Donnerstag, April 25, 2024

Unternehmer klagt Republik – Fall um zerstörte Hanfplantage wird zum Gerichtskrimi

Unternehmer klagt Republik

Legal aufgezogene Pflanzen, einfach abgeschnitten und mitgenommen. Wer kommt für den 200.000 Euro teuren Schaden auf, den ein Wiener Hanfbauer durch einen rechtswidrigen Polizeieinsatz erlitt? Der Staat will es nicht und wirft dem Kläger nach wie vor vor, Suchtmittel angebaut zu haben.

 

Wien, 04. Mai 2022 | Bald zwei Jahre ist es her, dass Polizisten seine legale Nutzhanfplantage in Wien Liesing zerstört haben. Pascal Novosel, der gemeinsam mit seiner Frau Dina im Sommer 2020 mitten im Aufbau seines Unternehmens „Green-C-View“ war, musste wieder ganz von vorne anfangen.

Legale Hanfpflanzen abgeschnitten

Die Beamten wurden damals zufällig aufgrund eines Fehlalarms in der Nachbarsadresse auf seine Halle in einem Gewerbepark in der Gutheil-Schoder-Gasse aufmerksam. Als sie die 1.700 Pflanzen entdeckten – es handelte sich um EU-zertifizierte CBD-Nutzhanfpflanzen – schnitten sie diese im Glauben, eine illegale Plantage auszuheben, ab. ZackZack hat Novosel letzten Sommer besucht. Für ihn sei damals eine Welt zusammengebrochen, erzählte er mit den unbrauchbaren Überresten seiner Pflanzen in der Hand.

Sommer 2021: Pascal Novosel vor seiner Halle in Liesing / Die abgestorbenen Stauden hat er von der Polizei zurückbekommen (Bilder: ZackZack)

Den durch die Staatsgewalt verursachten Schaden beziffert der Unternehmer auf über 200.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen den Unternehmer und seine Frau kurz darauf eingestellt. Das Verwaltungsgericht urteilte zudem bereits, dass es sich um einen rechtswidrigen Einsatz gehandelt hat. Auch ein Beamter, der am Tag nach dem Einsatz den Fall für die weitere Bearbeitung übernommen hatte, soll dem Anwalt des Klägers bei einer Akteneinsicht gesagt haben, dass „er es höchstwahrscheinlich anders gemacht hätte“, behauptet der Anwalt. „Kann sein, ich weiß es nicht mehr“, wird schließlich der Beamte vor Gericht darauf angesprochen sagen.

Trotz aller Gegebenheiten will die Republik, vertreten durch die Finanzprokuratur, nach wie vor nicht für den Schaden aufkommen, weshalb Novosel das Geld einklagen will. Am letzten Freitag kam es zu einer Verhandlung am Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen.

Polizisten hätten „Saustall“ vorgefunden

Was war also in jener Nacht genau passiert? Und wie konnte niemand von den anwesenden Polizisten auf die Idee gekommen sein, dass es sich bei Novosels Plantage um ein angemeldetes landwirtschaftliches Unternehmen handeln könnte? Befindet sich die Halle doch mitten in einem Gewerbepark, unmittelbar angesiedelt zwischen einem großen Getränkehersteller und einem Lebensmittel-Lieferservice.

Der Tenor der als Zeugen geladenen Beamten ist ähnlich: Hinweise auf eine legale Produktion hätte es damals wenig bis gar keine gegeben. Im Gegenteil, sie hätten allen Grund zur Annahme gehabt, dass es sich bei der Plantage des Klägers um eine illegale Aufzucht handeln könnte.

„Die Tür zur Halle stand offen, als wir eingetroffen sind. Als wir Cannabisgeruch wahrgenommen hatten, haben wir das Landeskriminalamt verständigt und sind reingegangen. Dort haben wir dann drei offensichtlich durch Suchtmittel beeinträchtigte Personen vorgefunden“, erzählt der junge Revierinspektor in Uniform, der zu den Ersten vor Ort gehörte. Zwei von ihnen wären an einem großen Tisch gesessen, auf dem eine Wasserpfeife und mehrere Päckchen Cannabis gestanden hätten. Ein Dritter hätte in einem Nebenzimmer nur mit Unterwäsche bekleidet geschlafen. Die Zustände vor Ort: „Ein Saustall“, behauptet der Beamte. Später hätte man in einem Nebenraum auch schon die Plantage mit den halb aufgezogenen Pflanzen entdeckt.

