Freitag, April 19, 2024

Experten: Gasausstieg derzeit zu riskant – Russland-Sanktionen

Russland-Sanktionen

Die Industriellenvereinigung warnt davor den “Gashahn von heute auf morgen“ stark zu drosseln. Ökonom Oliver Picek sagt gegenüber ZackZack, die Folgen seien schwer absehbar.

Wien/Kiew/Moskau, 24. März 2022 | Die Industriellenvereinigung (IV) warnt davor, dass die Energiesicherheit in Österreich gefährdet ist. Anlass sind die Ankündigung von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, die Zahlungsmethode für Gaslieferungen an “unfreundliche Staaten” umstellen zu wollen, und der Rat der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag. Kurzfristig gebe es keine Alternative zum russischen Gas, das bleibe “die unbequeme Wahrheit”. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat die Forderungen nach einem Gas-Boykott in einem Interview mit der “Kleine Zeitung” als “realitätsfremd und falsch” bezeichnet.

Importstopp könnte Arbeitsplätze kosten

“Den Gashahn von heute auf morgen so stark zu drosseln, hätte katastrophale Auswirkungen auf unser alltägliches Leben, unsere Energieversorgung und unsere Wirtschaft insgesamt”, warnte IV-Chef Georg Knill am Donnerstag in einer Aussendung. Oliver Picek, Chef-Ökonom am Momentum Institut, sieht das genauso. Es wäre schwer absehbar, welche Folgen es für die Industrie und infolgedessen für die österreichischen Wirtschaft und Arbeitsmarkt hätte, von jetzt auf gleich auf russisches Gas zu verzichten, sagte er im Gespräch mit ZackZack.

Stiegen die Energiepreise in Europa langfristig, könnte das dazu führen, dass Industriebetriebe abwandern, weil sie sonst international nicht mehr konkurrenzfähig wären. Dadurch würden Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Österreich verloren gehen, so Picek. Zuletzt hatte die Papierindustrie Alarm geschlagen.

Es sei aber durchaus sinnvoll, einen Plan aufzustellen dafür, sich mittel- und langfristig weniger abhängig von russischem Gas zu machen, sagte der Ökonom. Die Energieversorgung hierzulande wird zu 19 Prozent durch Gas gedeckt, 80 Prozent davon kommen aus Russland. Hinter Ungarn und der Slowakei ist Österreich damit das europäische Land, das am drittstärksten von russischem Gas abhängig ist.

Was ist “verkraftbar”?

Allein schon die Diskussion schade dem Thema und treibe die Energiepreise in die Höhe, sagte Nehammer gegenüber der „Kleinen Zeitung“. Ja, sagt Ökonom Oliver Picek gegenüber ZackZack, Unsicherheit am Markt befeuere die Preise. Unternehmen mit variabler Preisabrechnung seien unmittelbar davon betroffen. Als Beispiel für einen betroffenen Kleinbetrieb nennt Picek das chinesische Restaurant „gegenüber von mir“. Das hätte Ende 2021 um die 2.000 Euro Energiekosten nachzahlen müssen. „Ich würde auch davon ausgehen, dass die meisten Industriebetriebe variable Preisgestaltung haben als Großverbraucher“, schätzt Picek gegenüber ZackZack ein.

Bisherige Berechnungen aus Deutschland darüber, ob ein Ausstieg aus russischem Gas machbar wäre, beschränkten sich auf die Anpassungsfähigkeit der Industrie, sagt Picek. „Es könnte sein, dass es glimpflicher ausgeht, aber die Sicherheit mit der manche deutschen Ökonomen behaupten, das wäre alles leicht machbar oder verkraftbar, da wäre ich mir nicht ganz so sicher“, so der Experte. Außerdem sei „verkraftbar“ immer eine recht subjektive Einschätzung. Es ginge um die Frage: „Was mutet man der Bevölkerung zu?“ Deren Beantwortung liege letztendlich bei der Politik, so Picek.

(pma/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Pia Miller-Aichholz
Pia Miller-Aichholz
Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich
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9 Kommentare

  1. „Was mutet man der Bevölkerung zu?“

    Wie scheinheilig ist das denn? A so, der Pöbel muss ja arbeiten, damit genug Steuergeld für korrupte Politiker und gefälschte Statistiken über bleibt.

  2. jahrelang wurde von der abhängigkeit gewarnt
    man hat darüber gelacht und sich noch tiefer in den putin hintern geschoben

    zahlt ihr idioten und hört auf zu jammern

    • Wenn sie die Industriellenvereinigung meinen liegen sie falsch. Die zahlen und wir müssen es denen mit kräftigem Aufschlag irgendwie abgelten.

  3. Schön langsam wünsche ich mir ja Russland möge uns das Gas abdrehen.
    Nur damit unsere Politdarsteller das erste Mal in ihrem Leben merken: Entscheidungen können auch Konsequenzen nach sich ziehen.

  4. Wenn wir uns dazu entscheiden aus dem russischen Gas auszusteigen, dann sollte das eine rein österreichische Entscheidung sein – und nicht aufgrund des Sanktionsdrucks der USA zustandekommen.

    • Österreich (und Umgebung) trifft schon lange keine eigenständigen Entscheidungen mehr.
      Die USA befiehlt “hüpf” – und wir fragen nicht “warum?” sondern “wie hoch?”.

        • Ich empfehle Ihnen in eine gute Sicherheitsinfrastruktur zu investieren um Ihren Öko-Spießer-Grundbesitz mit Windrädern, Photovoltaik-Anlagen sowie Bio-Landwirtschaft zu schützen. Könnte passieren dass die Realität in Form von frierenden und hungrigen Menschenmassen bei Ihnen „anklopft“. Wird interessant, ob Sie dann nach wie vor an „No border“ und „Gemeinschaftsbesitz“ festhalten.

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