Studie:
Eine aktuelle SORA-Studie präsentiert alarmierende Ergebnisse: Fast jeder Zweite sieht sich psychisch angegriffen, Suizidgedanken gerade unter jungen Menschen nehmen dramatisch zu. Die AK kritisiert die gravierenden Versorgungsengpässe für psychisch belastete Menschen.
Wien, 08. Juni 2022 | Eine neue SORA-Studie im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) Oberösterreich liefert alarmierende Ergebnisse: Bei rund 40 Prozent der Oberösterreichern hat sich die psychische Gesundheit während der Corona-Pandemie verschlechtert, unter Jugendlichen ist es etwa jeder Zweite. Bei rund einem Drittel ist auch die körperliche Gesundheit betroffen. Besonders beunruhigend sind außerdem die folgenden Zahlen: 18 Prozent berichten von Suizid-Gedanken an zumindest einzelnen Wochentagen vor der Befragung. Bei den Unter-25-Jährigen sind es sogar 35 Prozent.
Akute Hilfe zu bekommen war schon während der Covid-Krise nicht einfach. Bis heute mangelt es massiv an einem breiten und leistbaren Angebot. Die AK hat berechnet, dass sich allein in Oberösterreich knapp 73.000 Hilfesuchende das bestehende Angebot an psychosozialer Unterstützung nicht leisten können.
Auch Freundschaften und Familiensituation beeinträchtigt
Nicht nur die Gesundheit ist betroffen. Die Auswirkungen reichen auch in andere Lebensbereiche. So geben 42 Prozent an, dass sich die Beziehungen zu Freunden verschlechtert haben, 32 Prozent konstatieren eine schlechtere finanzielle Situation, bei 15 Prozent habe sich die familiäre Situation verschlimmert.
Neun von zehn Jugendlichen sahen zudem ihre Bedürfnisse nicht ausreichend in den Covid-Maßnahmen berücksichtigt. Gerade junge Menschen mussten aufgrund von Homeschooling, eingeschränkten sozialen Kontakte und mehr Zeit mit den Eltern als altersüblich einiges hinnehmen. Vielen fehle die „unbeschwerte Zeit des ‚in die Welt Hinausgehens‘“, führt die Studie aus. Das habe die Identitätsfindung und Unabhängigkeitsorientierung erschwert. Zwei Drittel der befragten Jugendlichen gaben an, von Prüfungs- und Leistungsdruck stark belastet gewesen zu sein und sich im Stich gelassen gefühlt zu haben. Unter den Betroffenen-Zitaten finden sich unter anderem Sätze wie „Mehr Verständnis von den Lehrern hätte ich mir gewünscht“.
Mangelnde Versorgung
Schon vor Ausbruch der Pandemie gab es Versorgungsengpässe in der psychischen Versorgung, die sich in der Covid-Krise durch die stark steigende Anzahl an Betroffenen deutlich verschärft haben. Ein Bericht der Statistik Austria zur „Stationären psychischen Akutversorgung in Österreich“ zeigte schon im Jahr 2019 deutlich, dass der österreichweite Bedarf an Krankenhausbetten in psychiatrischen Abteilungen das tatsächliche Angebot deutlich überstieg. Rund ein Fünftel des Fehlbestands entfiel auf die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Während der Pandemie gerieten die Krankenhäuser durch die Versorgung der Covid-Patienten zusätzlich unter Druck. Auch im niedergelassenen Bereich reichte das Kontingent an kassenfinanzierten Therapieplätzen schon vor Ausbruch der Pandemie kaum aus, schreibt die AK Oberösterreich in einer Aussendung.
30.000 Jugendliche brauchen Hilfe
Zwar habe die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) einen Ausbau um zusätzliche 300.000 Stunden beschlossen, eine zeitgerechte Unterstützung sei dadurch aber bei weitem nicht für alle Hilfesuchenden gewährleistet, kritisiert die Interessensvertretung. Laut SORA meint jeder Fünfte mit Unterstützungsbedarf, für ihn seien die Angebote schlichtweg nicht leistbar. Die Studie zeige auch, dass allein in Oberösterreich fast 30.000 junge Menschen auf psychosoziale Unterstützung angewiesen sind.
„Darf nicht vom Geldbörsel abhängen“
„Die Frage, ob und wann ich von einem psychotherapeutisch behandelt werde, darf nicht länger von der Größe meines Geldtascherls abhängen. Fehlende Hilfe verursacht neben unsäglichem und vermeidbarem Leid bei den Betroffenen auch hohe Folgekosten durch Fehlzeiten, abgebrochene Ausbildungen, durchwachsene Erwerbsbiographien und frühzeitige Pensionsantritte“, so AK-Präsident Andreas Stangl in einer Aussendung. Monatelange Wartezeiten auf psychotherapeutische Hilfe und überfüllte Psychiatrien in den Krankenhäusern müssen aus Sicht der AK ein Ende haben. Wie für andere gesundheitliche Probleme auch, sollte es ein flächendeckendes, niederschwelliges Angebot über die E-Card geben.
Die AK Oberösterreich beauftragte das SORA Institute of Social Research and Consulting mit der Umfrage. Befragt wurden dabei 1.212 Oberösterreicher und Oberösterreicherinnen ab 16 Jahren, die Fragerunde wurde telefonisch und online abgehalten.
(red)
In Österreich gibt es zahlreiche, kostenlose Einrichtungen und Telefonnummern, die bei Suizidgedanken und in Krisensituationen ihre Hilfe anbieten:
Telefonseelsorge: 142 (Notruf) rund um die Uhr erreichbar
Kriseninterventionszentrum: 01/406 95 95 Mo-Fr von 10-17 Uhr erreichbar
Rat auf Draht: 147 rund um die Uhr für Kinder und Jugendliche erreichbar
Psychosozialer Dienst (PSD) Wien: 0/ 31330 rund um die Uhr erreichbar
Männernotruf: 0800 246 247 rund um die Uhr erreichbar
Frauenhelpline: 0800 222 555 rund um die Uhr erreichbar
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