Donnerstag, April 25, 2024

Vernichtendes Interview: Krone grillt Landwirtschaftsminister

So hatte sich der neue ÖVP-Landwirtschaftsminister sein Antrittsinterview in der “Kronenzeitung” wohl nicht vorgestellt. Die Zeitung legt offen, dass sich Totschnig seine Interviewpartnerin aussuchen wollte. Ansonsten enthüllt das Gespräch vor allem einen interessanten Schwerpunkt-Ansatz des Ministers und eher schlechte Aussichten für Tiere in Österreich.

Wien, 23. Mai 2022 | Schon die ersten Zeilen des am Samstag erschienenen “Krone”-Interviews offenbaren, dass es im Vorfeld einige Diskussionen gegeben haben dürfte. Neo-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig dürfte sich geweigert haben, das Gespräch mit “Krone”-Tierexpertin Maggie Entenfellner zu führen, die – wie der Artikel festhält – für diesen Auftrag von der Chefredaktion nominiert worden war. Kurzerhand übernahm also Redakteur Michael Pommer – und tat das gespickt mit Provokationen.

So stellt er als erste Frage auch die nach seiner verhinderten Kollegin: „Was haben Sie gegen Maggie Entenfellner?“ Antwort: „Gar nichts habe ich gegen Maggie Entenfellner.“ Auf diese Passage folgt, im Text transparent angeführt, ein verbales Handgemenge mit der Pressesprecherin des Ministers. Doch dann geht das ganze erst so richtig los.

Die folgenden Antworten von Totschnig auf die oft scharfzüngigen Fragen des “Krone”-Journalisten fallen überraschend einsilbig aus, bringen dabei aber auch einige interessante Erkenntnisse. So stellt sich bereits in der vierten Frage heraus, dass sich der gerade erst Angelobte nicht einmal den ÖVP-Parteitag via Stream angesehen hat, lediglich „von daheim aus ein paar Teile daraus”.

Jungbauernkalender und Porno-Zitat

Noch happiger wird es dann bei jenen Fragen zu seinem aktuellen Zuständigkeitsbereich. Dabei packt der “Krone”-Interviewer auch ein Relikt aus der Vergangenheit aus und konfrontiert den ehemaligen Bauernbund-Direktor mit Bildern des Jungbauernkalenders, auf dessen Blättern nur spärlich bekleidete Frauen zu sehen sind. In die Frage baut er auch ein berühmtes Porno-Zitat („Warum liegt hier Stroh?“) ein, wohl um hervorzukehren, dass die Schweine auf dem Foto strohlos eingepfercht sind.

Totschnig entgegnet, er sei für den Kalender schon seit 17 Jahren nicht mehr zuständig gewesen und liefert einen bemerkenswerten Erklärungszusatz für die Abbildungen: Man habe immer „eine modernere Seite in der Landwirtschaft“ zeigen wollen.

Tierwohl? Fehlanzeige!

Der Höhepunkt des Gesprächs spielt sich in den nächsten beiden Fragen betreffend Tierwohl in Österreich ab. Damit möchte der Landwirtschaftsminister – zumindest laut seinen Aussagen in der “Krone” – eher weniger zu tun haben: „Ich bitte um Verständnis, dass ich mich in erster Linie um meine wirklichen Kernbereiche kümmere. Das sind Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft und Regionen.“ Auch die sehr überraschte Nachfrage Pommers kanzelt er direkt ab: „Tierwohl ist im Zuständigkeitsbereich des Herrn Gesundheitsministers. Wir werden konstruktiv zusammenarbeiten, und ich konzentriere mich auf die Landwirtschaft.“

Übrigens: In zeitgleich veröffentlichten Interviews anderer Medien wird der Agrarminister mit folgendem, bemerkenswerten Satz zitiert: “Ich bin nicht Lobbyist des Bauernbundes, ich bin Lobbyist der Bäuerinnen und Bauern.” Sebastian Kurz sieht er “medial vorverurteilt”.

Aber zurück zur “Krone”-Fragerunde. Zum Schluss des Gesprächs legt die “Krone” Totschnig angebliche Aussagen der Angestellten im Eingangsbereich des Landwirtschafsministeriums vor, nach denen diese ihn, den neuen Minister, überhaupt nicht oder wenn, dann nur dem Nachnamen her kennen würden. Antwort: „Ich kenne die Damen, ich bin immer sehr freundlich. Jetzt werde ich mich reinhauen und bin zuversichtlich, was die Steigerung meiner Bekanntheit betrifft.“ Spätestens nach Veröffentlichung des Interviews dürfte das einfacher gehen. Und siehe da: Wenige Stunden nach Erscheinen des Textes schwirrte dann folgende Instagram-Sequenz des Ministers durchs Netz:

Lieblingsfarbe Grün

Das letzte Schmankerl im “Krone”-Gespräch sind dann auch die allerletzten Zeilen, die wir hier in Gänze wiedergeben wollen. Pommer von der “Krone”: „Ich glaube, Ihrer Pressesprecherin war im Vorfeld wichtig, dass ich auch persönliche Fragen stelle, um Ihre Persönlichkeit zu beleuchten. Also bitte: Was ist Ihre Lieblingsfarbe?“ Der ÖVP-Minister: „Grün.“ “Krone”-Pommer: „Danke für das Gespräch.“ Auch wir sagen danke.

