Samstag, April 20, 2024

»Farce«: ÖVP-Nicht-Beantwortung ließ im Parlament die Wogen hochgehen

»Farce«

Am Mittwoch gab es gehörig Wirbel im Parlament. Die Nicht-Beantwortung einer dringlichen Anfrage erzürnte die Opposition. Die Hauptdarsteller der “Farce”: Karl Nehammer, Claudia Plakolm und Wolfgang Sobotka.

Wien, 17. Juni 2022 | Die (Nicht-)Beantwortung einer Dringlichen Anfrage der FPÖ an Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Nationalrat hat am Mittwoch die Opposition schwer verärgert. Die Freiheitlichen wollten den ÖVP-Chef zu Parteifinanzen und türkisen Skandalen befragen. Am Rednerpult vertrat ihn allerdings Staatssekretärin Claudia Plakolm – und redete lieber über die Teuerung. Eine “Farce“, befand die Opposition. Die FPÖ brachte – vergeblich – einen Misstrauensantrag gegen Nehammer ein.

Plakolm antwortet nicht

Plakolms Rede wurde von Anfang an von Zwischenrufen begleitet, weshalb Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) um “Contenance” bat. Die Staatssekretärin wiederum blieb nicht wirklich beim Thema, sondern beklagte den unprofessionellen Ton im Hohen Haus und meinte, die Sorgen der “Menschen” seien ganz andere als das Thema der Anfrage, nämlich wie die Politik die Teuerungen ausgleiche. Das eingebüßte Vertrauen in die gesamte Politik könne man nur mit Sacharbeit zurückgewinnen, tadelte sie mehrmals die Opposition. Inhaltlich ging die Staatssekretärin in den meisten Punkten nicht auf die Anfrage ein. “Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung”, lautete der häufigste Satz.

Es folgte eine Geschäftsordnungsdebatte und eine “Stehung”, denn den Abgeordneten der Opposition war das eindeutig zu wenig. Plakolm habe auch Antworten auf Fragen verweigert, die sehr wohl vom Fragerecht umfasst wären, zeigte sich Nikolaus Scherak von den NEOS überzeugt. “Eine einzige Farce“, schimpfte auch SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. Sobotka gab danach bekannt, dass Plakolm zwei Fragen noch einmal ausreichend beantworten werde. Wo sie sich darauf berufen hatte, dass Fragen nicht vom Interpellationsrecht umfasst gewesen seien, versprach er eine Prüfung durch den rechtswissenschaftlichen Dienst des Parlaments.

Eineinhalb Stunden später tat Plakolm dies. In einer kurzen Wortmeldung bestritt sie Interventionsversuche beim Unabhängigen Parteientransparenzsenat (UPTS) und sah keine unrechtmäßigen Auszahlungen aus dem NPO-Fonds an den ÖVP-Seniorenbund.

In der Debatte prasselten weiter die Vorwürfe auf die Kanzlerpartei ein. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz brachte einen (letztlich nur von der FPÖ unterstützten und damit abgelehnten) Misstrauensantrag gegen Nehammer ein, denn: “Sie sind nicht mehr tragbar für diese Republik”. Leichtfried sprach von einem “denkwürdigen Sittenbild”, und Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) attestierte der ÖVP, “dass diese Partei kaputt ist”.

Sogar Kritik von Maurer

Überraschend scharfe Kritik an Plakolm kam von Grünen-Klubobfrau Sigrd Maurer. Die Beantwortung der Dringlichen Anfrage sei “wirklich ungenügend” gewesen, schalt sie ihre Koalitionskollegin. Die Staatssekretärin könne das besser machen, “ich erwarte es”, so Maurer. Doch auch die FPÖ kritisierte sie, denn diese versuche, von der eigenen Korruptionsverurteilungsgeschichte abzulenken. Andreas Ottenschläger (ÖVP) hingegen erkannte an der Dringlichen Anfrage wenig außer “parteipolitisches Hickhack”.

