Donnerstag, März 28, 2024

Skylla & Charybdis – Gute Absichten, ausbaufähig

Skylla & Charybdis

Ist ein Konzert mit über 40.000 Besuchern während der Pandemie ein sinnvoller Weg, um Geld für die Ukraine zu sammeln? Und ist “Feiern für den Frieden” in Zeiten des Krieges angebracht? Diesen Fragen ging Autorin Julya Rabinowich nach.

Wien, 26. März 2022 |

Es hat mehrere Solidaritätskonzerte gegeben, um für die fliehenden Menschen in der Ukraine Geld zu sammeln, für die Versorgung der Verwundeten, für Unterstützung, derer, die bleiben. Manche sind besser gelungen, andere weniger: eine maskenfreie Versammlung von über 40.000 Menschen ist in heftigen Pandemiezeiten nicht das aller, aller, allersinnvollste. Vielleicht hat die Musik auch nicht Jedermanns Geschmack getroffen, das ist aber im Unterschied zu der Entmaskung wirklich zweitrangig: es geht hier nicht um Ästhetik der Kunst, es geht um das Versorgen vieler mit dem Notwendigsten, und die Summe, die da gesammelt wurde, ist eine beeindruckende – sie wird vieles ermöglichen und Menschen helfen, etwas Leid zu lindern.

Dieses Leid, das stündlich weitergeht, mit jeder Bombe, mit jeder Bluttat, mit jedem Kind, das da aus Trümmern geborgen wird, mit jeder Mutter, die ihr Neugeborenes blutverschmiert und in Folie gewickelt stillt, eine ukrainische Madonna, ein Mahnmal. Man braucht die Leistung des Konzertes in Wien wirklich nicht schmälern – innerhalb kürzester Zeit wurde da ein Programm aus dem Boden gestampft und ein Stadion gefüllt: Eine beeindruckende Leistung. (Warum, warum nur hat man da das Sicherheitskonzept schleifen lassen- das öffnet Tür und Tor der Abwertung des Erreichten, leider, denn die Kritik daran ist berechtigt).

Wer übrigens nochmals für den Frieden und für Spenden zusammenkommen möchte, kann das am 27.3. wieder tun – Der Lichtermeerinitiator Daniel Landau und der Musiker Freude haben ein #YesweCare-Konzert mit Musik und Reden in die Welt gebracht, das am Heldenplatz stattfinden wird. Europaweit gibt es nicht nur Friedensdemonstrationen, sondern eben auch Kulturveranstaltungen, die sich für Frieden und die Kriegsopfer einsetzen. In Riga ging einen Tag nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine eine riesige Veranstaltung unter dem Motto „Freiheit für Ukraine“ über die Bühne, organisiert von dem Popsänger Ralfs Eilands, in Berlin fand bereits eine Veranstaltung zu ähnlichen Zwecken statt. Mal ist das Programm dabei feinfühliger mit dem Thema abgestimmt, mal weniger. Aber die machen ja nur Party, lautete einer der Vorwürfe.

Ja. Es mag seltsam anmuten, in Zeiten wie diesen für den Frieden zu feiern, ein bisschen Beigeschmack kann man schon dabei verorten, wenn die einen Party machen und die anderen im Bombenhagel sterben oder schwer verletzt werden – aber, bei ernsthaftem Abwägen bleibt die Frage, ob es diesen überlebenden Opfern nicht absolut egal ist, wie das Geld, dass ihr Überleben oder das Überleben ihrer Angehörigen sichert, zusammengekommen ist, Hauptsache, es ist da. Bevor man auf eine solche Charity verzichtet, weil man meint, es darf nur ein stilles, oder gar trauriges Gedenken geben, ist es doch besser, man beteiligt sich und hilft so, diese Tragik etwas abzumildern. Denn Tragik ist es und Tragik bleibt es, jetzt, und auch später, wenn der Krieg vorbei ist und nicht alle Wunden heilen. Das Leben und das Feiern des Lebens kann auch Stärke verleihen, Widerstandskraft geben, nicht verzweifeln lassen.

Bei der Berliner Veranstaltung Sound of Peace allerdings hielt ein Aktivist eine Rede, die auch die Aussage „(…)wenn wir anfangen, heteronormativen, weißen Cis in den Arsch zu ficken“ enthielt, was bejubelt und bejohlt wurde. Nein, auf einem Friedensevent soll niemand „in den Arsch gefickt werden“, schon gar nicht, wenn dieses Event sich gegen einen Krieg richtet, in dem gerade vergewaltigt wird, zumal auch Vergewaltigung von Männern durch russische Truppen in Tschetschenien dokumentiert ist. Wer dazu johlt, hat was nicht verstanden.

Titelbild: APA Picturedesk

Markus Steurer
Markus Steurer
Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.
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19 Kommentare

  1. Ja, wir brauchen die Konzerte. Ich meine weniger wegen der Spenden (die Regierungen sind ja bereit abzufedern), viel mehr wegen des Bewusstseins, dass da ein Vernichtungskrieg im Gange ist. Und für die bereits im Land befindlichen Flüchtigen.

    Am Heldenplatz wurde gestern aufgebaut. Eine kleine Gruppe Ukrainer:innen stand vor der Bühne und demonstrierte. Sie sahen die Bühne, sie sahen die Banderole, sie sahen, dass es eine Veranstaltung für sie sein wird.

    Und vielleicht schafft man es ja einmal auch, dass ukrainische Bands auftreten, dass Ukrainer:innen gratis reindürfen. Man muss schon Gelegenheiten für wohlige Identifikation schaffen. Und das geht mit Musik am besten.

  2. Volle Zustimmung, Frau Rabinowich!

    Aber Inhalte sind den meisten dieser Konzertbesucher ziemlich Wurscht. Sie kommen sehr günstig zu einem Event, der ihnen taugt.

    Deshalb sollten die Veranstalter ruhig das doppelte verlangen. Das wäre gegenüber normalen Konzerten noch überaus günstig und würde deutlich mehr Geld für die ukrainischen Opfer bringen.

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