Freitag, April 26, 2024

Ermittlungen gegen Kloibmüller: Die Flucht nach vorne

Seit einem Jahr liegen die aufbereiteten BMI-Chats bei der Staatsanwaltschaft Wien. Ein Jahr wird nicht wegen des Inhalts ermittelt. Im Februar 2022 kommt es zum plötzlichen Schwenk, und die Ermittlungen gegen Michael Kloibmüller, den ÖVP-Familienchef im Innenministerium, beginnen. Die Hintergründe:

Peter Pilz

Wien, 16. Mai 2022 | Am 25. Februar 2022 vollendet Staatsanwalt Fridolin Moritz eine Kehrtwendung und schreibt eine Verständigung. So erfährt Michael Kloibmüller, der langjährige Schatten-Innenminister der ÖVP, dass er Beschuldigter ist. Knapp ein Jahr lang hat sein Vorgänger Bernd Schneider in der Staatsanwaltschaft Wien keine Ermittlungen gegen Kloibmüller eingeleitet. Seit dem März 2021 liegen die BMI-Chats dem Staatsanwalt vor. Aber Schneider leitet nicht ein, obwohl die Gefahr besteht, dass ein Delikt nach dem anderen verjährt.

Auch sein Nachfolger Fridolin Moritz beginnt Anfang 2022 nicht sofort mit der Bearbeitung des USB-Sticks mit der Auswertung des Kloibmüller-Handys. In einem Aktenvermerk hält er am 6. Jänner 2022 fest: „Der USB-Stick im Original selbst, sowie die zwei inhaltlich identen Kopiedatenträger werden vom Akt gesondert aufbewahrt und werden derzeit nicht zum Ermittlungsakt genommen, um einen weiteren Missbrauch der Daten hintanzuhalten.“ Damit verschwinden Chats und Stick vorerst. Die ÖVP kann sich wieder sicher fühlen.

ZackZack recherchiert

Aber dann beginnt ZackZack, einen BMI-Chat nach dem anderen zu veröffentlichen: die Marek-Chats, über die die OGH-Vizepräsidentin stürzt; die Angerer-Chats, die den Chef des Salzburger LVT belasten; die Jelinek-Chats über die Besetzung des Wiener Polizei-Vizepräsidenten, die später Sobotka zum Verhängnis werden; die Schmid-Chats, die zeigen, dass auch bei BMI-Postenbesetzungen Thomas Schmid vom Finanzministerium aus die Finger im Spiel hatte; und vor allem die Steiner-Chats, die zeigen, wie Stefan Steiner als Kurz-Stratege die Ausländerpolitik vom Außenministerium aus für Sebastian Kurz und die ÖVP missbrauchte.

Am 8. Februar 2022 erhält die WKStA von ZackZack die Chats. Der Damm bricht. Die Leitung der Wiener Staatsanwaltschaft weiß, dass jetzt ermittelt werden muss. OStA-Chef Johann Fuchs und sein Freund Christian Pilnacek haben nicht mehr die Macht einzugreifen. Jetzt bleibt auch der Staatsanwaltschaft Wien nichts anderes mehr übrig, als mit einem Jahr Verspätung ihre Arbeit zu beginnen.

Der Staatsanwalt behauptet in seinem Schreiben an Kloibmüller: „Laut (nicht vollständiger) Auswertung des im Amtsvermerk näher beschriebenen USB-Sticks“ soll Kloibmüller „seine Befugnis wissentlich missbraucht haben“. Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Seit einem Jahr hält die Staatsanwaltschaft Wien die aufbereiteten Daten des Kloibmüller-Handys unter Verschluss – und riskiert damit, dass ein Delikt nach dem anderen verjährt.

Der Stick beim Staatsanwalt

Rückblende: Am 18. Februar 2021 stehen um 7.30 Uhr morgens die Beamten der AG Fama vor einem Haus im niederösterreichischen Gaaden. Sie halten dem Hauseigentümer, einem Mödlinger Ex-Polizisten, einen Hausdurchsuchungsbefehl der Staatsanwaltschaft Wien entgegen. Der Mann weiß sofort, was die Beamten von Kripo-Chef Andreas Holzer suchen und hält dem Beamten „AF 05“ den Stick mit den BMI-Chats hin.

