine die internationalen Tageszeitungen. Was dort zu den aktuellen Entwicklungen zu lesen ist:
Brüssel/Zürich/Budapest, 18. März 2022 | Drei Wochen ist es nun her, seit Russland in der Ukraine einmarschiert ist. Der schnelle Sieg, den Russlands Präsident Wladimir Putin sich erhofft hat, ist es nicht geworden. Das Pentagon schätzt, dass mittlerweile etwa 7.000 russische Soldaten gefallen sind. Ukrainische Städte wie die Hafenstadt Mariupol und die zweitgrößte ukrainische Stadt Charkiw liegen in Trümmern. Die Menschen in der Hafenstadt Odessa bereiten sich mit Straßenblockaden auf einen möglichen Angriff russischer Truppen vor. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij und ukrainische Zivilisten rufen die internationale Gemeinschaft und nicht zuletzt die NATO wiederholt dazu auf, den Luftraum über der Ukraine zu schließen. Was die internationale Presse zum anhaltenden Krieg sagt:
“De Standaard” (Brüssel):
“An jedes Parlament, vor dem der ukrainische Präsident eine Ansprache hielt, richtete er seine Bitte: ‚Close the skies over Ukraine.‘ So schnell wie möglich solle eine Flugverbotszone über seinem Land eingerichtet werden. Am Mittwoch bat er den US-Kongress, am Donnerstag den Bundestag. Doch eine Flugverbotszone lässt sich nicht einfach mal so per Knopfdruck irgendwo in einem militärischen Hauptquartier ein- oder ausschalten.
Man muss sich klarmachen, was zu so einem strengen Flugverbot gehört, um zu begreifen, dass dies unmittelbar zu einem uneingeschränkten Konflikt zwischen Russland und der NATO führen würde. Die NATO-Staaten liefern bereits in großem Umfang Waffen an die ukrainischen Streitkräfte, doch die Allianz hütet sich davor, selbst in den Konflikt hineingezogen zu werden. Es ist ein ständiges Abwägen zwischen Eskalation und Deeskalation. Eine Flugverbotszone gehört ganz klar zur ersteren Kategorie.”
“Neue Zürcher Zeitung”:
“Drei Wochen nach der Invasion empfängt (der ukrainische Präsident) Selenskyj Spitzenvertreter aus EU- und NATO-Staaten in Kiew – obwohl nach russischem Plan die Hauptstadt längst hätte fallen und der Präsident einem Marionettenregime hätte weichen müssen. Das ist nicht nur ein Zeichen der Solidarität, sondern auch der Widerstandskraft der Ukrainer.
Dass die Initiative aus Osteuropa kommt, erstaunt nicht. Hier kennt man die sowjetische Unterdrückung aus leidvoller Erfahrung und ist im Gegensatz zum Westen wenig sentimental im Umgang mit Russland. Es entbehrt auch nicht der Ironie, dass die Regierungschefs Sloweniens und Polens die Demokratie priesen, obwohl sie in der Heimat Rechtsstaatlichkeit abbauen. Doch im Umgang mit dem Ukraine-Krieg ist die osteuropäische Führungsrolle uneingeschränkt zu begrüßen. Sie verdient mehr Unterstützung. Auf der nächsten Reise nach Kiew sollten die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen oder EU-Ratspräsident Charles Michel nicht fehlen.”
“Nepszava” (Budapest):
“(Der ukrainische Präsident Wolodymyr) Selenskyj hat Recht: Ohne eine Flugverbotszone wird es unvermeidlich, dass die ukrainischen Städte in Schutt und Asche gebombt werden, wenn dem Kremlherrn danach ist. Doch auch die NATO, die sich dieser Forderung konsequent und kategorisch verweigert, hat Recht. Russland ist nicht Libyen oder Bosnien, Putin ist kein Gaddafi. Er ist nicht nur unberechenbar wie der (frühere) irakische Diktator (Saddam Hussein), sondern der megalomanische Führer einer Atommacht, der im Falle der Verhängung eines Flugverbots (über der Ukraine) endgültig in die Ecke getrieben würde. Gefährlicher für den Weltfrieden als ein siegreicher Putin wäre jedoch ein in die Ecke gedrängter, gedemütigter Putin. Aber mit Sicherheit gibt es irgendwo eine Grenze, jenseits derer die Moral an die Stelle des Interesses tritt. Es bleibt zu hoffen, dass wir sie nicht erreichen.”
“Times” (London):
“Die einzige Möglichkeit, diesem Grauen ein Ende zu setzen, besteht darin, Putin rasch militärisch zu besiegen. Ein Waffenstillstand wird keinen Frieden bringen, denn solange russische Truppen in der Ukraine verbleiben, werden die Ukrainer weiterhin Widerstand leisten, und Putin würde dies in jedem Fall als Gelegenheit für einen Gegenschlag nutzen. Der Westen hat zu Recht jede Intervention abgelehnt, die dazu führen könnte, dass NATO-Truppen direkt gegen die russischen Streitkräfte vorgehen. Bei der Qualität und Quantität der Militärhilfe sollte es jedoch keine roten Linien geben.
Die Entscheidung von US-Präsident Biden in dieser Woche, weitere 800 Millionen Dollar für Ausrüstung bereitzustellen, darunter 100 ‚Kamikaze‘-Drohnen und 800 Stinger-Luftabwehrraketen, ist zu begrüßen, auch wenn sie schon vor drei Wochen hätte erfolgen sollen. Die ukrainischen Streitkräfte haben bewiesen, dass sie den Mut und die Entschlossenheit haben, Russland eine ähnliche Niederlage zuzufügen wie Finnland der Sowjetunion im Winterkrieg 1939-40. Man muss ihnen jetzt die Mittel an die Hand geben, damit sie diese Aufgabe bewältigen können.”
(apa/pma)
Titelbild: APA Picturedesk