Samstag, Oktober 5, 2024

Seine Durchlaucht ist wieder ausgeritten – Kommentar zur Ukraine-Absage Schallenbergs

Kommentar zur Ukraine-Absage Schallenbergs

Österreichs Außenminister Schallenberg leistete sich im Angesicht des Putin-Krieges wieder mal einen Aussetzer. Völlig ohne Not beendete er de facto ukrainische EU-Hoffnungen. Diese Art der „Diplomatie“ ist nicht neu und auch kein Versehen.

Benjamin Weiser

Wien, 26. April 2022 | Alexander Schallenberg hat Prioritäten. Etwa den nachbarschaftlichen Dialog mit seinesgleichen zu fördern. So ist Seine Durchlaucht Erbprinz Alois von Liechtenstein, vulgo der Stellvertreter des Fürsten, ein wichtiger Gesprächspartner des ebenfalls adligen Außenministers in Wien.

Bei der gemeinsamen Umsetzung der Russlandsanktionen gehe man Seit an Seit. Das klingt einigermaßen beunruhigend, denn sowohl Österreich als auch Liechtenstein sind Oligarchenherbergen der Sonderklasse. Dass die Sanktionsumgehung hier besonders leicht sein dürfte, ist unter Experten kein Geheimnis.

Zu allem Überfluss preschte Schallenberg jüngst wieder einmal vor, der zerbombten Ukraine erteilte er de facto eine Absage für eine mögliche EU-Mitgliedschaft. Der bestens ausgebildete Diplomat müsste eigentlich wissen, dass derartige Schnellschüsse allumfassenden Schaden anrichten. Die Ukraine reagierte erbost, Russland jubilierte. Die EU wiederum steht jetzt mit runtergelassener Hose da: Wie soll man die restlichen Skeptiker einer Mitgliedschaft überzeugen, wenn Österreich eine Vorentscheidung trifft? Ein hochrangiger Diplomat sagt zu ZackZack: „Das ist ein in der österreichischen Außenpolitik oft vorkommender Fehler: Wir geben uns dafür her, dass wir Dinge, die in der EU auch andere skeptisch sehen, öffentlich abzulehnen. Schon im Verhältnis EU-Türkei war das seinerzeit so.“

Immer wieder Aussetzer

Gewiss ist das Thema heikles Terrain: Länder wie Serbien unter Autokrat Aklesandar Vucic zeigen, wie schwer der Weg nach Europa sein kann. Gerade deshalb sollte man Argumente sorgsam abwägen, eine Debatte führen. Jedenfalls sollte man diese nicht einfach beenden, bevor sie überhaupt begonnen hat. Sicher ist: Putin gefällt das. Und das ist nicht neu. Unvergessen sind Schallenbergs Sager zu Beginn des Krieges: „Wir hören, dass die Russen sprechen wollen. Abschreckung und Dialog sind die richtigen Mittel.“ Die Russen wollen also sprechen – nur halt mit den Waffen. Garniert wurde die Aussage mit einer Prise Geschichtsrevisionismus: „Wir haben 1938 erlebt, wie es ist, alleingelassen zu werden.“

Mit dieser Art brüskierender „Diplomatie“ sorgt der Außenminister in den eigenen Reihen regelmäßig für Kopfschütteln. So auch, als die Wiener Durchlaucht ihre Leute auf die Linie des abgewählten Donald Trump einschwor. In den „Lines to take“, also den Richtlinien für die Position Österreichs, die an die Botschaften am US-Wahlabend 2020 geschickt wurden, hieß wörtlich: „Wir haben immer gewusst, dass diese Präsidentschaftswahl stark umkämpft sein wird.“ Dazu diktierte eine Sprecherin Schallenbergs den Botschaftern eine Stellungnahme. Sie sollten öffentlich sagen: „Ich hoffe aber, dass sie (die Wahl, Anm.) keine unendliche Geschichte wird. Wir wollen keine USA der Nabelschau und Introversion.“

Im prestigeträchtigen Außenministerium ist die Stimmung nicht erst seit der Trump-Posse schlecht. Anbiedern und Politloyalität stehen schon seit Sebastian Kurz‘ Zeit am Minoritenplatz über dem Kriterium der Qualifikation. Auf erfahrene Beamte wurde ein türkiser Sonderberater losgelassen, der schaut, dass sich alle brav verhalten. Schallenberg führt den Kurz-Weg schlicht fort. Jetzt bekommt es eben die ganze Welt mit. Zum Schaden für Österreich.

Titelbild: APA Picturedesk

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