Illegale Push-backs mit System:
Der Verwaltungsgerichtshof bestätigt: Illegale Push-backs werden in Österreich teils methodisch angewandt. Innenminister Karner hatte das bestritten. Asylkoordination Österreich fordert nun seinen Rücktritt.
Wien, 09. Juni 2022 | Die Asylkoordination Österreich hat in einer Aussendung am Freitag Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) für rücktrittsreif erklärt. Der Grund: Karner hatte im Dezember 2021 vor dem Parlament gesagt, es gäbe keine illegalen Push-Backs in Österreich. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun aber die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark bestätigt, dass Push-Backs in Österreich teils methodisch zur Anwendung kommen.
Stein des Anstoßes war ein Vorfall im September 2020, also noch unter Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Sieben Personen wurden damals von österreichischen Beamten an der steirisch-slowenischen Grenze illegal zurückgeschoben. Nicht nur, dass sie keine Asylanträge stellen durften, sie wurden auch gezwungen, sich vor der Rückschiebung nackt auszuziehen und einzeln vor Beamten niederzuknien.
Laut Innenministerium waren drei der Personen unbegleitete Minderjährige. Der Beschwerde eines Betroffenen wurde rechtgegeben und seine Rückschiebung nun höchstgerichtlich als illegal festgestellt.
„Angelogen oder schlicht keine Ahnung“
Die Asylkoordiation Österreich will nun eine Erklärung von Innenminister Karner. „Es stellt sich die Frage, ob der Innenminister das Parlament angelogen hat, oder ob er schlicht keine Ahnung hat, was in seinem Einflussbereich passiert. In beiden Fällen ist er rücktrittsreif,“ fordert Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der Asylkoordination Österreich, Konsequenzen ein. „Der Innenminister hat hier offensichtlich seinen Laden nicht im Griff“, sagt er gegenüber ZackZack.
Gahleitner-Gertz ortet auch einen groben Missstand bei den internen Prüfverfahren. Denn wie aus einer Anfragebeantwortung von November 2021 hervorgeht, hatte das Innenministerium unter Nehammer bei einer internen Evaluierung „kein Fehlverhalten der Exekutivbeamtinnen“ festgestellt. Das Innenministerium hatte stets darauf verwiesen, für etwaige disziplinarrechtliche Schritte die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs abzuwarten. „Es wäre nun soweit“, so Gahleitner-Gertz gegenüber ZackZack.
NGOs fordern Schadenersatz und Einreiseerlaubnis für Betroffene
Rechtsanwalt Clemens Lahner, der den vom Push-Back betroffenen Ayoub N. vertreten hat, beklagt: „Es ist aber unbefriedigend, dass mein Mandant trotz der festgestellten Rechtsverletzung nicht automatisch das Recht zur Wiedereinreise nach Österreich hat.“ Lahner, Asylkoordination Österreich und die Initiative Push-Back Alarm Austria fordern Konsequenzen im Falle illegaler Push-Backs. Sobald ein solcher gerichtlich festgestellt worden ist, soll den Betroffenen automatisch die Wiedereinreise gestattet und für die erlittene Grundrechtsverletzung pauschaler Schadenersatz von 50.000 Euro zugestanden werden.
Lahner wurde bereits mit der Prüfung von Amtshaftungsansprüchen beauftragt, die die Initiative Push-Back Alarm Austria mit einer Crowdfunding-Kampagne für Ayoub N. finanzieren möchte. Sein Mandant ist derzeit obdachlos in Serbien. „Der Alptraum muss endlich aufhören. Mir wurden zwei Jahre meines Lebens gestohlen“, sagt Ayoub N.
Leitende BMI-Posten rund um Flucht und Asyl ab 1. Juli unklar
Derzeit finden im Innenministerium Umstrukturierungen statt. Flüchtlingskoordinator Michael Takács wird mit 1. Juli Bundespolizeidirektor, der Leiter der Gruppe für Asylwesen im Innenministerium Wolfgang Taucher übernimmt die Sektion Personal und Organisation. Jetzt, knapp drei Wochen davor, steht immer noch nicht fest, wer die Posten an ihrer statt übernehmen wird. „Just in einer Zeit, in der so viel zu tun ist“, kritisiert Gahleitner-Gertz gegenüber ZackZack mit Blick auf die Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine. Und dass, obwohl sich Karner das Asyl-Thema so stark auf die Fahnen hefte, ergänzt der Sprecher der Asylkoordination Österreich.
(pma)
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