Sonntag, September 8, 2024

Freispruch für Egisto Ott – nicht rechtskräftig

Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt klagte Ex-BVT-Mann Ott wegen Falschaussage an. Sie warf ihm vor, zu einer Razzia vor Gericht gelogen zu haben. Und das, obwohl er in diesem Zusammenhang bereits in mehreren Punkten Recht bekommen hatte.

Wien, 25. Mai 2022 | Mehrere Jahre schon werden vom polizeilichen Ermittlerteam der AG Fama Beweise gegen Egisto Ott gesucht. Man wirft ihm Spionage für Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek und die Russische Föderation vor, außerdem soll er einer der Hintermänner des BVT-Konvoluts und der BMI-Chats sein. Anklagetauglich war trotz der exorbitanten Ermittlungen bisher nichts. Zumindest nichts, was die oben genannten Vorwürfe betrifft.

Diesen Mittwoch musste sich Egisto Ott vor dem Straflandesgericht Wien verantworten. Und zwar für eine angebliche Falschaussage zu einer Razzia in seiner Wohnung, gegen die er bereits in mehreren Punkten erfolgreich prozessiert hat. Auf Falschaussage stehen bis zu drei Jahre Haft.

Vorgeworfen wurden Ott drei Punkte: Er soll vor Gericht fälschlich gesagt haben, durch die Beamten bei der Hausdurchsuchung verletzt worden zu sein, er soll fälschlich gesagt haben, dass ihm bei der Razzia seine Rechte nicht erklärt wurden und er soll fälschlich gesagt haben, dass die Beamten die Hausdurchsuchung nicht gemäß der Strafprozessordnung vollzogen hätten.

Österreichische Polizei statt iranisches Killerkommando

ZackZack ist am Mittwoch im Verhandlungssaal dabei. Richterin Patrizia Kobinger-Böhm blättert in den Dokumenten, die Otts Verletzungen dokumentieren, darunter Fotos derselben und auch die Bestätigung einer Amtsärztin. Otts Anwalt reicht der Richterin noch die Dokumentation der Verletzungen seines Mandanten von dessen Einlieferung in die Haftanstalt direkt nach der Razzia. Das Dokument war zuvor nicht zum Akt genommen worden.

Er sei in seiner Wiener Wohnung von hinten ohne Vorwarnung in den Schwitzkasten genommen und zu Boden gerungen worden, so Ott. Er habe Airpods im Ohr gehabt und gearbeitet, deshalb habe er die Beamten nicht eintreten gehört. Zuerst habe er geglaubt, es handle sich um ein iranisches Killerkommando, weil er wegen seiner Ermittlungen im Iran für vogelfrei erklärt wurde. Im Endeffekt waren es aber nur österreichische Polizeibeamte.

Anklage trotz bereits vorhandener Urteile

Doch bei Otts Erklärungen zu den Verletzungen hört die Richterin nur mit halben Ohr zu. Immerhin gibt es bereits ein Urteil des Verwaltungsgerichts Wien (VwG), das bestätigt, dass die Verletzungen von Ott bei der Hausdurchsuchung zustande kamen und rechtswidrig zugefügt wurden.

Das VwG sowie auch das Oberlandesgericht bestätigten – weit vor der Einbringung der Anklage wegen Falschaussage – in jeweils rechtskräftigen Urteilen außerdem, dass die Beamten bei der Hausdurchsuchung nicht strafprozessordnungskonform vorgingen. Otts Rechte wurden bei der Hausdurchsuchung also verletzt. Er durfte zum Beispiel keine Vertrauensperson hinzuziehen. Warum die Staatsanwaltschaft Eisenstadt dann trotzdem eine Anklage wegen Falschaussage erhob, bleibt unklar.

Kein Bezug auf konkrete Aussagen von Ott

“Es gibt Verfahren, die sind einfach. Es gibt Verfahren, die sind kompliziert und dann gibt es Verfahren, wo man am Rechtsstaat zweifelt“, so Otts Anwalt Volkert Sackmann im Eröffnungsplädoyer. Weil Ott sich nach der Hausdurchsuchung beschwert hatte und gerichtlich dagegen vorging, wurden übrigens sowohl Sackmann, wohlgemerkt als Otts Anwalt, als auch Otts Frau der Falschaussage bezichtigt. Im Gegenzug gab es dann Anklagen gegen die Beamten wegen Amtsmissbrauchs. Übrig blieb einzig der Vorwurf gegen Egisto Ott.

