Spionageprozess
Ein Wiener soll versucht haben Firmengeheimnisse an die Konkurrenz weiterzugeben – per Fax. Es geht um die Produktion von Teilen von Musikinstrumenten.
Wien, 08. April 2022 | Bürointrigen, Vernaderung und Mobbing – es ist nicht das beste Arbeitsklima, das der 57-jährige Mann auf der Anklagebank am Freitag am Landesgericht Wien beschreibt. Dennoch, er habe nicht getan, was man ihm vorwerfe: Verrat von Firmengeheimnissen.
„Ich weiß genau, dass ich ausspioniert wurde“, spielt der Angeklagte den Ball zurück und spricht davon, dass es in der Firma üblich sei, dass die Chefs die Mitarbeiter bespitzeln ließen. Das Unternehmen, um das es geht, stellt Teile von Musikinstrumenten her. Mehrere Jahre war der Mann dort in einer leitenden Position tätig. Jetzt sitzt er auf der Anklagebank. Auf den Geheimnisverrat ins Ausland stehen bis zu drei Jahre Haft.
Keine Faxen vor dem Recht
„Ich lasse das Eröffnungsplädoyer-Blabla weg und sage gleich, worauf es mir ankommt“, verkündet sein Verteidiger Ernst Schillhammer am Beginn der Verhandlung salopp und bittet um exakt fünfeinhalb Minuten Aufmerksamkeit. Seinem Mandanten wird vorgeworfen, im Jahr 2020 zweimal ein Fax mit Betriebsgeheimnissen an den größten Konkurrenten seiner Firma geschickt zu haben.
Das erste Fax wurde just an dem Tag gesendet, an dem er gekündigt wurde. „Einvernehmlich!“, ruft der Mann dazwischen, Schillhammer macht eine beschwichtigende Handbewegung. Auch im weiteren Verfahren wird sein Mandant sich vehement verteidigen – auch wenn er gar nicht an der Reihe ist.
Zwei Dinge sind dem Verteidiger in seinem Anfangsstatement wichtig: Zu manchen der weitergegebenen Informationen hätten auch andere Angestellte Zugang gehabt, zu anderen weitergegebenen Informationen wiederum habe sein Mandant keinen Zugang gehabt. Und: Die Kopfzeile der Faxe könne man bearbeiten. Sein Fazit: „Es gibt keinen Beweis dafür, dass diese Faxe von meinem Mandanten sind. Er ist nicht schuldig.“
Missglücktes Informationsangebot
So klar ist das für Richterin Katharina Bogner nicht und auch nicht für Staatsanwalt in Ausbildung, Yannick Shatty. Denn in der Kopfzeile der Faxe war die Festnetznummer des Angeklagten angegeben und einen anderen konkreten Verdächtigen gibt es nicht. Schließlich wird die Geschäftsführerin des deutschen Konkurrenzunternehmens per Videokonferenz in den Verhandlungssaal zugeschalten. Sie hat die beiden Faxe erhalten, erzählt sie von der Saalwand aus, auf die sie der Beamer projiziert.
Es handelte sich dabei um detaillierte Absatzstatistiken mehrerer Jahre und Informationen über geplante Produkteinführungen. Im zweiten Fax wurden Produktionsdaten sowie Informationen über die Herstellung der Instrumententeile und zu Lieferanten angeboten. Die Firma stieg jedoch nicht darauf ein und informierte die Staatsanwaltschaft und die Firma in Österreich.
Doch dass damit irgendetwas bewiesen sein soll, sieht der Angeklagte nicht ein. Er habe ja gar kein Motiv gehabt. „Die Kündigung war für mich eine Erlösung“, sagt der Mann. Er habe sich sowieso nach einem anderen Job umgesehen. Er scheint fest davon überzeugt, dass ihn jemand hereinlegen wollte. Denn er habe seinen Firmen-PC mit Passwort bei der Kündigung an die IT übergeben, auch seine Passwort für das Faxprogramm sei im Browser gespeichert gewesen. Sein Schluss daraus: Theoretisch hätte die Faxe jeder von seinem Account aus senden können.
Zoff mit der IT
Falsch, widerspricht ihm die Leiterin der Firmen-IT, die als Zeugin geladen ist. Es sei in der Firma die Regel, dass keine Passwörter im Browser gespeichert werden können, um genau das zu verhindern. Nicht, falsch grätscht ihr der Angeklagte rein, der schon zuvor mehrmals seinen Finger gehoben hatte, um sich zu Wort zu melden. Er habe einen anderen IT-Mitarbeiter gebeten, diese Funktion wieder zu aktivieren.
Wenn das so wäre, wer hätte denn von seinem Account faxen sollen?, fragt die Richtern. Hatte er mit jemandem eine konkrete Auseinandersetzung? Während Corona wurden weniger Produkte bestellt, dadurch musste die Firma Geld sparen und er 150 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, antwortet er. Das habe ihn sicher nicht beliebt gemacht. Eine Auseinandersetzung habe er außerdem mit einem Produktionsleiter gehabt.
Die Richterin überlegt. Dass der Angeklagte seinen alten Fax-Account gelöscht hat, mache es generell schwer nachvollziehbar, welche Faxe wann gesendet wurden, so Bogner. Sie beschließt den IT-Mitarbeiter, der die Passwortspeicherung ermöglicht haben soll, und auch einen Vertreter des Online-Faxanbieters als Zeugen zu laden. Die Verhandlung muss daher vertagt werden. Man kann nur hoffen, dass die Ladungen nicht per Fax zugestellt werden.
(sm)
Titelbild: APA Picturedesk