Freitag, März 29, 2024

Nach Missbrauchsvorwürfen: Expertinnen warnen vor Schnellschuss bei Kinderschutz

Nach Missbrauchsvorwürfen:

Die Regierung hat angekündigt, verurteilten Sexualstraftätern verbieten zu wollen, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Expertinnen vermissen eine umfassende Gewaltschutz-Initiative.

Wien, 22. Juni 2022 | Kinderrechts-Expertinnen warnten am Mittwoch im Ö1-“Morgenjournal” vor übereilten Schritten nach den bekannt gewordenen Missbrauchsfällen in Wiener Kindergärten. Martina Wolf vom Bundesverband der Kinderschutzzentren plädierte in der Sendung dafür, wohl überlegt statt nur aus Empörung heraus zu handeln. Bei neuen Gewaltschutzmaßnahmen sei wichtig, jede Form der Gewalt zu berücksichtigen – physisch wie psychisch. Für die Juristin Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marqez ist der Vorschlag der ÖVP ein winziger Mosaikstein im Kampf gegen Gewalt an Kindern und Jugendlichen.

Zum Hintergrund: Familienministerin Susanne Raab und Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm – beide ÖVP – hatten im Vorfeld angekündigt, verurteilten Sexualstraftätern zu verbieten, weiter im Kinder- und Jugendbereich tätig zu sein. Das soll nicht nur berufliche, sondern auch ehrenamtliche Tätigkeiten betreffen. Das Verbot soll künftig unabhängig davon gelten, ob die Verurteilten zum Zeitpunkt ihrer Straffälligkeit bereits in dem Bereich tätig waren.

Maßnahmen-Fleckerlteppich ist Schutz-Hindernis

2018 übertrug die türkis-blaue Regierung den Kinder- und Jugendschutz zu einem beträchtlichen Teil in den Kompetenzbereich der Länder. Expertinnen fordern nun bundesweite Maßnahmen. Besonders der Fleckerlteppich an Auflagen sei ein großes Hindernis in der Gewaltprävention, sagte Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marqez im “Morgenjournal”. Sie ist auch Koordinatorin des Netzwerks Kinderrechte.

Dieses schrieb bereits Anfang Juni in einer Aussendung: “Es gibt in Österreich weder in Schulen noch in Kindergärten verpflichtend und flächendeckend eigene Kinderschutz-Beauftragte und Kinderschutz-Konzepte.” Das Netzwerk Kinderrecht fordert „schnellstmöglich eine gesetzliche Verankerung als Förder- und Bewilligungskriterium für alle Strukturen, die mit Kindern arbeiten“, damit der Kinderschutz dort ausgebaut werden kann. Als dafür verantwortlich sehen sie Familienministerin Raab und Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP).

Jüngst mehrere Fälle bekannt geworden

Seit Mitte Mai waren mehrere Fälle von Missbrauch und Gewalt an Kindern in pädagogischen Einrichtungen bekannt geworden. Der Stein des Anstoßes der aktuellen Debatte war ein Vertuschungsskandal in einem Wiener Kindergarten. Dort war ein Pädagoge, der Kinder sexuell missbraucht haben soll, schlicht in einen Arbeitsbereich fernab von Kindern versetzt worden. Die Eltern der betroffenen Kinder waren nicht informiert worden. Nachdem die Eltern auffällige Symptome bei ihren Kindern festgestellt und sich bei einem Verein zur Prävention von sexuellem Kindermissbrauch gemeldet hatten, kam der Fall an die Öffentlichkeit.

(pma)

Titelbild: APA Picturedesk

Pia Miller-Aichholz
Pia Miller-Aichholz
Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich
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3 Kommentare

  1. “… verurteilten Sexualstraftätern verbieten zu wollen, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten…”

    die röm.-kath kirche zittert schon

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