Freitag, März 29, 2024

Uiguren in Konasheher – Jeder 25. inhaftiert

Uiguren in Konasheher

Der überwiegend von Uiguren besiedelte chinesische Bezirk Konasheher in der autonomen Region Xinjiang verzeichnet laut durchgesickerten Daten eine der weltweit höchsten Raten an Gefangenschaften.

Wien, 17. Mai 2022 | Ein Datenleck, das der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) zugespielt wurde und von ihnen zum Großteil verifiziert wurde, beweist massenweise Inhaftierungen im Bezirk Konasheher in der Region Xinjiang im Nordwesten Chinas. Demnach wurde beinahe eine von 25 Personen wegen „religiösem Extremismus“ zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Laut AP soll das die höchste bekannte Inhaftierungsrate weltweit, obwohl es sich nur um eine Provinz in Xinjiang handelt. Was alle Häftlinge gemeinsam haben, ist ihre Angehörigkeit zur mehrheitlich muslimischen Ethnie der Uiguren.

Datenleck bestätigt willkürliche Verhaftungen

Bei dem Datenleck handelt es sich um die bisher umfangreichste, veröffentlichte Liste mit 10.000 Namen inhaftierter Uiguren in Konasheher, einem Bezirk mit über 260.000 Einwohnern. Zur Größenvorstellung: Die Provinz hat in etwa gleich viele Einwohner, wie das Burgenland. Die Anzahl der Inhaftierten würde der Bevölkerung Eisenstadt entsprechen.

Die Liste kam an AP durch den Menschenrechtsaktivisten und exilierten Uiguren in Norwegen Abduweli Ayup, der sie wiederum von einer anonymen Quelle, der sich selbst als ein Mitglied Chinas mehrheitlicher Han-Chinesen sieht, der gegen das Vorgehen der Regierung gegen die Uiguren ist. Sie bestätigt das brutale Vorgehen Pekings gegen die muslimische Minderheit, getarnt unter dem Deckmantel „Krieg gegen den Terror“. Nach wachsendem internationalen Druck wurden 2019 die Umerziehungslager, die nicht der allgemeinen Gerichtbarkeit unterstanden und in denen Uiguren zwangsassimiliert wurden, eingestellt. Die willkürlichen Inhaftierungen sind jedoch geblieben.

Regierung dementiert Vorwürfe

Das Auffällige an der Liste, dass es sich nicht um typische Straftatbeständen wie Mord oder Diebstahl handelt, sondern vielmehr um Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten, Unruhestiftungen und vagen Anschuldigungen. Oftmals als Vorwand, um politisch Andersdenkende einzusperren. Daher ist die Annahme, dass die Gesamtzahl der Inhaftierten höher ist, nicht abwegig. Der Sprecher von Xinjiang dementiert die Vorwürfe willkürlicher Verhaftungen und erklärt die Urteile seien im Einklang mit dem Gesetz vollstreckt worden. „Wir werden niemals bestimmte Regionen, ethnische Gruppen oder Religionen ins Visier nehmen, schon gar nicht die Uiguren.“, so der Sprecher.

Laut dem Experten für das System der Massenverhaftungen in Xinjiang Darren Byler sollen die Verhaftungen jeglicher Gesetzesgrundlage entbehren. Es betreffe etwa Personen, die sich gewisse Apps runtergeladen haben oder Verwandte im Ausland haben. „Es ist wirklich bemerkenswert“, so Byler gegenüber AP, „Nirgendwo sonst haben wir erlebt, dass ganze Bevölkerungsgruppen als Terroristen bezeichnet oder als Terroristen angesehen wurden. Der Staat versucht, das Narrativ umzudrehen und zu sagen, ‘wisst ihr, all diese Menschen sind eigentlich Kriminelle’.”

Systematische Verfolgung und Unterdrückung

China kämpft schon lange um die Kontrolle über Xinjiang, wo die mehrheitlichen Uiguren sich gegen die restriktive Herrschaft Pekings wehren. Mitte der 2010er-Jahre startete die Regierung eine Kampagne, die eine Umerziehung und Verfolgung muslimischer Uiguren zum Ziel hatte. Peking stritt zunächst die Existenz von Umerziehungslagern ab und rechtfertigte sie später mit der Terrorgefahr, die von dieser Region ausgehe. Im Zuge dessen wurden Hunderttausende Angehörige muslimischer Minderheiten inhaftiert und gefoltert. Ein Bericht von 50 internationalen Experten aus dem Bereich Kriegsverbrechen, Menschenrechte und internationales Recht ist zum Schluss gekommen, dass das Vorgehen der chinesischen Regierung jede Klausel der Genozidkonvention der Vereinten Nationen gebrochen hat.

