Sonntag, März 23, 2025

Südtiroler Abhöraffäre – Landeshauptmann fordert Rücktritt

Landeshauptmann fordert Rücktritt

Seit Wochen tobt in der regierenden Südtiroler Volkspartei (SVP) ein Streit um ein abgehörtes Telefonat. Der Gesundheitslandesrat hatte sich abfällig über den Landeshauptmann Arno Kompatscher geäußert.

Bozen, 29. März 2022 | Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher und Parteiobmann Philipp Achammer (beide SVP) waren am Montag um einen Schulterschluss versucht. Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz in Bozen forderten sie Rücktritte in der zweiten Reihe der Partei. Kompatscher verlangte den Abgang von Gesundheitslandesrat Thomas Widmann und entzog ihm seine Kompetenzen.

Er habe Widmann, der sich in den Abhörprotokollen abfällig über den Landeshauptmann geäußert hatte, im Beisein Achammers aufgefordert, zurückzutreten, sagte Kompatscher bei dem kurzfristig anberaumten Pressestatement nach einer Parteisitzung am SVP-Sitz in Bozen. Was Widmann darauf geantwortet habe, wollte der Landeshauptmann nicht sagen. Jedenfalls werde er dem Parteiurgestein seine Kompetenzen in der Landesregierung entziehen.

„Schlechtester Landeshauptmann“

Kompatscher lobte die Arbeit des Gesundheitslandesrates vor allem während der Pandemie. Allerdings sei das Vertrauensverhältnis völlig zerstört. Widmann hatte in einem der abgehörten Telefonate Kompatscher als den “schlechtesten Landeshauptmann” bezeichnet, den Südtirol je hatte. Nicht ganz einverstanden mit der Vorgangsweise in Bezug auf Widmann war Achammer. Er hätte eine “andere Lösung bevorzugt”, gab der 36-jährige Parteiobmann und Landesrat zu Protokoll.

Der Parteiobmann wiederum verlangte den Rücktritt von SVP-Vizeparteichef Karl Zeller, einem Vertrauten und Anwalt von Kompatscher. Diesem war von Gegnern des Landeshauptmannes vorgeworfen worden, die Protokolle an die Medien weitergeleitet zu haben. Auch SVP-Fraktionschef Gert Lanz wurde infrage gestellt. In einer Sitzung der Landtagsfraktion soll dessen Rückhalt erörtert werden. Lanz hatte sich im parteiinternen Konflikt weit aus dem Fenster gelehnt. Es wurde zudem bekannt, dass er zweifelhafte Verhandlungen mit SAD-Chef Ingomar Gatterer zum Verkauf seines vor dem Konkurs stehenden Unternehmens geführt habe. Dies wurde damit begründet, dass dieser zu viele Interessen zu vertreten habe. Auch der SVP-Bezirksobmann von Bozen Stadt und Land, Christoph Perathoner, der zeitweise ein Amt in der SAD bekleidet hat, soll gehen, wenn es nach Achammer geht.

„Ich muss Sie enttäuschen,…“

Gleich zu Beginn hatte der Parteiobmann zu den anwesenden Medienvertretern gemeint: “Ich muss Sie enttäuschen, der SVP-Obmann wird nicht zurücktreten”. Er selbst habe “sicherlich nichts vertuscht”. Er habe sich an die Gesetze halten wollen und zunächst versucht, abzuklären, ob die Veröffentlichung von Abhörprotokollen rechtens sei. Dies sei ihm von der Staatsanwaltschaft bestätigt worden. Darüber hinaus habe er versucht, einige Dinge innerhalb der Partei zu klären und nicht, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Um solche “unschöne Wortmeldungen” in Zukunft hintanzuhalten, werde es jedenfalls einen “Verhaltenskodex” geben. Diesen werde er den Parteigremien vorlegen. Die Regeln sollten zwar für alle klar sein, würden aber dennoch niedergeschrieben.

Achammer betonte zum Abschluss der Pressekonferenz, dass er hoffe, den Streit nun abschließen zu können, da die Bürger dringendere Probleme hätten, die angegangen werden müssten. Trotzdem sei eine Klärung der Streitigkeiten notwendig gewesen.

Fragen waren nach dem Medienauftritt der beiden SVP-Granden nicht zugelassen. Ursprünglich hatte nur Achammer zu der Pressekonferenz geladen, in der er über die “aktuelle Situation informieren” wollte. APA-Informationen zufolge reklamierte sich aber dann auch Kompatscher in die Presseerklärung hinein. Das Klima zwischen den beiden SVP-Spitzen gilt seit längerer Zeit als sehr belastet. Auch während des gemeinsamen Auftritts am Montag wirkte das Verhältnis von Parteiobmann und Landeshauptmann distanziert.

Abhörprotkolle aus dem Jahr 2018

Hintergrund der Streitigkeiten innerhalb der Sammelpartei ist die Veröffentlichung von Abhörprotokollen aus dem Jahr 2018 rund um staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen der Konzessionsvergabe für den öffentlichen Busdienst in Südtirol. Diese wurden kurz vor Weihnachten 2021 in der Wochenzeitschrift “FF” in Abschnitten veröffentlicht, kürzlich erschien dazu auch ein Buch mit dem Titel “Freunde im Edelweiß”. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, auch gegen Kompatscher, endeten übrigens Anfang Dezember des vergangenen Jahres mit der Feststellung, dass die öffentliche Verwaltung und der Landeshauptmann keinen Fehler begangen und ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit gehandelt hätten.

Den veröffentlichten Ausschnitten zufolge wurde von einigen Exponenten der SVP versucht, 2018 Einfluss auf die personelle Besetzung beim zuständigen Landesrat zu nehmen, um das Bus-Unternehmen SAD zu begünstigen. Widmann sollte als Landesrat den Bereich Mobilität übernehmen, in dessen Zuständigkeiten auch die Buskonzessionen fallen. Gelungen ist dies nicht, da Widmann letztendlich der Gesundheitsbereich übertragen wurde. Außerdem wurden negative Äußerungen einiger Politiker über Parteifreunde veröffentlicht. Unter anderem soll sich auch Achammer abwertend über Landeshauptmann und Parteifreund Kompatscher geäußert haben.

Kompatschers Wiederkandidatur noch unklar

In der SVP gibt es offensichtlich zwei Lager, die sich zuletzt zunehmend offen bekriegten. Dem als reformorientierten, eher links-liberal verorteten Flügel der SVP um Landeshauptmann Kompatscher steht das eher konservative Lager gegenüber. Achammer werden zudem Ambitionen auf den Posten des Landeschefs nachgesagt. Kompatscher, der seit 2014 als Landeshauptmann fungiert, hat bisher noch nicht bekanntgegeben, ob er bei der Landtagswahl 2023 noch einmal kandidiert. In einem APA-Interview zu Beginn des Jahres verlangte er zunächst “reinen Tisch” in Sachen SAD, bevor er eine Erklärung über seine Wiederkandidatur abgebe, stellte also quasi ein Ultimatum. Auch Altlandeshauptmann Luis Durnwalder gilt noch als einflussreicher Fädenzieher und Widersacher Kompatschers.

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Benedikt Faast

    Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.

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