Zwei Wochen haben nur Holzers Beamte den Stick. Sie können sofort sehen, dass sich darauf Chats befinden, die nicht nur Kloibmüller, sondern auch Holzer persönlich belasten. Erst am 4. März 2021 gibt ein Holzer-Beamter den Stick bei Staatsanwalt Bernd Schneider ab. Die AG Fama warnt den Staatsanwalt schriftlich: „Da es sich um die Mobiltelefone des Büroleiters des Bundesministers für Inneres und weiterer hochrangiger Mitarbeiter des Kabinetts handelte ist begründet davon auszugehen, dass sich unter den auf den Mobiltelefonen gespeicherten Daten zumindest als Amtsgeheimnisse zu wertende Kommunikationen und Sachverhalte befinden.“

Staatsanwalt Schneider versteht den Wink und lässt den Stick, der eine Aufbereitung der Kloibmüller-Chats beinhaltet, noch einmal „auswerten“. Die Chats, die von Innenminister Wolfgang Sobotka bis zu Kurz-Strategen Stefan Steiner Spitzen der ÖVP schwer belasten, werden nicht angerührt. Staatsanwalt Schneider riskiert damit, dass Verdachtsmomente aus den Jahren 2016 verjähren. Gemeinsam mit Kripo-Chef Holzer verfolgt er die Hinweisgeber – und nicht die Hinweise.

Doch im Februar 2022 ist alles anders. ZackZack hat einige der wichtigsten BMI-Chats veröffentlicht, und der ÖVP-U-Ausschuss steht vor der Tür. Die Staatsanwaltschaft Wien versucht die Flucht nach vorne und nimmt Wochen nach der WKStA das System Sobotka/Kloibmüller ins Visier.

Im Mai 2022 ist nur noch eine Frage offen: Hat der damalige Staatsanwalt, der die Chats kannte und keine Ermittlungen begann, möglicherweise selbst seine Befugnis missbraucht? Auch diese Frage kann jetzt geklärt werden.

Titelbild: APA Picturedesk

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36 Kommentare

  1. Ein Staatsanwalt—Dr. Bernd Schneider—lässt die Akte Kloibmüller so lange liegen, bis sie verjährt ist?? Ein anderer Staatsanwalt öffnet ein Verfahren. Warum wird gegen diesen Dr. Bernd Schneider nicht vorgegangen?? Warum ist Dr. Bernd Schneider noch immer Staatsanwalt und im Dienst?
    Überall liest man, dass die Staatsanwaltschaft und WKstA. Strafverfahren gegen Personen eingeleitet hat. Dies liest man in jeder Zeitung und gegen viel politische Personen. Nach Monaten wird das Verfahren eingestellt und somit hat es sich. Warum werden diese Personen (gegen die ein Verfahren läuft) nicht vor Gericht gestellt und verurteilt?? Entweder verurteilt oder frei gesprochen.
    Wenn mich jemand frägt, was ich von der österreichischen Justiz halte, dann sage ich ” wir haben eine politisch unterwanderte und politisch gesteuerte 3 Klassenjustiz!!!!!!!!!

  2. Was der Staatsanwalt genau weiß: Seine Kollegen können jegliche Strafanzeige gegen ihn einstellen, wenn sie keinen Anfangsverdacht erkennen können, wollen oder dürfen. Zackzack wird die tiefsten Wurzeln des Systems nicht mit dem Spaten ausgraben können, man wird auch die Spitzhacke verwenden müssen.

  3. Recht (im Sinne von Ordnung!) so, Herr Pilz, geehrte Redaktion!
    Trommeln, trommeln, trommeln! -> wenn’s sein muss, bis die Hände taub werden …
    (Gibt’s da irgendwo einen Djembé-Kurs zu belegen in Ihrem Umfeld, um da ggf. mit-trommeln zu können??) 😉

  4. Das sind mafiöse Strukturen, die Peter Pilz hier so detailliert aufzeigt. Respekt vor seiner wichtigen Aufklärungsarbeit.

    Schande über die gesteuerten Staatsanwälte, die klaren Amtsmissbrauch begehen.

    Sie haben dieses wichtige Amt nicht zum Schutz ihrer Seilschaftsfreunde auszuüben, sondern zum Schutz der Gesetze!

  5. Das ist Amtsmissbrauch und wer solls ahnden? Die Staatsanwaltschaft?

    Wir brauchen “Neuwahlen!”

    Jetzt!!!

    • Als allererstes brauchen wir die Aufhebung diese unsäglichen und schwer verfassungwidrigem Immunitätslerasses, denn sonst wird wohl auch weiter absolut nichts passieren, aber auch die Medien nicht berichten, wie sie berichten sollten und keiner wirds verstehen, da wir damit auch weiterhin einfach eben nicht so sind und damit pasta…

      • Wer soll denn das machen, wenn Türkis grün die Mehrheit haben….

