Freitag, März 29, 2024

Integrationsministerin »bedauert« Einstellung von verfassungswidrigem Gesetz

Das unter Schwarz-Blau eingeführte Kopftuchverbot im Kindergarten wird bald fallen. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts sagt, es “dürfte verfassungswidrig sein”. Integrationsministerin Raab zeigt sich betrübt.

Wien, 20. Mai 2022 | Viel bleibt nicht übrig von der Kopftuchverbots-Symbolpolitik von Schwarz-Blau. Nachdem bereits vor eineinhalb Jahren das Kopftuchverbot in der Volksschule vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde, soll jetzt auch das Kopftuchverbot im Kindergarten fallen.

Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt ist in einer Stellungnahme, adressiert an Familienministerin Susanne Raab (ÖVP), zum Schluss gekommen, dass das Kopftuchverbot “nicht mit der Bundesverfassung vereinbar” sein dürfte. Der Unterschied zur bereits aufgehobenen Gesetzesbestimmung in der Volksschule und der fraglichen im Kindergarten liege lediglich in der Altersgruppe, heißt es darin.

Raab bedauert Verfassungswidrigkeit

Im Ö1-Morgenjournal am Freitag äußerte sich die Familienministerin dazu so: “Ich bedaure das, ich will nicht, dass dreijährige Mädchen ein Kopftuch tragen. Ich halte das für grundfalsch. Dennoch gibt es ein bestehendes Verfassungsgerichtshofs-Urteil und da wir in einem Rechtsstaat leben, müssen wir uns auch alle an das halten.”

Erbost reagierte die FPÖ. “Die ÖVP fällt bei eigenen Gesetzen im Liegen um”, so Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung. “Das Kopftuchverbot an Kindergärten und Schulen dient den Mädchen und Frauen mehr als jedes Gendersternchen oder Binnen-I und steht als Beitrag für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern.”

Kopftuchverbot mangels Kopftüchern noch da

Momentan ist das Kopftuchverbot im Kindergarten noch in Kraft (außer in Salzburg und Tirol). Rechtliche Schritte waren unterlassen worden und zwar mangels eines bisher bekannt gewordenen Falls eines kopftuchtragenden Mädchens im Kindergarten, heißt es laut APA. Konkrete Zahlen dazu, wie viele Kindergartenkinder mit Kopftuch es überhaupt gibt, waren 2018 bei der Einführung des Kopftuchverbots nicht genannt worden. Es war nur betont worden, dass es sie gäbe.

Bisher wurden die Länder vom Bund noch dazu verpflichtet, in ihren jeweiligen Landesgesetzen ein Kopftuchverbot plus Sanktionen in den Kindergärten zu verankern. Aktuell wird zwischen Bund und Ländern aber eine neue 15a-Vereinbarung verhandelt, da die derzeit gültige Regelung Ende August ausläuft.

Kein Kopftuchverbot in neuer Vereinbarung

Die 15a-Vereinbarung regelt Zweckzuschüsse des Bundes, die an Bedingungen für die Länder geknüpft sind. Die Mittel der Vereinbarung waren auch “Hebel” für die Verankerung des Kopftuchverbots in den Landesgesetzen – 2018 war das Kopftuchverbot unter Heinz Christian Strache (FPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP) zum Missfallen einiger Länder hineinreklamiert worden.

Im Zuge der Verhandlungen wehrten sich die Länder gegen einen Verbindung der beiden Themen Kinderbetreuung und Kopftuchverbot und stellten die Verfassungskonformität infrage. In der neuen 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern wird das Kopftuchverbot nun nicht mehr enthalten sein, bestätigte das Bundeskanzleramt der APA.

(sm/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Stefanie Marek
Stefanie Marek
Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.
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21 Kommentare

  1. Integrationsministerin Raab zeigt sich betrübt?
    Ich bin entsetzt, sie solle doch ihren Hut nehmen. Als stinknormale Bürgerin lernte sie ohne Umschweife die Justiz zu respektieren.

  2. Das Impfpflichtgesetz dürfte ebenfalls verfassungswidrig bzw. mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art 2 Abs. 2 Satz 1 GG und dem Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar sein.

  3. Dreijährige kopftuchtragende Mädchen halte ich für ein populistisches Hirngespinst von Frau Raab. In meiner Arbeit im Bildungsbereich -immer in multikulturellem Kontext- ist mir nie auch nur ein Kindergartenkind mit Kopftuch untergekommen. Wenn es der FPÖ um die Selbstbestimmung und Gleichberechtigung der Frauen geht, warum mussten dann gerade Frauenvereine u. Frauenhäuser unter Türkis-Blau massive Kürzungen hinnehmen?? Wäre es nicht sinnvoll, Frauen, die es wagen aus alten Strukturen auszubrechen, zu unterstützen?