(am)

Hier das Krone-Interview in voller Länge.

Titelbild: APA Picturedesk

Anja Melzer
Anja Melzer
Hält sich für die österreichischste Piefke der Welt, redet gerne, sehr viel und vor allem sehr schnell, hegt eine Vorliebe für Mord(s)themen. Stellvertretende Chefredakteurin. Sie twittert unter @mauerfallkind.
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27 Kommentare

  1. wie kommt die krone auf die idee einen schwarzen so zu behandeln?

    die kennt wohl schon das wahlergebnis und bringt sich in position

  2. Und die Wähler haben bei der nächsten Wahl die Chance die ÖVB auch zu grillen, am besten ganz durchgegart, oder doch nur Medium mhhh, ah bissal bluatig darfs schon sein.

  3. Eines muss man der ÖVP lassen die haben ein immenses Repertoire an Volldodln in ihrer Partei… Fürs Tierwohl nicht zuständig… Interviewpartner will man sich selbst aussuchen… peinliches Spalier für einen billigen Socialmediabeitrag… super Start würde ich sagen.

  4. Die Kernaussage (des übermittelten) Krone-Interviews?
    -> Tierwohl erscheint in seiner Liga eher unmodern – “Grün” dagegen wohl sicher trendy chic modern!
    -> fette Erträge (und wohl auch wechselseitig gepflegte Abhängigkeiten) im etablierten Keyholder-System liefern industrialisiert institutionalisierte Agrar-Industrien und die Wasser-Energiewirtschaft (und sicher kein mit bio-freundlicher Nachhaltigkeit argumentiertes Tierwohl, oder gar Wind- und Sonnenkraft als modern lösungsorientiertes Zukunft-Energie-Szenario, weil da wohl noch die “richtigen” Geldgeber / Stakeholder in noch zu etablierenden sekularen Geldkreisläufen fehlen)

  5. Es bedarf keiner weiteren Gründe, um Neuwahlen zu fordern. Und trotzdem ist es einer!

    “NEUWAHLEN!!!”

    • Wen wollen`s denn Wählen? Die JoyPam? Oder die Beate? Die helfen eh schon zur Regierung, also sparen wir uns das Wählen.

      • KPÖ, wenns sein muss, Hauptsache die Türkisen sind draußen…. So kanns nicht bleiben. Ungarn lässt grüßen…

  6. Wieder ein Politiker, der die Gestaltungsdimension von Politik nicht versteht. Es zeigt sich vielmehr Schramböck-Niveau.

    Es ist nicht Aufgabe von Politiker:innen, Projekte selbst umzusetzen, oder “für de Bauern” da zu sein. Aufgabe ist es, für das Land notwendige und sinnstiftende Strukturen zu etablieren. Wird die Ernährungssicherheit erhalten bleiben, wenn jemand “für die Bäuerinnen” eintritt? Sicher nicht.

    Die ÖVP stellt laufend Personal in die Regierung, das mit politischer Gestaltung, strukturellen Gegebenheiten, regulatorischen Möglichkeiten nichts am Hut hat. Personal, das nicht weiß, wohin es das Land führen könnte oder wollte.

    Schön langsam beschleicht mich der Verdacht, dass die ÖVP das mit Absicht tut. Das Ziel dieser Absicht ist die Zerstörung der politischen Dimension überhaupt, dass wir uns politische Dimensionen bald nicht mehr vorstellen können. Dazu passt auch das Anliegen der Pressesprecherin an eine Redaktion wie die Faust aufs Aug.

    • https://orf.at/#/stories/3267330/

      Die Landwirtschaft wird in de nächsten 10 Jahren nicht weniger gefordert sein wie die Energiewirtschaft. Auch in der Landwirtschaft müssen die Produkte verteilt werden (ohne Diesel und Öl, wie?), auch in der Landwirtschaft müssen Ställe beheizt werden (ohne Gas, wie?). Die Landwirtschaft muss unsere Ernährung sicherstellen (nicht nur die Ernährung unserer Bäuerinnen und Bauern). Was sind die Antworten unseres zuständigen Ministers, wenn der globale Handel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen zusammenbricht, weil diese für die eigene Bevölkerung gebraucht werden? Auf Palmöl ist bereits ein Ausfuhrverbot belegt.

