Sondersitzung zur Teuerung:
Es war eine hoch-emotionale Debatte am Donnerstag im Parlament. SPÖ und FPÖ überboten einander an Kritik am Teuerungspaket der Regierung. Ärger herrschte auch über die Abwesenheit Nehammers.
Wien, 23. Juni 2022 | Nur fünf Minuten hat die Sondersitzung im Nationalrat am Donnerstag gedauert, bis sich Herbert Kickl den ersten Ordnungsruf eingehandelt hat. Bevor es um das eigentliche Thema, dem Beschluss des Teuerungspakets der Regierung, ging, stellte der FPÖ-Chef einen Antrag auf „Herbeischaffung des Bundeskanzlers“.
Nehammer „teuerster Flüchtling der Republik“
Karl Nehammer befindet sich derzeit beim EU-Gipfel in Brüssel. Dass der Kanzler dieser Debatte nicht beiwohne, würde die Würde des Hauses verletzen, wetterte Kickl, der eine Unterbrechung der Sitzung forderte, bis „der Brüsseler Edelkomparse“ dem Parlament Rede und Antwort steht.
Nehammer sei der „teuerste Flüchtling dieser Republik“, so der FPÖ-Chef, der dem Kanzler vorwarf, regelmäßig vor dem Parlament zu flüchten. Für beide Ausdrücke setzte es dafür einen Ordnungsruf von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Die Antwort von ÖVP-Klubobmann August Wöginger folgte prompt. Kickl solle den Kanzler in Ruhe seine Arbeit in Brüssel machen lassen, stattdessen das Paket im Nationalrat mitbeschließen.
Paket für Rendi-Wagner „halbherzige Symptombekämpfung“
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner teilte Kickls Ansichten in Sachen Nehammer. Man hätte die Sondersitzung an einem Termin ansetzen können, an dem der Kanzler Zeit hat. Dass Nehammer sich der Diskussion zu einem der „wichtigsten innenpolitisch Themen“ nicht stellt, zeige, „dass ihn dieses Thema selbst nicht interessiert“.
So hitzig wie die Debatte angefangen hat, so ging sie auch weiter, als es dann zur Tagesordnung überging. Rendi-Wagner prangerte an, dass kein einziger Preis sinken werde – “nicht einmal um einen Cent”. Es gehe um halbherzige Symptombekämpfung – “mehr Placebo als echte Wirkung”. Gefallen hätte der SPÖ-Chefin etwa, wenn die “ungerechtfertigten Über-Gewinne” der Energieunternehmen abgeschöpft oder die Steuern auf Lebensmittel und Treibstoffe gesenkt würden.
“Preise runter statt Einmalzahlungen!” – die SPÖ machte auf ihre Forderung auch mit einer Schilder-Aktion aufmerksam (Bild: APA)
Kickl poltert gegen Russland-Sanktionen und Ausländer
FPÖ-Fraktionschef Herbert Kickl warf der Regierung fast wortgleich vor, nichts zu tun, um die Preise zu senken. Hauptaugenmerk in seiner Rede richtete der freiheitliche Obmann freilich darauf, die Sanktionen gegen Russland zu verurteilen, die Moskau nicht störten, die aber die Österreicher aufgrund der “Scheinmoral” der Regierung auszubaden hätten.
Was man an Entlastung vorlege, sei wiederum nur “unausgegorenes Stückwerk”. Anliegen war es Kickl auch hervorzuheben, dass ein Teil der Profiteure gar keine Staatsbürger seien.
Wöginger: SPÖ-Vorschläge “Voodoo-Ökonomie”
VP-Klubchef August Wöginger entgegnete, dass die Mineralölsteuer-Senkung in Deutschland ein schlechter Scherz gewesen sei, sei diese beim Konsumenten doch gar nicht angekommen. Die Vorschläge der SPÖ kämen aus der “Voodoo-Ökonomie”. Die Regierung helfe dagegen rasch und zielgerichtet, betonte Wöginger und verwies darauf, was noch bevorstehe wie die Valorisierung von Sozialleistungen wie Familien- und Studienbeihilfe sowie die Abschaffung der “kalten Progression”.
NEOS-Scherak hält Einmalzahlungen für “richtig”
Dass diese kommt, ist NEOS-Klubvize Nikolaus Scherak nicht so sicher, habe sich doch die ÖVP mit dem Wunsch nach einer Verfassungsbestimmung schon wieder eine Hintertür offen gelassen. Zudem will er eine rückwirkende Regelung und dass die “kalte Progression” zur Gänze und nicht nur in Teilen abgeschafft wird. Am Paket stört ihn, dass es zu viele Boni und Gutscheine gebe und mit der Gießkanne ausgeschüttet werden. Als “richtig” bezeichnete Scherak Teuerungsausgleiche und Einmalzahlungen.
Maurer: Abhängigkeit von russischem Gas Hauptgrund für Teuerung
Nicht weniger als 28 Milliarden würden in den kommenden Jahren gegen die Teuerung in die Hand genommen, damit die Menschen mehr zum Leben hätten, pries Grünen Klubobfrau Sigrid Maurer das Paket an. Als einen Hauptgrund für das aktuelle Problem machte sie die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas aus, für die rote Kanzler der Vergangenheit ebenso verantwortlich seien wie Regierungschefs aus der ÖVP und freiheitliche Minister. Bis heute sei es ja noch so, dass FP-Chef Kickl dem “skrupellosen Aggressor” Wladimir Putin auf dem Schoß sitze.
Auch Vizekanzler Kogler und Finanzminister Brunner verteidigten das Paket. Kogler stellte gar nicht in Abrede, dass man sich etwa auch über Mehrwertsteuer-Senkung oder Preisdeckel Gedanken machen kann. Es bestehe dabei aber die Gefahr, “dass nur ein geringer Teil oder gar nichts davon weitergegeben wird”. Es handle sich um ein “faires, ausgewogenes und treffsicheres Paket”, sagte Brunner. Es werde nicht mit der Gießkanne Geld ausgeschüttet, sondern man nehme ganz gezielt auf die einzelnen Bevölkerungs- und Einkommensgruppen Rücksicht.
Einmalzahlungen vor Beschluss
In der Sondersitzung werden unter anderem ein einheitlicher Klimabonus sowie eine zusätzliche Einmalzahlung gegen die Teuerung beschlossen, was gesamt eine Dotation von 500 Euro pro Person ergibt. Zudem gibt es eine Einmalzahlung für Mindestpensionisten, Arbeitslose und Bezieher von Studienbeihilfe in der Höhe von 300 Euro. Ferner ist ein Zuschlag von 180 Euro zur Familienbeihilfe im August geplant. Der Beschluss erfolgt am Ende der Sondersitzung und wird rund um 18 Uhr herum erwartet.
(mst/apa)
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