Löcher im Wistleblower-Schutz:
ÖVP und Grüne feiern ein neues Gesetz zum Schutz von Whistleblowern. Im Gegensatz zu den gefährdeten Hinweisgebern hat die ÖVP Grund zum Feiern.
Wien, 5. Juni 2022 Wenn ich einen von ihnen treffe, gelten strenge Regeln. Seit die Pilnacek-Justiz die Spur meines Handys bis zum Handy des Eurofighter-Staatsanwalts verfolgt hat, um mit den Bewegungsdaten mögliche Treffen zu erkunden, bleibt das Handy zu Hause. Die Treffen finden an sicheren Orten statt. Chats, Mails, offene Telefonate gibt es nicht. Dokumente werden auf Spuren, die zum Hinweisgeber führen könnten, geprüft. Erst wenn alles sicher ist, treffe ich ihn oder sie: die Hinweisgeber, die uns zeigen, wo etwas faul ist.
Whistleblower sind die anonymen Helden im Kampf gegen Korruption. Sie führen uns auf die Spuren. Wir sind ihnen schuldig, dass die letzte Spur nicht zu ihnen führt, weil am Ende dieser Spur in der Regel die Vernichtung ihrer beruflichen und persönlichen Existenz steht.
Ibiza-Video-Macher Julian Hessenthaler sitzt in Haft, weil ein Pilnacek-Staatsanwalt statt seiner Hinweise ihn selbst verfolgt hat. Ex-BVT-Mann Egisto Ott wurde verhaftet und – im Gegensatz zu den BMI-Chats, die ihm zugerechnet werden – verfolgt. Der Eurofighter-Staatsanwalt wurde von der Pilnacek-Justiz denunziert und fertig gemacht, weil er einfach seinen Job machte und jeder Spur nachging.
Das Kartell
Hinweisgeber fürchten sich in Österreich zurecht, weil sie wissen, dass Spitzen der Justiz und der Kriminalpolizei gemeinsam mit dem Nationalratspräsidenten und seiner Partei ein politisches Kartell bilden. Wer den Mund aufmacht, dem wird er gestopft. Das wird ins Stammbuch geschrieben, damit jeder weiß, dass mit einem Hinweis beides riskiert wird: Kopf und Kragen.
Jahrzehntelang waren Whistleblower in Österreich ungeschützte Dissidenten. Seit dem 17. Dezember 2021 ist Österreich verpflichtet, die EU-Richtlinie zum Schutz der Hinweisgeber umzusetzen. Als sich Wien taubstellte, leitete die EU am 27. Jänner 2022 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein.
Jetzt reagiert Arbeitsminister Kocher mit einem Gesetz. Damit teilt er die Hinweisgeber in zwei Gruppen. Arbeiterkammer-Jurist Philipp Brokes beschreibt sie: „Wer Missstände beim Strahlenschutz, Futtermittelsicherheit oder im Beihilfenrecht meldet, fällt unter die Schutznorm. Wer Betrug, Bilanzfälschung oder Untreue aufzeigt, nicht.“
Trotzdem feiern die Grünen das Gesetz und sich selbst: Die Aufnahme des Korruptionsstrafrechts in den Katalog der legalen Whistleblower sei ihr Erfolg. Sie haben recht. Die Grünen haben durchgesetzt, dass Hinweise auf Amtsträger, die sich bestechen lassen, in Zukunft legal sind.
Der Pfusch
Aber wichtiger ist, was jetzt endgültig in die Illegalität verschoben wird: Wer Hinweise über Geldwäsche, illegale Parteienfinanzierung, Inseratenkorruption oder kriminelle Parteibuchwirtschaft gibt, gilt als kriminell. Das ist der große Erfolg der ÖVP. Alle Whistleblower wissen, dass es ihnen ab jetzt mit Zustimmung der Grünen an den Kragen geht. Maurer und Kogler haben das sicherlich nicht böse gemeint. Sie haben nur wieder gepfuscht.
Das Korruptionsstrafrecht selbst bleibt weiterhin eine kleine Insel in einem großen schwarzen Sumpf. Spendenwäsche bleibt legal. Illegale Parteienfinanzierung kommt nicht ins Strafgesetzbuch. Inseratenkorruption geht einfach weiter. Nehammers Satz, dass die ÖVP kein Korruptionsproblem habe, wird so erstmals verständlich. Und Julian Hessenthaler kann vom Gefängnis in St. Pölten aus zusehen, wie Wolfgang Sobotka den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss leitet.
Titelbild: APA Picturedesk