Dienstag, Oktober 8, 2024

Versuchter Mord an Ehefrau: »Es dauert nur drei Minuten«

Gerichtsprozess

Ein Mann versuchte seine Frau mit einem Küchenmesser umzubringen und verletzte seinen Sohn schwer. Er wird eingewiesen.

Wien, 22. April 2022 | Die Frau, die ihre Aussage vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien macht, trägt einen schwarzen Pullover und Narben auf Stirn, Unterlippe, Hals und Hand. “Es dauert nur drei Minuten”, sagte ihr Mann, bevor er an einem Novembertag ein Brotmesser mit 20 Zentimeter langer Klinge aus einer Küchenschublade nahm und ihr damit in den Hals schnitt.

Nach einem Kampf mit dem Sohn, den er dabei ebenfalls schwer mit dem Messer verletzte, versuchte er sich ein zweites Mal auf die Frau zu stürzen. Pfefferspray beendete den Angriff schließlich.

Verfolgungswahn und Aggression

Er wollte sie umbringen – das sagt auch der Mann selbst, der während der Aussage der Frau im Nebenraum warten muss. Doch während der Tat war er nicht zurechnungsfähig. Der psychiatrische Gutachter Peter Hofmann sagt, die schwere geistige Krankheit des Mannes sei tatbestimmend gewesen: Depressionen, Panikattacken, Wahnvorstellungen, insbesondere Verfolgungswahn. “

Bis zu dem Vorfall im November hatte der 56-Jährige weder seine Frau noch den erwachsenen Sohn jemals körperlich angegriffen, das bestätigen beide. Er hat keine Vorstrafen. Doch immer wieder soll er gegenüber anderen Menschen aggressiv aufgetreten sein, weil er immer wieder seine Medikamente absetzte.

Darunter waren ein Arbeitskollege, ein fremder Teenager und auch vor der Tochter soll er einmal mit dem Messer herumgefuchtelt haben. “Jetzt nehme ich alles”, sagt der Mann mit den kurzen grauen Haaren, der mit geradem Rücken vor Richterin Christina Salzborn sitzt und die verschriebenen Medikamente damit meint. “Damit das nie wieder passiert.” Alkohol oder Drogen waren nie ein Thema.

“Ich war mir sicher, es wird etwas passieren.”

Sie waren 39 Jahre verheiratet, zehn Jahre sei er schon krank und sie habe viel Rücksicht genommen, aber in den letzten drei Jahren sei sein Verhalten extrem geworden, schildert die Frau. Er habe auch einmal versucht, sich selbst mit einem Messer umzubringen.

Ihr Sohn habe einige Zeit vor dem Vorfall vorübergehend wieder bei den Eltern übernachtet – von sich aus, denn: “Ich war mir sicher, es wird etwas passieren. Ich arbeite schon lange im Sicherheitsdienst. Ich erkenne eine Person, die kurz davor ist, auszuflippen. Man hofft dann halt doch, dass nichts passiert.”

Der Vater fügte ihm bei dem Angriff auf die Mutter schwere Schnitte an der Hand zu, der Sohn verletzte auch den Vater und biss ihm Teile des Ohres ab. Ein Verfahren gegen den Sohn deswegen wurde eingestellt: Es war Nothilfe. Auch der Vater sagt: “Mein Sohn ist unschuldig, er wollte nur der Mama helfen.”

Vor dem Vorfall soll es auch einen Streit gegeben haben. Der Mann soll der Frau eine von ihm zusammenfantasierte Affäre vorgeworfen haben. Dass es diese gibt, davon ist er noch vor Gericht überzeugt. Es habe keinen Streit gegeben, der Mann habe unzusammenhängende Worte von sich gegeben aber nicht genau sagen können, was los ist. Es soll auch eine Meinungsverschiedenheit wegen zweier Audioboxen gegeben haben, die der Mann behalten und die Frau loswerden wollte.

Einweisung mit positiven Zukunftsaussichten

Die Geschworenen im Saal hören aufmerksam zu und sie stellen viele Fragen, etwa: Hat er gewusst, dass es seine Frau ist, die er da angreift? Ja, das hat er, antwortet er. Vor der Gerichtsverhandlung hatte er es gegenüber dem Psychiater noch als Unfall gesehen, mittlerweile ist die Einsicht da und dass passe auch ins Krankheitsbild, so der psychiatrische Gutachter Peter Hofmann.

In dieser Verhandlung geht es nicht um Schuld oder Strafe, es geht um die Frage, ob der Mann in eine Anstalt für “geistig abnorme Rechtsbrecher” eingewiesen werden soll. Hofmann stellt fest: Alles was in den letzten zehn Jahren versucht wurde, hat nicht funktioniert. Es brauche einen ganz neuen Ansatz.

Eine positive Entwicklung gäbe es zwar, jetzt, wo der Mann medikamentös neu eingestellt sei, dennoch deute noch nichts auf eine tiefere Einsicht hin oder darauf, dass er stabil ist. Dass er in Zukunft noch einmal seine Familie oder Fremde angreift, sei wahrscheinlich. Fazit: “Der Betroffene erfüllt alle Voraussetzungen für eine Einweisung.” Die Geschworenen werden schließlich einstimmig dafür entscheiden.

Da die Krankheit mit der richtigen Behandlung behandelbar sei und sich schon eine Verbesserung abzeichne, gebe es eine Aussicht, dass der Mann in Zukunft wieder aus dem Maßnahmenvollzug entlassen werden kann. Die Entscheidung zur Einweisung ist rechtskräftig.

Opfervertreterin Sonja Aziz äußert am Ende der Verhandlung noch die Sorgen der Familie: Die Frau hat eine einstweilige Verfügung gegen den Mann erwirkt, diese gilt aber nur für ein Jahr. Die Frau habe Angst, dass der Mann zurückkommt, wenn er aus dem Maßnahmenvollzug entlassen wird. Außer ihnen habe er nämlich keine Familie oder Freunde. Sie hat die Scheidung eingereicht.

(sm)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Stefanie Marek

    Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.

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