Freitag, April 19, 2024

Sorge vor Engpässen: Notfallplan Kohlekraftwerk

Die ins Spiel gebrachte Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks Mellach sorgt weiterhin für Kontroversen. ZackZack hat sich bei Parteien, Organisationen und Unternehmen umgehört.

 

Wien, 21. Juni 2022 | Hitzige Debatte rund um die Reaktivierung des Kohlekraftwerks Mellach in der Steiermark: Das vom teilstaatlichen Konzern Verbund geführte Kraftwerk nahe Graz wurde 2020 stillgelegt. Um einem durch die Situation in der Ukraine verursachten Stromengpass zuvorzukommen, könnte es von der Regierung wieder in Betrieb genommen werden. Das würde allerdings einen Rückschritt beim Klimaschutz bedeuten.

Kohlekraft für den Notfall

Auf ZackZack-Anfrage heißt es aus dem grün geführten Energie- und Klimaministerium, die mögliche Inbetriebnahme von Mellach sei nur im Notfall geplant, falls die Versorgung mit Gas nicht ausreichen sollte. Angesichts drohender Engpässe „sollen Kraftwerke zur Strom- und Wärmeversorgung alternative Brennstoffe eingesetzt werden.“ Wenn es dazu kommen sollte, müsse der Zeitraum der Aktivität außerdem möglichst kurz gehalten werden.

Seitens des größten Wiener Energieversorgers Wien Energie hieß es am Dienstagmorgen, man könne vier Kraftwerke in und rund um Wien anstelle von Erdgas auch mit Erdöl betreiben. Als Alternative für das Kohlekraftwerk in Mellach solle das aber nicht verstanden werden, man konzentriere sich rein auf Wien. Auch Erdöl gilt nicht unbedingt als umweltfreundlich.

Auf ZackZack-Anfrage betonte man: „Wir ergreifen alle Maßnahmen, die uns als Wien Energie möglich sind, um die Wärme- und Stromversorgung für die Wienerinnen und Wiener sicherzustellen. Dazu gehört eben auch ein möglicher Ölbetrieb der Werke.“

Energiesparkampagne im Herbst

Sowohl Wien Energie als auch das Ministerium betonen, dass erneuerbare Energie trotzdem nach wie vor das Ziel sei: „Die aktuelle Situation zeigt, wie dringend wir eine Energiewende brauchen. Wir müssen alles daran setzen, uns möglichst schnell aus der Klammer von Wladimir Putin zu befreien und künftig unseren gesamten Strom aus Wind, Wasser und Sonne selbst erzeugen”, heißt es aus dem Ministerium.

Österreich ist zu 80 Prozent von russischem Gas abhängig. Zuletzt hatte Russland die Fördermengen in mehrere EU-Länger, darunter auch Österreich, drastisch reduziert. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) versuchte zu beruhigen. „Wir sind derzeit bei einem Speicherstand von über 41 Prozent“, sagte sie am Montag in einem PULS4-Interview.

Gewessler kündigt für den Beginn der Heizperiode im Oktober eine weitere Maßnahme an: „Wir werden im Herbst eine Energiesparkampagne starten.“ Diese soll das Bewusstsein für einen sparsamen Umgang mit Energie schärfen. Angedacht sind etwa die Reduktion der Raumtemperatur, das Kochen mit Deckel und ein mögliches Tempolimit an den Autobahnen.

Per Gesetz, wie zum Beispiel in Deutschland, sollen die Bürgerinnen und Bürger aber nicht gezwungen werden, so Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP).

Kritik der Opposition an Bundesregierung

Bei der SPÖ vermisst Umweltsprecherin Julia Herr „alternative Lieferverträge zu russischem Gas“ und wirft der Regierung Untätigkeit vor. Die Regierung „kann auf keinen einzigen abgeschlossenen Vertrag für anderweitige Energielieferungen verweisen“ und begnüge sich mit „fragwürdigen PR Reisen nach Qatar“. Herr fordert kurzfristig ein Energieeffizienzgesetz und unterstreicht die Alternativlosigkeit erneuerbarer Energiequellen.

Die SPÖ habe ihre Zustimmung zum Ausbau erneuerbarer Energie gegeben, vermisse aber die Umsetzung der Regierung: „Noch immer stehen wir auf der Stopptaste was den Ausbau von Wind- Wasser und Sonnenkraft betrifft. Das ist angesichts der Klimakrise und dem Krieg in der Ukraine einfach nur verantwortungslos“, sagt Herr gegenüber ZackZack. „Klimaschutz und soziale Maßnahmen sind kein Widerspruch, sondern müssen Hand in Hand gehen.“

Der Umweltsprecher der FPÖ, Walter Rauch, attestiert der Regierung auf ZackZack-Anfrage „Hilflosigkeit“ und die „unreflektierte Unterstützung aller bisherigen Sanktionspakete gegen Russland“. Die Sanktionen seien verantwortlich dafür, „dass Russland nun den Gashahn drosselt“. Außerdem verursache die Energiegewinnung aus Kohle doppelt so viel CO2 wie die aus Erdgas.