    • Wie Sie jetzt die FPÖ herbeizerren, wenn es um eine ÖVP-Ministerin und ihren fehlenden Respekt vor der Justiz geht, das ist das Rätsel, welches es zu lösen gilt?

  4. Eine der Schwachtellen in Österreich ist der politische Umgang mit der Verfassung. Die Verfasung als die Grundlage für den Österreichschen Staat und für das Zusammenleben in Österreich wurde in den letzten Jahrzehnten sicher weit über 100mal geändert.
    Und das ist aktuell sehr gefährlich:
    Dr.Bussjäger (anerkannter Verfassungsjurist uni innsbruck) stellt heute im Standard fest:
    1.Die Neutralität ist kein wesentlicher Bauplan der österreichischen Verfassung
    2. Sie muss daher bei Aufgabe keine verpflichtende Volksabstimmung unterzogen worden.
    3 – und jetzt wird dick- “immerhin wurde die Neutralität auch nicht mit Volksabstimmung eingeführt!
    Die ganze Verfassung wurde noch nie per Volksabstimmung bestätigt!
    Ein Österreichisches Unikum.
    Meiner Meinung nach einer der Gründe, warum man mit der Verfassung in der österreichischen
    Realität so “schlampert” umgeht.

    • Das würde dem Bussjäger wohl so passen, wenn die Bevölkerung über die Neutralität gar nicht mitreden darf. Und dem Standard sowieso. Was für ein Demokratieverständnis diese Herren an den Tag legen ist erschreckend.

  5. Sir Karl Popper – Das Paradox der Toleranz:
    “Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.”

    Mit der Aufhebung des Kopftuchverbots für kleine Mädchen bieten wir religiösen und gesellschaftlichen Extremisten die perfekte Plattform um ihre steinzeitliche Gesinnung in aller Öffentlichkeit zu zelebrieren.
    Wenn in Kabul Frauen den öffentlichen Raum nur eingewickelt betreten dürfen regen sich unsere Kampf-Emanzen auf.
    Wenn in Wien 5-jährige Mädchen auf Befehl des Partiachen nur eingewickelt in den Kindergarten dürfen feiert die exakt selbe Gruppe dies als gesellschaftlichen Fortschritt.
    Ich gebe es offen zu – das ist für das Gehirn eines Silberrückens viel zu hoch.

    • Mangels kopftuchtragender Mädchen gab es bisher keinen einzigen Einspruch.

      Was sagt uns das? Vielleicht dass es nicht nur verfassungswidrig, sondern auch unsinnig und ein Missbrauch demokratischer Prozesse ist, Gesetze gegen illusionäre Vorkommnisse durchs Parlament zu bringen, nur um am rechten Rand ein paar Stimmen zu fangen.

  6. Raab hin oder her, das Kopftuchverbot im Kindergarten ist sinnvoll, in der Schule auch. Das Kopftuch ist und bleibt ein Symbol der Frauen- (hier: Mädchen-) Unterdrückung unter machistische Vorstellungen vom männlichen Gebieter. Sage ich in bester feministischer Gesellschaft, nämlich mit Alice Schwarzer.

  7. Es ist ja wieder einmal ein Spiegel innerer ÖVP (FPÖ) Kultur ins Äußere transformiert: Wer nicht 100% uniform (harmloser konform) mitgeht / aussieht, oder zumindest nur so tut als ob… der wird zum diskriminierten (oft genug diskreditieren) Klassenfeind. Warum? -> Nur so(!) kommst nämlich zu 100% “gewählter” Zustimmung an Parteitagen! (Wie is jo wurscht, die Nötigung zu solchen Vorgaben geht ja niemanden etwas an…)

  8. Es ist schade, dass Gesetze erlassen werden, die dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen. Es ist schade, dass die Gesetzgebung für Klientelpopulismus missbraucht wird.

    Es ist schade, dass Frauenförderung nicht ernst genommen wird, aber davon gesprochen wird, dass ein Verbot eine Förderung darstellen würde.

    Es ist schade, dass sich eine Familienministerin nicht um Familien kümmert, die Hilfe brauchen. Familienförderung gibt es am meisten für klassische Familien (Vater arbeitet, Mutter versorgt Kinder) bei gutem Einkommen. Es ist schade, dass die Familienministerin nicht sieht, dass es dieselben klassischen Rollen sind, die das Kopftuchtragen auferlegen.

    Es ist schade, dass die zerrissenen ukrainischen Familien, die bei uns stranden müssen, überhaupt kein Thema sind, weil sie klassisch gar nicht als Familie gelten, da die Väter ja nicht dabei sind.

  9. Passt ja gut, da kann die ÖVP wieder etwas Populismus betreiben unter dem Motto: “Wir bekämpfen eh den politischen Islam aber diese blöden Grundgesetze lassen uns nicht…”

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