“Feigheit” und “Schande”

In der Begründung der Dringlichen hatte FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker zuvor kräftig gegen die ÖVP ausgeteilt. Nehammer attestierte er “Feigheit”. Was die ÖVP aus der Republik gemacht habe, sei “eine Schande”. So habe der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss Inseratenkorruption, Steuerhinterziehungen und Postenschacher aufgezeigt, meinte Hafenecker. Wissen wollte die FPÖ vom Kanzler etwa, inwieweit die Skandale seine Amtsführung beeinträchtigen oder welche Konsequenzen Nehammer ziehen will, falls der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat rechtswidriges Handeln bei den Parteifinanzen feststellt.

Schon vor der Debatte reagierten die Oppositionsabgeordneten erzürnt darauf, dass Nehammer nicht im Hohen Haus erschienen war. Leichtfried warf Nehammer “Flucht vor Verantwortung” und “politische Feigheit” vor. Nicht ins Parlament zu kommen, sei “mangelnder Respekt vor dem Nationalrat”. FPÖ-Klubchef Herbert Kickl schloss sich an – der ÖVP-Chef habe nicht den Mut, zu erscheinen.

Aus dem Kanzleramt hieß es auf APA-Anfrage bloß, Plakolm sei Nehammers Vertretung im Parlament, der Kanzler habe sich schon öfter von seiner Staatssekretärin vertreten lassen.

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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39 Kommentare

  1. Plakolm im Parlament zur Korruption: “Ist nicht Gegenstand der Vollziehung”
    Nehammer im Parlament zu Cobra Libre: “Ist nicht Gegenstand des Vollzugsbereiches”
    Danke, keine weiteren Fragen.

    • Danke für die Mühe! Dieses zeitgeschichtliche Dokument macht einfach nur fassungslos…

    • Well done!! Keine weiteren Fragen mehr … (zum Gegenstand des Vollzugs)
      … und der Plakolm ihr G’schau spricht Bände (erinnert mich ans emeritierte Blümerl einstens) – da muss sie gar nicht mehr ihre Lippen öffnen. So, genau so sieht situationsfern überheblich unantastbarer Killerblick aus, und nicht anders! (Ein Gustostückerl an ÖVP-Nachwuchsförderung!)

  2. Ein weiteres Mal wird das Parlament verhöhnt und die Demokratie mit Füßen getreten. Für die Borgata gilt, und täglich grüßt das Murmeltier. Ja das bringt halt die neue Normalität so mit sich…
    Es sollte schleunigst heller werden!

  3. Earum tun sich nicht endlich alle anderen Parteien zusammen, um diese skandalösen Türkisen von der Regierungsbank zu werfen.

  4. diese anfragebeantwortung von plakolm war so ziemlich das abstruseste was ich im hohen haus seit langem gehört hab.

    echt eine schande.

    ich bin grad beim montieren dieser “rede” und stell das auf youtube – weil das muss man gesehen haben.

  5. Eine konsequent logische Folge aus der leidig performten Diskrepanz zwischen selbstberufenem (manipulativ “herbeigeschriebenen”) unbedingten Machtanspruches auf dem Weg nach Visigrad mit daraus funktional schlüssig abgeleiteter Ver-antwort-ung. Ein bestürzendes Sittenabbild latenter Hybris im demokratischen Verfassungsrahmen: “So lange etwas nicht hieb und stichfest ein-klagbar ist, gäbe(!) es formalistisch legistisch nichts daran zu deuteln, deshalb auch gar nichts zu “hinterfragen”, demgemäß auch nichts zu be-antworten solange wir das nicht anders beurteilen…”
    Der reaktionäre “Mia san Mia, do foat da Zug drüba” Haufen wird ob seiner demokrat. / parlament. respektlosen Geringschätzung aber trotzdem seine Rechnungen irgendwann bezahlen müssen! (Die einen in noch ab zu urteilenden Gerichtsverhandlungen, die anderen Mittäter / Schergen spätestens bei der nächsten NR-Wahl, und dann hoffentlich mit gebührendem Schtüssikovsky-Nachruf bedacht in die Wüste geschickt werden…)