        Wir brauchen tatsächlich Neuwahlen!

        • Die Zadic soll nicht, sondern muss das (schon lange) machen!!!!
          Und wenn hier endlich die Medien und die wohl auch mitdrinnenhängende Oppositien das wirklich ernstlich angeht, dann wird sie das auch ganz bestimmt machen. Aber hier sind eben beide Stakeholder mit involviert und entweder auch ZZ nicht wissen, oder sonst wohl ebenfalls mitinvolviert…?

      • Also, ich kann unter dem Schlagwort Immunitätserlass nicht finden. Habe ja gestern schon mal gefragt, was du damit meinst… Aber bei Pasta sind wir uns einig. Pasta ist immer gut!

        • Also nochmals in aller Kürze:
          Bis zu diesem Erlass waren nur Politiker (Nationalräte, Bundesräte und Landtagsabgeordnete) immun.
          Nunmehr sind es viele Jahre auch die ganzen Mittäter oder auch Täter, wenn bei ihrer Tat Immune Politiker mitinvolviert (wohl mit zahlreichen Grauzonen behaftet) sind und mitgeholfen haben immun und nur, wenn sie auf frischer Tat ertappt werden (was kaum möglich ist) dann muss aber auch zuerst erst ihre Immunität aufgehoben werden, wird überhaupt gegen sie Anklage erhoben. Wie das bei Ermittlungen davor ist, weiß ich nicht genau, aber wird hier wohl meistens der Pilli schon auf dieser Basis hier entsprechend mitgeholfen haben?
          Das heißt im Klartext, dass eigentlich politisch legitmierte kriminelle Organisationen hier voll bewußt und gewollt geschaffen wurden und damit auch der Rechtsstaat ausser Kraft gesetzt und praktisch damit verbunden einher, auch die Motivation der Presse hierzu noch zu berichten. (Wohl vor allem auch deshalb wurden wir deshalb bereits als Wahldemokratie eingestuft) Hier aber haben sich dann Wissende das noch weiter professionel mit ausgenutzt, da anscheinend auch damit einhergehend noch Verjährungen dafür genutzt wurden und werden konnten.
          Deshalb wird es abe auch keine Sinn machen, in solch einer Konstellation die Whistlblower Richtlinie in Österreich umzusetzen, wo man schon gegenüber der EU säumig ist, aber auch nicht das Transparenzgesetz umzusetzen, wo man bereits das einzige Land ist, welches das nicht umgesetzt hat.

          Zadic wollte das schon mehrfach ändern und hat es angekündigt und hier wurde auch schon so berichtet, als ob es schon umgesetzt wäre, wie hier in diesem nachfolgenden Linke (für mich eben genau deshalb Fake News) auch erst jüngst wieder so berichtet…
          https://www.vienna.at/zadic-aendert-erlass-parlamentarische-immunitaet-nur-noch-fuer-abgeordnete/7394815

          In der dazu auch berichtet habenden Presse habe ich sinngemäß gelesen, dass Zadic nun endlich die Ermittlungen frei geben will…

          Deshalb sind diese Berichte auf ZZ auch alle bezüglich Herrn Wolfgang Sobi für die Fisch, da auch noch bei diesem anscheinend die Gesetzesänderungen schon lange zur Begutachtung liegen sollen…????

          • Wenn ich den Artikel richtig verstehe: es handelt sich nicht um ein Gesetz, sondern einen Erlass, und der wurde geändert. Dass sowas überhaupt erlassen wurde lässt tief blicken. Welcher Minister war denn das? Ein Schwarzer?

          • Ja, genau!
            Das so etwas erlassen wurde ist mit Worten nicht mehr zu beschreiben, wie wahrscheinlich auch die Auswirkungen daraus. Für mich ist das schwer historisch und in den Auswirkungen daraus gar nicht mehr abschätzbar…
            Leider weiß ich noch immer nicht wer diesen Erlass erlassen hat, welchen Idee das war und warum das so viele Jahre geheim bleiben konnte

  6. Danke für die Zusammenfassung.
    Unfassbar, das besagte Personen noch tw. im Amt sind.
    Normal wäre in einem ordentlichen Rechtsstaat, dass alle zurück treten und von politischen Ämtern ausgeschlossen werden , bis alles restlos geklärt ist.
    Normal wäre auch politische Verantwortung zu übernehmen.
    Normal ist bei uns nichts, seit die mafiöse Familie in der Regierung sitzt.

  7. Wenn sich genügend Schmutz ansammelt, dann brechen eines Tages die Dämme, auch wenn man sich noch so dagegen stemmt.

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