Blick von der Eingangstüre in die Halle, hier hat sich die Amtshandlung zugetragen (Bild: ZackZack)

Sprachbarrieren und eine nicht beachtete Visitenkarte

Zwei später zur Halle hinzugezogene Beamte bestätigen vor Gericht die „alles andere als professionell wirkenden Zustände“ vor Ort. Ein Austausch mit den Anwesenden hätte sich schwierig gestaltet. Weder die zwei, die am Tisch saßen, ein US-amerikanischer und ein tschechischer Staatsbürger, noch der Dritte, ein Kroate, der beim Unternehmen angestellt und mit dem Nachtdienst beauftragt war, sprechen Deutsch. Während der US-Amerikaner laut Beamten sich weigerte, mit ihnen zu reden, hätten die anderen zwei aufgrund mangelnder Englischkenntnisse ihre Mühe gehabt, sich zu erklären.

„Ich durfte nichts sagen, nur stillsitzen“, beklagt hingegen D., der Angestellte, der die zwei anderen Bekannten unerlaubter Weise in jener Nacht in die Halle eingeladen hatte. Der Mittdreißiger trägt kurzes Haar, ein Dolmetscher übersetzt für ihn. Er gibt vor der Richterin an, dass er den Beamten damals zu verstehen geben wollte, dass es sich um ein legales Unternehmen handelt. In seiner Verzweiflung reichte er den Beamten eine Visitenkarte mit Firmennamen und Telefonnummer.

Ein solches Kärtchen bestätigen auch die Beamten. Was darauf aber genau stand, daran wollte sich einer von ihnen nicht mehr erinnern. Auch sonst sei keiner auf die Idee gekommen, sich mit einem möglichen Mieter der Halle in Verbindung zu setzen. „Die Karte hat sie gar nicht interessiert, niemand wollte mir zuhören“, so D.

Die Umstände hätten sich den Polizisten nach klar gestaltet: Hier bauen drei offensichtlich berauschte Personen ausländischer Herkunft illegal Suchtgift an. Daran hätte auch eine, zwischen den Beamten anscheinend untergegangene Visitenkarte nichts geändert. Diese könne schließlich „jeder machen“, meint der leitende Kriminalbeamte, der schlussendlich auch das Abschneiden der Pflanzen angeordnet hatte.

Abschneiden der Pflanzen „gängige Praxis“

Ob es nicht seine Aufgabe gewesen wäre, Fakten zu schaffen, will der Anwalt des Klägers vom Einsatzleiter wissen. Schließlich hätte sich abgesehen von der Karte auch eine Büro-Ecke mit Rechnungen am Tisch in der Halle befunden, was zusätzlich auf einen legalen Betrieb hinweisen würde. Auch den Portier bei der Einfahrt zum Gewerbepark, einen solchen die Beamten nicht wahrgenommen haben wollen, hätte man fragen können. „Die Fakten waren für mich klar. Wenn ich nicht so reagiere muss ich damit rechnen, dass das Suchtmittel in Umlauf kommt, das wäre gegen meine Vorgaben gewesen“, verteidigt der Kriminalbeamte sein Handeln.

Hinweise auf eine legale CBD-Produktion hätten sich für ihn nicht aufgetan, selbst hätte er mit keinem der anwesenden Männer gesprochen. Ein Abschneiden der Pflanzen anstatt des Mitnehmens im Topf, womit die Pflanzen noch möglicherweise hätten gerettet werden können, sei aufgrund „mangelnder Einlagerungsmöglichkeiten“ zudem „gängige Praxis“.

ZackZack hat sich im Sommer 2021 selbst ein Bild von der Plantage gemacht. Wie er selbst den Einsatz damals miterlebt hat, erzählte der Unternehmer im Video:

Staat will Kläger illegales Handeln zuschreiben

Novosel, seine Frau und auch ein ehemaliger technischer Angestellter geben bei der Verhandlung an, dass die Halle zum damaligen Zeitpunkt noch einer Baustelle glich. Schließlich wäre man erst im Mai 2020, also etwa zwei Monate vor dem Einsatz, dort eingezogen, was den von den Beamten bezeichneten „Saustall“ erklären würde.

Von der kleinen Party, die sein Angestellter D. in der Nacht in seiner Halle veranstaltet hatte, will Novosel selbst nichts gewusst haben. Der Unternehmer legt der Richterin Dokumente und Rechnungen vor, die seine Plantage als legalen Betrieb ausweisen. Die Hanfsorte „Finola“, eine von 36 EU-zertifizierten Pflanzen, baut er unter anderem in seiner Halle an. Aus dieser stellt er Produkte wie etwa Kosmetiköl und CBD-Aromablüten her, die er in Folge über seinen Webshop vertreibt.