(nb)

Titelbild: APA Picturedesk

Nura Wagner
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16 Kommentare

  1. Umerziehung a la KP China. Und kaum bemerkt, steuern wir auf ähnliche Verhältnisse zu. Seit Corona sind chinesische Überwachungsmethoden im Aufwind und das ist erst der Anfang. Gesichtserkennung, elektronische Überwachung durch Datensammlungen aller Art, Sozialkreditsystem werden schon ausprobiert. Lockdown für Unfolgsame, höchstgerichtlich abgesegnet, Australien hatte schon Lager eingerichtet, Kinder mit Bussen hingekarrt und geimpft, protestierende Eltern von Spezialpolizei krankenhausreif geprügelt. Die westliche Welt hat in China ein Vorbild entdeckt, v. a. von der Leyen, aber auch der Shorty war begeistert von chinesischen Massnahmen. Elektronische internationale ID mit Gesichtserkennung, elektronisches Geld, Auswertung der Handybewegungen usw. usw.. Vorher, seit 9/11 war’s zur Terrorbekämpfung angeblich, dann zur Bekämpfung der Virenausbreitung, jetzt gerade zur Bekämpfung der Putinversteher, was kommt danach ? Die Verarmten?

  2. Danke dass über die Uiguren berichtet wird.

    Nur eine Kleinigkeit als Anmerkung: der Islam ist eine Religion, die die Uiguren erst etwa um das 10. Jahrhundert nach Christus angekommen haben. Ethnisch gesehen sind diese Menschen Türken. Sie benutzen auch dieselbe Flagge wie die Türkei (hellblau statt rot).

    Die Assimilierung durch die Hanchinesen betrifft leider nicht nur die Uiguren, sondern alle anderen Ethnien in China.

    Was ich nicht so ganz verstehe ist aus welchem Grund der “politische Islam” in Xinjiang gut ist, während er in Palästina schlecht ist.

    Die Uiguren haben genau wie die Palästinenser eine Intifada (Islamische Rebellion) gestartet, sogar in etwa zur selben Zeit: https://en.wikipedia.org/wiki/Islamic_rebellion_in_Xinjiang_(1937)

    • Wenn die Chinesen vor deiner Haustür stehen mach ja nicht auf, weil die haben keine Lust auf dich. Dafür hast du sicher Verständnis, wenn sie dir deine Fische stehlen (Philippinen), deine See, dein Haus und in deinen Garten ein Atomkraftwerk bauen (Tansania), weil du kein “Großvater-Höriger” bist, sondern Christ.

      Nebenbei bist du nicht besser als ein radikaler Islamist.

      Um es nicht zu vergessen. Separatisten in Donbass sind auch Osama Bin Laden-Anhänger.

      • Dürfte ich fragen was “gute” und “schlechte” Separatisten sind?

        Die Separatisten im Donbass wollen sich von Kiew losreißen, die Separatisten in Xinjiang wollen sich von Peking losreißen. Die Separatisten im Baskenland und Katalonien wollen sich von Madrid losreißen. Jetzt kann ich verstehen, wieso Sie den Donbass nicht unterstützen, mache ich auch nicht. Aber sind Ihnen antifaschistische Separatischen, die ihre Wurzeln im Spanischen Bürgerkrieg gegen Franco (no pasaran) haben nicht lieber als islamistische Separatischen in China? Ich frage nur um Ihre Logik zu verstehen.

        Wenn Sie Xinjiang unterstützen, können Sie auch Palästina unterstützen. One struggle. 🙂

        Islamismus ist unter den Uiguren ein Problem. Sind alle Uiguren Islamisten? Nein, natürlich nicht. Allerdings sollten Sie sich der Vollständig halber über die Islamische Turkestan Partei informieren.

        Deren Ziele sind die folgenden:

        – Wiedereinführung des arabischen Alphabetes und die erneute Anbindung Zentralasiens an den „arabisch-persischen Kulturkreis“
        – Wiedereinführung der alten Literatursprache Tschagatai anstelle der heutigen Einzelsprachen bzw. die enge Anpassung der Einzelsprachen an dieses Idiom
        – Reorganisation des Islam in Zentralasien
        – Einführung der Scharia
        – Rückführung aller Nichtmuslime aus der Region
        – Loslösung von Xinjiang von China und erneut die Bildung einer „Islamischen Republik Ostturkestan“
        – Errichtung eines „zentralasiatischen Kalifates“, wie es auch von der Hizb ut-Tahrir gefordert wurde und das anfangs die Staaten Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisistan und Xinjiang umfassen soll
        – Spätere Eingliederung der Staaten Kasachstan und Turkmenistan in das zentralasiatische Kalifat

        https://de.wikipedia.org/wiki/Islamische_Turkestan-Partei

        Sie können nicht über die Hamas jammern und diese Gruppe ignorieren.

  3. Es ist furchtbar was die Chinesen treiben, auch die chinesische Seidenstraße auf hoher See wird für viele Inselstaaten immer mehr eine Gefahr für Grundbedürfnisse.

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