Als Prozessbeobachterin fragt man sich bis zum Ende der Verhandlung: Auf welche von Otts Aussagen vor Gericht bezieht sich die Anklage der Staatsanwaltschaft eigentlich konkret? Im Verfahren wird dazu nichts gesagt. Wirft man einen Blick in den Strafantrag wird diese Frage auch nicht beantwortet. Denn die Anklage ist äußerst allgemein gehalten:

Faksimile ZackZack.

Auch die Richterin scheint sich schwer zu tun. Als sie die Polizisten befragt, muss sie bei der Zeugenbelehrung lachen: “Sie wissen, eine falsche Zeugenaussage ist vor Gericht strafbar.” Für Ott wohl nicht besonders witzig. Die Polizeibeamten werden (wie auch bei allen vorhergehenden Prozessen) zu den Vorgängen bei der Hausdurchsuchung befragt. Wirklich interessant sind einzig die Fragen dazu, ob es nun eine Rechtsbelehrung gegeben habe oder nicht.

Ott sagt zu diesem Thema, es habe sie nicht gegeben. Er habe eine verlangt, aber ihm sei nur gesagt worden “Du hast keine Rechte!” und “Das ist kein Wunschkonzert!”. Den Anwalt anzurufen, sei ihm verweigert worden. Ihm sei überdies keine schriftliche Hausdurchsuchungsanordnung vorgelegt und auch nicht gesagt worden, was gesucht werde.

Einige Beamte, die jetzt dazu von der Richterin befragt werden, haben keine Wahrnehmung, weil sie anderweitig in der Wohnung beschäftigt gewesen seien. Nur einer, der Sachbearbeiter S., sagt mit seiner sehr rauen Stimme, er habe Ott vor Ort eine Rechtsbelehrung gegeben. Und zwar habe er ihm gesagt, Ott habe das Recht auf eine Vertrauensperson oder einen Anwalt. S. habe ihm auch den Grund für die Hausdurchsuchung und die darauf folgende Festnahme mitgeteilt. Es habe eine aufgeheizte Stimmung geherrscht und Ott habe nach seinem Asthmaspray gefragt, weil er keine Luft bekam. Den habe er dann auch bekommen.

Staatsanwältin findet Zeugen sehr glaubhaft

Obwohl die Fenster offen sind, herrscht auch im Gerichtssaal eine recht aufgeheizte Stimmung, es wird ständig durcheinander geredet. Die Animosität zwischen Staatsanwältin und Verteidiger ist fast mit den Händen zu greifen. Die Beamten erzählen dann noch abweichende Versionen von ihrer Ankunft in der Wohnung: Einmal sei Ott gesessen, einmal gestanden und habe sich weggedreht und dabei versucht, sein Handy zwischen den bloßen Händen zu zerdrücken. Ein anderes Mal sei Ott davor in der Wohnung vor den Polizisten weggelaufen, die gerade durch die Eingangstür kamen.

Für die Staatsanwältin steht am Ende fest: „Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Zeugen etwas Falsches gesagt haben.“ Für Verteidiger Sackmann eine abenteuerliche Behauptung. Er redet sich am Ende noch einmal in Fahrt: In den Berichten der Polizisten sei so vieles falsch. Dass sein Mandant verletzt wurde, sei objektiviert. Was die Belehrung angeht: „Er ist nicht belehrt worden, das ist Fakt!“ S., der behauptete ihn belehrt zu haben, habe zuvor selbst gesagt, es sei chaotisch gewesen und vielleicht habe Ott die Belehrung auch gar nicht gehört, weil er gerade seinen Asthmaspray bekam.

Freispruch nicht rechtskräftig

Am Ende kommt es, wie es bei so einer Anklage wohl kommen muss: Freispruch. Ott ist laut Amtsärztin bei der Hausdurchsuchung verletzt worden, „da sehe ich keinen Raum für eine vorsätzliche Falschaussage“, so Richterin Kobinger-Böhm in ihrer Urteilsbegründung. Ob nun eine Belehrung stattgefunden habe oder nicht, sei angesichts der Aussagen eine „Interpretationssache“ und damit „zu vage für eine Falschaussage“. Zum dritten Vorwurf: „Es ist eine Wertung“, so die Richterin. Aber der Satz, um den es gehe, der finde sich gar nicht im Protokoll von Otts Aussage. Es gebe in der Anklage nur eine pauschale Beurteilung darüber, was Ott gemeint habe.

Ihr generelles Fazit: „Das reicht nicht für eine Verurteilung.“ Die Staatsanwältin gibt keine Stellungnahme ab, der Freispruch ist damit nicht rechtskräftig.

(sm)

Titelbild: Screenshot ZackZack

Autor

  • Stefanie Marek

    Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.

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