Dass eine der Pflanzenproben, wie von einem Kriminaltechniker, dessen Abteilung mit der Analyse der konfiszierten Blüten beauftragt war, behauptet, den erlaubten THC-Gehalt (THC ist jener Wirkstoff, der für den berauschten Zustand beim Konsumenten sorgt) von maximal 0,3 Prozent knapp überschreiten würde, bestreiten er und sein Anwalt. Das sei auch durch Einstellung des Verfahrens und durch das Urteil des Verwaltungsgerichts bereits bestätigt worden. Auch den Vorwurf einer geladenen Kriminalbeamtin, die mit dem Fall selbst nichts zu tun hatte, wonach Novosel in seinem Webshop nicht zertifizierte Hanfsorten angeboten hätte, entkräftigt er auf Richternachfrage. Es sei in der Branche üblich, dass man zu Verkaufszwecken den Produkten andere Namen gebe und nicht den offiziellen.

“Anarchische Zustände”

“Wir legen nun Rechnungen vor, die beweisen, dass die Ausführungen der Beamtin des BKA zur Website der klagenden Partei unrichtig sind und sie die gängige Praxis des Marketings von CBD vollkommen unrichtig dargestellt hat”, so Novosels Anwalt gegenüber ZackZack. Ihre Aussagen seien zudem “irrelevant”, weil diese erst die Ermittlungen nach Vernichtung der Pflanzen vorgenommen habe. Es sei sowieso bereits durch Staatsanwaltschaft und Verwaltungsgericht alles rechtskräftig beschlossen, dass hier kein illegales Vorgehen seines Mandanten vorliege.

Auch die Polizei hat danach keine Ermittlungen mehr in diesem Fall getätigt, die drei anwesenden Männer wurden am nächsten Tag wieder freigelassen und nicht weiter strafrechtlich verfolgt. Hier werde etwas künstlich aufrechterhalten, meint der Anwalt.

Dann wird ein Zwischenurteil entscheiden, ob die Razzia vertretbar war oder nicht. “Das sind anarchische Zustände, sie werfen uns immer noch vor, dass wir uns nicht an Gesetze halten, dabei ignorieren sie das Gesetz”, so Novosel gegenüber ZackZack. Er werde jetzt gemeinsam mit seinem Anwalt die Protokolle der Verhandlung abwarten und sich dann genau ansehen. Dass vor Gericht nach wie vor, mit seiner Meinung nach irrelevanten und falschen Mitteln, versucht wird, ihm illegales Handeln vorzuwerfen, werde er sich nicht gefallen lassen. “Dann wird es womöglich auch Strafanzeigen und Verleumdungsanzeigen von unserer Seite geben.”

Mit einem raschen Ende rechnet Novosel nicht. Im Falle einer Entscheidung zu seinen Gunsten kann der Fall noch durch weitere Instanzen gehen. Entscheidet dann auch das Oberlandesgericht und der Oberste Gerichtshof so, wird es erst dann um die genaue Höhe der Schadenersatzsumme gehen. “Das kann sich noch lange ziehen”, so Novosel.

(mst)

Titelbild: ZackZack

Markus Steurer
Markus Steurer
Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.
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17 Kommentare

  1. Was können Behörden Menschen in Österreich nicht antun?

    Wie lange noch sind wir deren Spielball?

  2. Was hat die Frisur eines der angetroffenen Männer damit zu tun?
    Vermutlich wären Dread Locks ein Aussage kräftiges Detail für illegales Growen in deren Augen erwartet worden.
    Immer noch diese verrotteten Klischees….

  3. Finanzprokuratur = Peschorn = Adlatus der ÖVP = Schlitzohr
    Alles klar!
    Auch die Hinterbliebenen des Terroranschlag bedanken sich bei ihm. Ungustl
    Über die beteiligten Polizisten etwas zu sagen erübrigt sich.
    Dem Geschädigten wünsche ich viel Glück und daß er alles ersetzt bekommt.

  4. Mhh, bei der Menge müsste er doch in U-Haft sein. Und ich nehme an, ohne Beweissicherung haben die Herren Polizisten leider alles verbrannt….

  5. Generell klare Sache. Haftung hat Republik und in weiterer Folge Schadensregress gegen die Polizisten.
    Leider weiß man ja nie…

  6. Ich hoffe er bekommt den Ersatz, am besten aus der Parteikasse der ÖVP. Vielleicht sind die Beamten auch so ÖVP doktriniert.

  7. … na, da wiehert er aber wieder mal kräftig, der (vermutlich nicht selten auch einschlägig anzutreffende) schnee-weiße Amtsschimmel! (-> keine willkürlich “passierte” Tautologie – wie ich meine 😉 )

    • Früher waren die Trottel Knecht, seit einigen Jahren sind die Trottel bei der Polizei. Alte Weisheit.

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