      • Der globale Handel mit landw. Rohstoffen ist ohnehin eine Katastrophe. Billigfleisch und Milchpulver aus der EU nach Afrika wo es die dortigen Bauern ruiniert und dafür dann gesundheitsschädliches Palmöl und genmanipuliertes Soja aus Südamerika in die EU damit unsere Bauern genug Fleisch und Milchpulver für den Export produzieren können usw….Und wozu? Damit die heimischen Konsumenten ihre gewohnt cremigen Industrienahrungsmittel am Teller haben und die Bauern ihr Einkommen obwohl sie völlig am heimischen Bedarf vorbeiproduzieren und der Einsatz den Ertrag um ein vielfaches übersteigt. Das ist krank und pervers.

        • Ja, wir sind es gewohnt. Und wir verlassen die Komfortzone, wenn vieles nicht genau so auf den Tisch kommt.

          Jetzt steht seit 50 Jahren zum ersten Mal an, dass wir diese Komfortzone verlassen müssen. Müssen. Ein Landwirtschaftsminister, der in dieser Zeit angelobt wird, müsste als einer sein, der sich mit dem Umbau unserer Landwirtschaft auseinandersetzt. Ein Landwirtschaftsminister, der auf EU-Ebene ein neues Förderprogramm fordert und verhandelt, anstatt die Mastbetriebe finanzieren zu lassen. Etc. Genau darum müsste es jetzt gehen.

          • … und wer wird’s dann wirklich??
            -> Einer, der im Tiroler (und NUR im Tiroler, weil gaaanz wichtig!) Brainwashing sozialisiert wurde…!

          • Ich habe lange gedacht, der Platt(sch)er war der dümmste Tiroler Minister den Österreich je hatte, aber die in den letzten Jahren übertreffen dieses Intelligenzmonster noch einmal. Aber der 1.Platz für den dümmsten und unnötigsten Landeshauptmann den Tirol jemals hatte bleibt ihm sicher.

    • Das Ziel dieser Absicht ist die Zerstörung der politischen Dimension überhaupt, dass wir uns politische Dimensionen bald nicht mehr vorstellen können.

      Das ist Absicht! Bis die Bevölkerung “erkennt”, dass dieses System nicht funktioniert und es besser wäre, wenn Konzerne die Macht übernehmen.
      Hören wir Thiel zu, und Kurz hat es ja schon angedeutet und in die richtigen Bahnen gelenkt. Er ist nicht umsonst bei Thiel gelandet.

  7. Die Presse hat wieder ein bisschen mehr Luft zum atmen seit sich der türkise Messias vom Acker gemacht hat. Gutes Interview.

  8. Was die ÖVP und deren Personal betrifft sind wir uns wahrscheinlich eh alle einig. Für mich persönlich will ich hier zwecks Sinnlossigkeit nicht weiter nachhaken.
    Was den Themenkomplex Tierschutz betrifft ist dieser Klar Kompetenzbereich der Grünen. Die Grünen sind in der Regierung und haben hier Gestaltungsmöglichkeiten.
    Die Fiakerposition von Rauch habe ich mal zur Kenntnis genommen. Da ist aber noch sehr viel Luft nach oben.

    • Was den Tierschutz in der Landwirtschaft betrifft haben die Grünen Null Gestaltungsmöglichkeiten. Die ÖVP wird alles blockieren was die Bauern nur irgendwie finanziell (oder ideologisch) belasten würde. Das ist die traurige Sachlage, nicht anders als im Justizministerium wo das Spiel schon seit Beginn der Koalition läuft.

      • Sie haben natürlich beim realen Ist Zustand vollkommen Recht. Keine Frage.

        Vlt.ist auch Wunschdenken dabei. Wie gesagt die ÖVP Mannschaft liegt am Boden und ist ein ziemlich unfähiger Haufen. Eine starke fähige grüne Mannschaft hätte hier definitiv Spielraum und könnte Verbesserung bedeuten.

        • Die ÖVP liegt zwar am Boden aber sie will es sich nicht eingestehen. Das ist das Problem. Die glauben immer noch an die goldenen Zeiten eines S. Kurz anknüpfen zu können.

        • Könnte…aber mit dem Ex Grünen Kogler an der Spitze sehr schwierig.
          Übrigens, hat Gewessler schon eine Alternative für den Lobautunnel?
          Die neuen Regeln für Radfahrer sind ja recht nett, aber das kanns ja nicht gewesen sein.

  9. “Tierwohl ist im Zuständigkeitsbereich des Herrn Gesundheitsministers.”
    Weiß der das? Darf der die Vollspaltböden verbieten?

  10. Sieht so aus als ginge der Övp a bissi das Personal aus.
    Aber einen Vorteil hat er ja der Neue.
    Gegen ihn wird, noch , nicht ermittelt.

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