Freitag, April 19, 2024

StA Wien ermittelt in sechs Fällen gegen Kloibmüller

ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss:

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt in insgesamt sechs Fällen gegen Michael Kloibmüller, von dessen Handy die BMI-Chats stammen. 

Wien, 11. Mai 2022 | In seiner Befragung vor dem ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss hat Michael Kloibmüller eine Liste mit sechs Fällen vorgelegt, in denen die Staatsanwaltschaft (StA) Wien wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch gegen ihn ermittelt. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Gezeichnet hat die Liste Staatsanwalt Fridolin Moritz am 25. Februar 2022. Kloibmüller machte die Ermittlungen der StA zur Basis seiner umfangreichen Entschlagung zu fast allen Fragen des U-Ausschusses. Er durchkreuzte damit die Befragungs-Pläne von SPÖ, Grünen, FPÖ und NEOS.

Ermittlungen zu möglichem Postenschacher

Zu den Ermittlungsfällen gegen Kloibmüller ist bisher nicht viel bekannt. Die Namen auf der Ermittlungsliste, die er dem U-Ausschuss vorlegte, waren geschwärzt. Nur zwei Fälle, die bereits öffentlich geworden waren, waren für die Abgeordneten klar erkennbar: Jener rund um Andrea Jelinek und jener um einen gewissen Ignaz. Zur Erinnerung an den Fall Jelinek: Chats weisen darauf hin, dass Wolfgang Sobotka gebilligt haben soll, einer aussichtsreichen Kandidatin für die Stelle der Wiener Polizei-Vizepräsidentin den Weg zu versperren, weil sie SPÖ-Nähe hatte – entschieden wurde zugunsten eines ÖVP-Kandidaten. Das Machtwort hatte Chats zufolge aber nicht der damalige Innenminister, sondern dessen Kabinettschef Kloibmüller gesprochen.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt seit Ende März im Fall Jelinek gegen den U-Ausschuss-Vorsitzenden und Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch. Es gilt die Unschuldsvermutung. Es ist der einzige noch nicht verjährte Vorwurf gegen Sobotka, der sich aus den BMI-Chats ergibt. Die StA Wien hatte die BMI-Chats monatelang nicht auf politisch bedeutende Inhalte ausgewertet – offensichtlich bis Februar 2022. Die WKStA leitete zudem wenige Wochen nach Erhalt des USB-Sticks mit den Chats das Verfahren gegen Sobotka ein.

Weitreichende Entschlagung trotz Protest

Kloibmüller taucht in den BMI-Chats als zentrales Bindeglied zwischen ÖVP, Justiz und Innenministerium auf. Er war über Jahre hinweg Kabinettschef im BMI unter diversen Ministern gewesen, er ist derzeit karenziert – Urlaubskarenz auf zehn Jahre, vier davon sind bereits verstrichen. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl ließ zu, dass sich Michael Kloibmüller zu Postenschacher-Fragen mit einfachem Hinweis auf die StA-Untersuchungen entschlug.

Kai Jan Krainer (SPÖ) protestierte: „Das ist ja eine allgemeine Entschlagungsmöglichkeit zu jedem Personalbesetzungsvorwurf.“ Der Verfahrensrichter blieb bei seiner Beurteilung, bedauerte aber, dass der U-Ausschuss von diesen Verfahren bis zur Befragung Kloibmüllers nichts gewusst hatte. Das verändere die Situation der Auskunftsperson wesentlich, sagte Pöschl.

Leitet auch jetzt “Bürgeranliegen” weiter

Statt Antworten auf möglichen Postenschacher gab Kloibmüller ausschweifende Schilderungen zum Besten, wie Personalbesetzungen ablaufen, wie komplex und langwierig sie seien, und wie viele „verschiedene Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Kontrolle“ es gebe. Und er bezeichnete Bewerbungen, Wünsche und Anliegen, die an ihn herangetragen wurden und werden, als “Bürgeranliegen”. Alle Bürger hätten das Recht dazu, sich bei jenen zu melden, deren Gehälter sie mit ihren Steuern zahlen. Er habe das Kabinettsbüro stets als “Dienstleister” verstanden.

Kloibmüller habe aber Bewerbungen und Anliegen stets nur zur Prüfung weitergeschickt und die Entscheidungen der zuständigen Stellen zur Kenntnis genommen. Zumindest in sechs Fällen scheint die Staatsanwaltschaft nun anderer Ansicht zu sein. Die Frage, ob er auch während seiner Karenzzeit “Bürgeranliegen” entgegennehme und weiterleite, bejahte Kloibmüller.

Kloibmüller beharrt auf Opfer-Status

Die BMI-Chats vom Handy des langjährigen Kabinettschef im Innenministerium (BMI) haben die österreichische Innenpolitik ordentlich aufgewirbelt. ZackZack hat sie ab Jänner 2022 journalistisch aufgearbeitet. Die Chats geben Hinweise auf enge Verstrickungen der ÖVP in Justiz- und Innenressort, Postenbesetzungen mutmaßlich zugunsten der Partei oder ihrer Vertrauten inklusive. Kloibmüller beharrte im U-Ausschuss wie erwartet weiter auf seiner Erzählung, er sei Opfer von Datenraub geworden.

(pma)

UPDATE: Am 12. Mai 2022 um 13.32 Uhr wurde der Fehler ausgebessert, die WKStA ermittle gegen Michael Kloibmüller, da tatsächlich die StA Wien ermittelt.

Titelbild: APA Picturedesk

Pia Miller-Aichholz
Pia Miller-Aichholz
Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich
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13 Kommentare

  1. 10 JAHRE Karen, ein Wahnsinn. Wahrscheinlich sogar mit Gehaltsvorrückung. So etwas gibt es nur im geschützten Staatsbetrieb.

  2. Schmid und Kloibmüller sind die beiden Hauptdarsteller der jüngeren Korruptionsgeschichte. Ersterer wurde von der WKStA einen ganzen Tag lang einvernommen. Dem UA zeigte er den Mittelfinger. Anschließend, mediale, sowie staatsanwaltschaftliche Nichtberichterstattung. Auch (und das verwundert mich und lässt nichts Gutes befürchten) für ZZ ist Schmid schon seit geraumer Zeit, kein Thema mehr.
    Kloibmüller, ein Geheimnisträger ersten Ranges, wird ebenso mit Samthandschuhen angefasst werden. Womit wir wieder im semi- bzw. illegalen Graubereich der Staatsräson wären…
    Speziell hier sollte es heller werden Österreich!

  3. Gott sei Dank gibt es die Verjährung, sagen sich die scheinheiligen, aber völlig gesetzeskonformen Politiker der vergangenen Regierungen, sonst hätten wir wahrscheinlich einige Probleme mehr.

    Es macht schon Sinn, dass wir uns massgeschneiderte Gesetze zurechtzimmern.

  4. Peter Pilz hat vor Jahren schon einmal die damaligen “Kloibi-Mails” veröffentlicht. Es ging so weiter mit den Kloibmüller und es wird sich auch nichts ändern.
    Auch wenn gegen Kloibmüller die Justiz ermittelt, ist dies egal, denn es wird ihm nichts passieren—-da bin ich mir ganz sicher. Oder glauben sie, dass er genauso behandelt wird wie einen andere Person??

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