Für NEOS-Umweltsprecher Michael Bernhard ist klar: „Diese Entscheidung ist ein riesiger klimapolitischer Schritt zurück“ Sie sei jetzt aber auch „notwendig, da die Bundesregierung es in den letzten Monaten verabsäumt hat, einen Notfallplan zu erarbeiten.“ Energiesprecherin Karin Doppelbauer ergänzt: „Ergebnislose PR-Reisen nach Dubai oder Bettelbesuche bei Putin helfen genau gar nicht weiter.“ ergänzt NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer. „ÖVP und Grüne taumeln immer noch durch diese Krise und verlassen sich aufs Reagieren anstatt einen Plan auf den Tisch zu legen, wie Österreich durch den Winter kommen kann und wie wir mittel- und langfristig aus der Abhängigkeit von Russland kommen.“

Aufgeschoben, aufgehoben

Bei Greenpeace Österreich ist man sich sicher: „Statt alte Probleme mit alten Lösungen zu bekämpfen, also mit klimaschädlichen Technologien, müssen wir auf erneuerbare Energien und Energiesparen setzen.“ Um Energie zu sparen, könnten Fenster und Hauswände saniert werden. So ließen sich Kosten und Verbrauch senken. „Die Regierungen der letzten Jahrzehnte haben uns sehenden Auges in die Abhängigkeit von russischem Gas geführt. Es gilt jetzt Klima- und Energiekrise zusammen zu bekämpfen und die Menschen in Österreich aus der fossilen Abhängigkeit zu befreien, statt fossile gegen fossile Energien zu tauschen und damit die Probleme nur zu verlagern“, sagt Greenpeace gegenüber ZackZack.

(dp)

Titelbild: APA Picturedesk

DanielPilz
DanielPilz
Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.
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29 Kommentare

  1. Warum nicht z.b wer 20% weniger Energie verbraucht (Strom-Gas) bekommt einen Boni vom Lieferanten den er von denen kassiert die eben die 20% Einsparung nicht errreicht haben !
    Zuckerbrot und Peitsche

    • Nicht jeder kann es sich leisten, von heute auf morgen seine gesamten Gerätschaften wegzuwerfen und durch moderne, sparsamere zu ersetzen. Kein Pensionist bekommt einen Kredit von seiner Bank, um die alte Wärmedämmung seines vor 40 Jahren gebauten Hauses zu ersetzen. Der lustige, von grünen Religioten gerne gemachte Vorschlag, einfach weniger zu heizen, ist auch kurz gedacht, denn kalt bedeutet in direkter Folge auch kränker und damit wiederum verbunden, höhere Kosten für das ohnehin verschluderte Gesundheitssystem. Was aber wohl hilft, wäre den Fernseher aus dem Fenster zu werfen, denn ohne ORF&Co. könnten die Leute eventuell anfangen, wieder selbst zu denken.

  2. Hat irgendjemand als Kind versucht, seine Eltern mit einem Taschengeldembargo in die Knie zu zwingen?

    Wir müssen realisieren, daß sich Europa mit den Sanktionen gegen Russland nur selber tief ins Fleisch schneidet, ohne daß es Putin irgendwie tangiert.

    • Spannend. Se stellen uns als Kind dar, Putin als prügelnde Vater. Ja, wir ergreifen für den Bruder, der gerade halb totgeprügelt wird, Partei.

      • Hab’ ich das wirklich? Oder macht sich da jemand einen Reim auf was, was ich gar nicht gemeint habe?

  3. In D geht man davon aus, dass die nächsten 4 bis 5 Jahre energetisch hart werden (Lindner). Die rus Gasfelder werde gerade versiegelt. Man müsste danach neu bohren, um sie wieder zu öffnen.

    Der nächste Winter wird noch so halbwegs gehen. In D überlegt man ein Gesetz für Raumtemperaturen von 19°. Das wird auch bei uns kommen, so wird ein Jahr relativ ohne große Engpässe vorübergehen. Spannend wird es erst ab 2024. Die Erneuerbaren brauchen noch einige Jahre, bis sie kompensieren können. Bis 2027 wird einfach zu wenig Energie da sein. Selbstverständlich wird die Wirtschaft ebenso leiden wie wir. Ab 2027 kann es dann wieder aufwärts gehen, wenn die Erneuerbaren in die Gänge kommen.

    Ich brauch an dieser Stelle kein Hickhack. Wir werden die schweren Zeiten irgendwie gemeinsam bewältigen müssen. Und wir müssen dazu bereit sein.

    Mellach is ebenso Aktionismus wie Katar. Man müsste die Pensioisten bitten zurückzukehren, sonst kriegt man Mellach nicht zum Laufen.

    • Kocher sagte heute: “Keine Panik.” Ich sehe, höre nirgends Panik, nicht mal den Ansatz dazu. Das ist vollkommen daneben. Die Menschen wissen ganz genau was auf uns zukommt. Wir entscheiden uns im Herbst dazu, die letzten fossilen Reserven in einem Jahr zu verballern oder so zu haushalten, dass wir sie noch auf 2 Jahre strecken können. Das ist einfach Fakt.

