Dienstag, Oktober 8, 2024

ÖVP-NÖ-Landesräte gaben 338.000 Euro für Karmasin-Studien aus

Eine Anfragebeantwortung der niederösterreichischen Landesregierung hat es in sich. In den letzten fünf Jahren wurden Aufträge und Studien in Höhe von 338.000 Euro von ÖVP-Landesräten an Ex-Ministerin Sophie Karmasin vergeben. 

St. Pölten, 12. Mai 2022 | Studien und Aufträge der Meinungsforscherin und Ex-ÖVP-Ministerin Sophie Karmasin sorgten im Herbst 2021 für ein politisches Beben auf Bundesebene. Die Konsequenzen der ÖVP-Inseratenaffäre: Hausdurchsuchungen, Rücktritte und Ermittlungen.

Doch nicht nur auf Bundesebene war Karmasin als Meinungsforscherin tätig. Der SPÖ Niederösterreich-Abgeordnete René Pfister stellte Anfang März eine Anfragenserie an die acht Landesräte und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Die große Frage: Hat die Landesregierung in den letzten fünf Jahren Studien bei Karmasin in Auftrag gegeben und wenn ja, wie viel Geld wanderte an die Meinungsforscherin?

Woraus besteht Ketchup?

Bereits vor der Beantwortung war aus Presseaussendungen der Landesräte bekannt, dass Studien von Karmasin für das Land Niederösterreich erstellt wurden. Unter anderem etwa in einer Aussendung der ÖVP-Landesräte Stephan Pernkopf (Umwelt) und Christina Teschl-Hofmeister (Bildung) über die Präsentation der „Jugendumfrage zu Umwelt und Klima“ mit Studienautorin Sophie Karmasin. Die Studie beinhaltete brennende Erkenntnisse, wie etwa „woraus Ketchup hergestellt wird, wissen 97 Prozent, aber nur 23 Prozent, dass Hühner nur bis zu ein Ei pro Tag legen“.

Vier ÖVP-Landesräte beauftragten Karmasin

Pernkopf, auch Landeshauptfrau-Stellvertreter, gibt in der Beantwortung der SPÖ-Anfrage dazu an, eine Studie in den letzten fünf Jahren an Karmasin vergeben zu haben. Kostenpunkt für diese eine Studie: 37.830 Euro. Günstiger ging es bei Arbeits-Landesrat Martin Eichtinger zu. Er gibt in der Beantwortung an, eine Karmasin-Studie zum Arbeitsmarkt für 9.518,40 Euro beauftragt zu haben.

Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger sagt ebenfalls, dass eine Studie in Auftrag gegeben wurde. Die Studie für den Bereich Wirtschaft und Tourismus war dem Ressort 39.790 Euro wert. Gemeinsam mit der Meinungsforscherin wurden bei einer Pressekonferenz am 23. August 2021 auch die Ergebnisse präsentiert: „Urlaub in Niederösterreich: erfrischend überzeugend“. Für die Online-Studie von der Agentur Karmasin Research & Identity wurden im Juni mehr als 1.000 Niederösterreicher dazu befragt, wie sie über den Tourismus im Land denken. „Zusätzlich wurde mit ausgewählten Fragen bei insgesamt 1.200 Personen aus anderen Bundesländern die Differenz zwischen Selbst- und Fremdbild eruiert“, so Marktforscherin Sophie Karmasin damals.

Ein Landesrat übertrumpfte seine ÖVP-Kollegen bei der Karmasin-Anstellung allerdings gehörig. Fünf Studien ließ ÖVP-Mobilitäts-Landesrat Ludwig Schleritzko in den letzten fünf Jahren von Karmasin erstellen. 251.028 Euro wanderten laut Mobilitätsressort an die Agentur der Meinungsforscherin. Im Sommer 2020 wurden etwa Ergebnisse über die Auswirkungen von Home-Office veröffentlicht, knapp vor Pandemiebeginn eine Studie zur „Attraktivierung des Fußgänger- und Radverkehrs in Niederösterreich“.

338.166 Euro für acht Karmasin-Studien

Zusammen kommen die vier Landesräte auf 338.166,40 Euro, die in den vergangenen fünf Jahren an die Ex-ÖVP-Familienministerin Karmasin beziehungsweise ihre Agentur Karmasin Research & Identity GmbH überwiesen wurden. Eine genaue Auflistung darüber, wie viel Geld für welche Studien flossen, liefern die Landesräte in ihrer Anfragebeantwortung allerdings nicht. Nur die Gesamtkosten. Grund: Datenschutz. Wortgleich erhielt der Anfragensteller von den Ressorts als Antwort: „Im Übrigen greift in diesem Zusammenhang das Grundrecht auf Datenschutz, welches nicht nur für natürliche, sondern auch für juristische Personen gilt. Gerade bei privatrechtlich eingerichteten juristischen Personen, die marktwirtschaftliche Leistungen erbringen bestehen grundsätzlich überwiegende Geheimhaltungsinteressen. Ob diese privatrechtlich eingerichteten Rechtsträger im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant.“

Karmasins Anwalt Norbert Wess bestätigt gegenüber ZackZack die Aufträge für die Landesregierung. Alle Aufträge und Studien Karmasins für das Land Niederösterreich seien dabei richtig und korrekt abgerechnet worden, so Wess.

SPÖ-Anfragensteller hegt Zweifel an Zweckmäßigkeit der Studien

SPÖ-Anfragensteller Pfister verlangt gegenüber ZackZack von der Landesregierung vollständige Aufklärung: „Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler müssen Gewissheit haben, dass sie nicht für Studien bezahlt haben, die ihre Zweckmäßigkeit vermissen lassen. Da hegen sich in mir Zweifel, wenn das Ergebnis einer der Studien nachweist, dass Ketchup aus Paradeisern besteht.“

Pfister abschließend zu den Ergebnissen der Anfrage: „Dass die ÖVP-Mitglieder in der NÖ Landesregierung Sophie Karmasin oder die KARMASIN RESEARCH & IDENTITY GMBH in den letzten 5 Jahren mit über 330.000 Euro mit Studien und sonstigen Aufträgen betraut haben, wirft kein gutes Licht auf die Volkspartei in Niederösterreich – allen voran kein gutes Licht auf Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die Landesparteiobfrau der ÖVP NÖ!”

Zum Vergleich: 2019 und 2020 flossen laut parlamentarischer Anfragebeantwortung (nach FPÖ-Anfrage) aus dem Finanzministerium 300.000 Euro Steuergeld für Studien und Umfragen der beiden Meinungsforscherinnen Sophie Karmasin und Sabine Beinschab. Anfragensteller Christian Hafenecker mutmaßte dazu, “dass es möglicherweise Kick-Back-Zahlungen an die ÖVP gegeben hat”.

Die restlichen vier Landesräte und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner beauftragten Karmasin laut der Anfragebeantwortung nicht. Die Ex-ÖVP-Ministerin ist seit Ende März aus der Untersuchungshaft entlassen. In der Inseratencausa ist sie weiterhin Beschuldigte. Für sie gilt die Unschuldsvermutung.

Update 17:35: Der Artikel wurde um die Stellungnahme von Karmasins Anwalt ergänzt.

(bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Benedikt Faast

    Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.

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