  6. Die Staatssekretärin wiederum blieb nicht wirklich beim Thema, sondern beklagte den unprofessionellen Ton im Hohen Haus und meinte, die Sorgen der “Menschen” seien ganz andere als das Thema der Anfrage,

    Wen Interessiert korruption, Amtsmissbrauch, Postenschacher, kriminelle Politiker…

    Wir haben wichtigeres zu tun als über Anfragen zu Parteifinanzierung und türkisen Skandalen zu reden….
    Wie korruption Amtsmissbrauch oder Postenschacher…

  7. Die Stellvertreterin hat das Amtsverständnis der ÖVP offen gelegt. In Ihrer Rede, die sie vorschalten musste, weil sie am Ende ja keine Stellungnahme abgeben konnte, wies sie der “Oppostion” Aufgaben zu, die sie für die Regierung zu erledigen hätte. Das ist bemerkenswert, weil die ÖVP ganz offensichtlich nicht zwischen Oppostionsparteien unterscheiden kann, ihre Rede war auch durchwegs an die SPÖ gerichtet, obwohl die Anfrage von der FPÖ kam. Die Regierung, und da ist der Skandal gelegen, schreibt “der Opposition” Aufgaben zu, der “Regierung zuzuarbeiten, sie zu unterstützen”. Das ist das Selbstverständnis der ÖVP, sie formulierte ganz klar, welche Rolle sie dem Parlament zuschreibt: Helfershelfer der Regierung zu sein.

    Die Nicht-Beantwortung der Anfrage war dann die Draufgabe. Denn “die Oppositio” hat solche Anfragen nicht zu stellen, laut Selbstverständnis. Dass die FPÖ Anfragen ebenso NICHT beantwortete, als sie in der Regierung war, darf nicht unerwäht bleiben.

  8. Die Körperhaltung von Frau Plakolm spricht für mich Bände. “Ich mache die Mauer, ich verteidige den Chef…” Was man auf den Bildern nicht sieht ist “Für die Karriere tue ich alles, ich will auch als Frau mitnaschen an Geld und Macht, das ist meine Chance dazu…” Ist das nicht ein trauriger Befund? Was wirft das für ein Licht auf unsere Gesellschaft? Jemand wie Claudia Plakolm wird offensichtlich verheizt von Männern wie Sobotka und Nehammer….Das hat nichts mit Emanzipation und Chancengleichheit zu tun das ist einfach nur Eckel erregend und passt ins Weltbild der ÖVP.

    • Jetzt, wo der Hut brennt, werden in der ÖVP die Laufburschen und -mädchen zum Bauernopfer. Erst wurde Melchior, der treue Diener seines Herrn (Kurz), in der ZiB zur Wahlkampfkostenabrechnung von Nehammer “vor den Bus geworfen”, jetzt Plakolm verheizt. Die Spitze der ÖVP benötigt ja noch ein paar Tage Zeit vor dem Untergang, um die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen, Dinge auf Konten zu verschieben, Vereine aufzulösen und eben das übliche Tagesgeschäft dieser Korruptionspartei zu vertuschen. Unschuldsvermutung. Wird alles nichts nützen.

        • Das lernt man dort nicht. Kaum 2 Jahre alt, wurde Köstinger’s Sohn bereits “zwangsgemitgliedschaftet” in der ÖVP. Die wissen nicht einmal, dass ein Leben außerhalb der Beidlpartie existiert… Bildung erhalten sie in der JVP, bei Bergtouren oder Zeltfesten, den ÖVP-Fachhochschulen, Dissertationen werden in Bratislava bestellt und bezahlt, Haus wird geerbt, Arbeit kennen sie nur vom Drangsalieren der Arbeitslosen, der “kleinen” Pensionisten oder von Fototerminen für grenzwertig doofe Instagram-Spaghetti-Eislutscher-Fotoserien…

  9. Kurz hat die parlamentarische Arbeit abgelehnt, Nehammer flüchtet davor. Beide haben den falschen Beruf gewählt. Eigentlich wollten sie ja Oligarch lernen, doch das hat nicht geklappt.

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