      Und diese “Eieiei”-ÖVP-Kommunikation, die uns alle zu infantilen Trotteln machen soll, ist längst gemeingefährlich geworden. Denn sie versucht eine Sicherheit vorzugaukeln, die es nicht gibt. In der Dramaturgie macht man das so: Man zeichnet zuerst eine Idylle, damit das Danach umso schrecklicheren Horror verursacht. Und weil die ÖVP-Kommunikation genau das macht (und leider immer noch in der Regierung ist), sind am Ende der Idylle Aufstände vorprogrammiert. Da die ÖVP nach wie vor diese Weichzeichnung macht, dahinter lauter Kommunikationsprofis stehen, die genau wissen, wie man die Leute in Angst und Schrecken versetzt, ist diese Vorgangsweise gemeingefährlich.

      Wir können dem nur Besonnenheit entgegenhalten, auch wenn ich an manchen Tagen das Gefühl habe, dass wir mit einem Miltärputsch besser dran wären.

  4. Die Frau Herr zählt auch nicht gerade zu den größten geistigsten Kapazuntern. Das Land braucht fähige Leute bzw. Leader an der fordersten Front.

    • Den Störfall haben wir schon!
      Der VERBUND hat uns seit Jahrzehnten Strom aus Wasserkraft verkauft! Jetzt zockt man die Kunden ab, zack, zack, verrechnet man den langjährigen Kunden Preise, als ob 100 Prozent VERBUND Strom aus Gas gewonnen werden würden!
      Arschlöcher

  5. Während die OMV jahrelang die Knebelverträge mit P vorbereitete, wurden die Gasometer in Wien mit Geschäften vollgestopft. Jetzt wären sie von unschätzbarem Wert…

    • Plus/Minus
      Die letzte sinnvolle Nutzung der für die Gasspeicherung, auch damals schon seit Jahrzehnten, nicht mehr geeigneten Gasometer erfolgte 1994 im Rahmen einer beeindruckenden Roadshow für den Börsengang der ROSENBAUER INTERNATIONAL AG. Reuters: RBAV.VI
      😀Danke für ihren grob unsinnigen Beitrag, schon lange nicht mehr so gelacht😀

  6. Warum erdreistet sich Frau Gewessler, den Östereicher(inne)n Tips für das Energiesparen zu geben?
    Mich hat niemand gefragt, ob ich mit den voreiligen und unbedachten Sanktionen zu diesem unseligen (einer von 18 aktuellen) Krieg einverstanden bin.

    • Gewessler dürfte komplett durchgeknallt sein, gerade lese ich von ihrer neuesten Forderung:
      Raumtemperatur senken. Die Regierung plant zudem eine große Kampagne zum Energiesparen. Laut dem Global-2000-Experten Johannes Wahlmüller heizt man Innenräume bei uns im Schnitt auf 24 Grad – da sei noch Luft nach unten. Eine Absenkung (um 2) auf 22 Grad bringe enorme Ersparnis von 12 %. Und das sei auch zumutbar.
      Da werden die Klimaanlagen im SOMMER heiß laufen. Österreichweiter Blackout!

  7. Die Grünen sitzen in der Bundesregierung!!!

    Wenn sie da zustimmen, ist das einfach nur mehr Betrug um die Wählerstimme!!!

  8. Kriegsideologie gegen Russland ist wichtiger als Umweltschutz. Auch wenn die Bevölkerung dann darunter leidet – 2x! Einmal beim Wirtschaftseinbruch und der Inflation, und das zweite Mal dann, wenn die Umwelt versaut ist. Jetzt wissen wir wenigstens, wo bei den Grünen die Prioritäten liegen, nicht nur in Österreich.

    • Würden sie sich lieber in FPÖ Manier vorne über beugen und von hinten richtig nehmen lassen, denn genau das ist die Aussage von Herrn Rauch in diesem Artikel. Ist das nicht die Partei die noch 2017 Tempo 140 Teststrecken eingeführt hat und auch sonst super Kontakte nach Rußland hat?

      Man darf der Person Putin, die 2014 den Krieg mit der Annektion der Krim begonnen hat, nun keinen Millimeter nachgeben, auch wenn wir dafür mal ein oder zwei Winter statt 25 nur 20 Grad im Wohnzimmer haben, dann zieht man eben zur Not Pulli und Socken an

      Haben die NEOS auch einen Vorschlag wer so schnell liefert bzw, Greenpeace wie man das in 3 Monaten hinbekommen soll.

  9. Welches Personal kann in Österreich noch ein solches Kraftwerk betreiben? Oder werden dafür Genderstudenten und FFF-Hüpfer umgeschult?
    Und es braucht auch keine sündteure Energiesparkampagnen, bedenkt man, wie jetzt die Energiepreise explodieren und wohl noch weiter explodieren werden. Die Sparmaßnahmen ergeben sich dadurch von selbst.

    • Wenn ich es richtig gelesen habe ist das Kraftwerk 2020 außer Betrieb gegangen, die werden nich schon alle in Pension oder gestorben sein.

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