Die Abschiebung von Tina im Jänner 2021 war rechtswidrig. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht. Was Tinas Anwalt Wilfried Embacher und Schulsprecher Theo Haas dazu sagen:
Wien, 22. März 2022 | Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat entschieden, dass die Abschiebung der heute 13-jährigen Schülerin Tina von Wien nach Georgien im Jänner 2021 rechtswidrig war. Ihr Anwalt Wilfried Embacher hat den entsprechenden Spruch Montagfrüh auf Twitter veröffentlicht. Laut APA habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht vor, Revision gegen das Urteil des BVwG einzulegen.
Gegenüber ZackZack freut sich Embacher darüber, “dass das Bundesverwaltungsgericht eine klare Antwort auf die unrichtige Darstellung des Innenministeriums gegeben hat”. Embacher sagt, dass auch Tinas Schwester eine Chance darauf habe, “nicht nur nach Wien zurückzukommen, sondern auch hier bleiben zu können”. Sie ist derzeit mit der Mutter in Georgien.
Die Abschiebungen von Tina, ihrer damals 5jährigen Schwester und ihrer Mutter am 28.01.2021 waren rechtswidrig. Das hat das BVwG aufgrund der gegen die Abschiebungen eingebrachten Maßnahmenbeschwerden jetzt entschieden. Recht muss Recht bleiben. ⚖️ pic.twitter.com/1SMozLRwlb
— Wilfried Embacher 🇺🇦 (@WilfriedEmbach1) March 21, 2022
BVwG: Abschiebung unverhältnismäßig
Laut APA verweist das BVwG in seinem Urteil darauf, dass Tina “ihre grundsätzliche Sozialisierung” in Österreich erfahren habe. Tina und ihre Schwester wurden in Österreich geboren. Das Gericht spricht von einem “sehr ausgeprägten Bezug” zu Österreich. Tina habe sich zum Zeitpunkt der Abschiebung nicht mehr in einem “anpassungsfähigen Alter” befunden, sondern sei bereits stark verwurzelt gewesen. Dass das Mädchen abgeschoben wurde, ohne dass erneut das Kindeswohl in Betracht gezogen wurde, beurteilte das Gericht als unverhältnismäßig.
Laut Wilfried Embacher habe das Gericht auch “klar zum Ausdruck” gebracht, dass der Zeitraum zwischen dem jüngsten negativen Asylbescheid und der Abschiebung so groß gewesen sei, dass der Fall erneut geprüft hätte werden müssen. Die Entscheidung, aufgrund derer die Abschiebung durchgeführt wurde, stammt aus dem Jahr 2019. Das BFA gab am Montag gegenüber der APA an, unmittelbar vor der Abschiebung die Zulässigkeit überprüft zu haben.
Tina geht wieder in die Stubenbastei
Tina ist bereits seit Dezember 2021 wieder in Wien. Sie ist vorübergehend bei einer Gastfamilie untergekommen, hat am 25. Februar ein Schülervisum erhalten und geht seit Anfang März wieder in ihre alte Schule, das Gymnasium Stubenbastei. Tina ist dort wieder Teil ihrer früheren Klasse. Klassenkollege Leonard sagt gegenüber ZackZack, dass sich alle sehr über Tinas Rückkehr gefreut hätten. An ihrem ersten Tag habe es sogar ein Sonderprogramm gegeben, mit einer Reflexionsstunde, einer Diashow mit Fotos von Tina und einer Stunde “Party und sich einfach freuen”. Auch beim Skikurs in der Woche darauf sei Tina dabei gewesen. Theo Haas, Schulsprecher der Schule, freut sich über das Urteil: “Das ist ein starkes Zeichen”, so Haas im Gespräch mit ZackZack. Auch Leonard freut sich. Das Urteil zeige, “dass die Rechtfertigungen von Nehammer damals nicht richtig waren”.
Haas betont aber, dass die Politik schon damals mehr auf Rechtsexperten, darunter die ehemalige Höchstrichterin Irmgard Griss, die das Kindeswohl missachtet sahen, hören hätte müssen. Dann wäre Tina nicht über ein Jahr an Schulzeit geraubt worden, so Haas gegenüber ZackZack. Er hofft, dass der Fall eine Lehre für die Zukunft ist.
Wilfried Embacher sagt gegenüber ZackZack, dass die Auswirkungen des Falls von den Behörden und Gerichten abhänge, “die schon seit elf Jahren das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern zu beachten haben”. Es seien keine Rechtsreformen notwendig, vielmehr brauche es bei der Anwendung der bestehenden Gesetze Schulungen und “ein völliges Umdenken in der Vollziehung”. Es dürfe nicht als oberstes Prinzip gelten, mit allen Mitteln eine negative Entscheidung herbeizuführen.
Blitz-Abschiebung trotz Protesten
Ende Jänner 2021 waren Tina (damals zwölf Jahre alt), ihre vierjährige Schwester (beide in Österreich geboren) und ihre Mutter nach Georgien abgeschoben worden. Die Zeit damals habe einen ganz besonderen Zusammenhalt in der Klasse geschaffen, erzählt Leonard am Montag ZackZack. In den drei Tagen von ihrer Verhaftung durch 13 Polizisten bis zu ihrer Abschiebung hatten sich Mitschüler, Politiker und Elternvertreter darum bemüht, die Abschiebung nach Georgien zu verhindern. ZackZack, damals vor Ort, hatte über das Telefon eines Mitschülers mit Tina gesprochen.
Theo Haas und sein damaliger Schulsprecher-Stellvertreter Felix Kroiss hatten ZackZack von ihren Bemühungen erzählt, die Abschiebung zu verhindern. In der Nacht der Abschiebung hatten Schüler einen Sitzstreik veranstaltet, der in den frühen Morgenstunden von der Polizei gewaltsam aufgelöst worden war. Tina und ihre Familie wurden trotz aller Proteste abgeschoben.
Nehammer gab Mutter die Schuld
Damals-Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) wurde für die Abschiebung stark kritisiert, wies aber alle Vorwürfe zurück. Er gab Tinas Mutter die Schuld an der Situation, sagte, sie habe nicht auf das Kindeswohl geachtet, indem sie mehrfach Anträge auf Asyl gestellt und sich gegen negative Bescheide gewehrt habe. Die Mutter habe Asylmissbrauch betrieben, so Nehammer damals.
Er behauptete außerdem, er hätte die Abschiebung nicht verhindern können, weil es Amtsmissbrauch gewesen wäre, gegen den negativen Asylbescheid der Gerichte zu handeln. Dazu sagt Wilfried Embacher gegenüber ZackZack, dass es keine Frage des Asylrechts sei, zum Wohle eines Kindes Bleiberecht zu gewähren.
(pma)
Titelbild: Tina privat