Dienstag, April 23, 2024

Abtreibungsverbot: So erschüttert reagieren Stars auf das US-Urteil

Abtreibungsverbot:

Millionen Frauen sind betroffen, Tausende demonstrieren: Nach der höchst umstrittenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sind in etlichen US-Bundesstaaten bereits weitgehende Abtreibungsverbote in Kraft getreten. Wir haben Hintergründe und Stimmen zum historischen US-Urteil zusammengefasst.

Washington, 25. Juni 2022 | Zahlreiche Prominente haben erschüttert auf die historische Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegen das liberale Abtreibungsrecht in den USA reagiert. Denn am Freitag wurde mit einer wegweisenden Entscheidung das liberale Abtreibungsrecht des Landes gekippt. Sechs der neun Richter stimmten für diese Entscheidung, wie der Supreme Court am Freitag mitteilte. Das Gericht machte damit den Weg für strengere Abtreibungsgesetze frei – bis hin zu kompletten Verboten in einzelnen US-Staaten. US-Präsident Joe Biden nannte die Entscheidung einen “tragischen Fehler”.

“Ich bin absolut geschockt, dass wir an dieser Stelle stehen”, schrieb Sängerin Taylor Swift bei Twitter. “Nach so vielen Jahrzehnten, in denen Menschen für das Recht von Frauen, über ihren Körper zu bestimmen, gekämpft haben, hat uns diese Entscheidung das wieder weggenommen.”

Hailey Bieber, Model und Ehefrau von Popstar Justin Bieber, kommentierte via Instagram: “Wow … ich bin sprachlos. Was für ein furchtbarer Verlust und was für eine Enttäuschung. Das macht sehr, sehr viel Angst.” Schauspielerin Viola Davis schrieb via Twitter, sie sei “am Boden zerstört”. “Jetzt müssen wir mehr denn je unsere Stimme und unsere Macht benutzen.”

“Es ist wahrhaft unvorstellbar und entmutigend, versuchen zu müssen, meiner elfjährigen Tochter zu erklären, warum wir in einer Welt leben, in der Frauenrechte vor unseren Augen zerfallen”, schrieb Sängerin Mariah Carey.

Kein Recht mehr auf Abtreibung

“Die Verfassung gewährt kein Recht auf Abtreibung”, heißt es in der Urteilsbegründung. Die Entscheidung ist keine Überraschung: Anfang Mai hatte das Magazin “Politico” einen Entwurf dazu veröffentlicht. Daraus ging bereits hervor, dass das Gericht so entscheiden will. Daraufhin gab es einen Aufschrei von Frauenrechtsorganisationen, Kliniken und Liberalen. Das Urteil ist nun so drastisch wie erwartet. In etwa der Hälfte der Bundesstaaten dürfte es nun zu weitgehenden Einschränkungen kommen.

Es gibt in den USA kein landesweites Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche erlaubt oder verbietet. Abtreibungen sind aber mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt – heute etwa bis zur 24. Woche. Dies stellte bisher ein Grundsatzurteil des Obersten US-Gerichts von 1973 sicher, das als Roe v. Wade bekannt ist. Ein weiteres Urteil von 1992, Planned Parenthood v. Casey, bestärkte die Rechtsprechung und passte sie etwas an. Der Supreme Court hat diese Entscheidungen nun gekippt.

Biden schockiert, Trump jubelt

“Es ist meiner Ansicht nach die Verwirklichung einer extremen Ideologie und ein tragischer Fehler des Obersten Gerichtshofs”, sagte Biden am Freitag in Washington. “Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um diesen zutiefst unamerikanischen Angriff zu bekämpfen.” Der US-Kongress müsse jetzt handeln, um in der Sache das letzte Wort zu haben. “Es ist nicht vorbei”, so Biden.

Ex-Präsident Donald Trump lobte die Supreme-Court-Entscheidung als “Gewinn für das Leben”. Die Entscheidung sei nur möglich gewesen, weil er drei konservative Richter an das Oberste Gericht berufen habe. “Es war mir eine große Ehre, das zu tun”, schrieb er in einer Mitteilung. Trotz der “radikalen Linken” bestehe noch Hoffnung, das Land zu retten. Trump hatte während seiner Amtszeit die Richter Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett ernannt. Damit verschob er die Mehrheit im Gericht deutlich nach rechts: auf sechs der neun Sitze.

“Schlag ins Gesicht für Frauen”

Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, nannte die Entscheidung “einen Schlag ins Gesicht für Frauen”. Die Beschränkung von Abtreibung sei erst der Anfang, warnte die Demokratin am Freitag. “Das ist todernst.” Pelosi verwies auf die Kongresswahlen im November – dort stehe das Recht der Frauen, über ihren eigenen Körper zu entscheiden, auf dem Wahlzettel. “Heute ist einer der dunkelsten Tage, die unser Land je gesehen hat”, schrieb der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer , auf Twitter.

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama rief zum Widerstand auf. “Heute hat der Oberste Gerichtshof nicht nur fast 50 Jahre Präzedenzfälle rückgängig gemacht, er hat die persönlichste Entscheidung, die jemand treffen kann, den Launen von Politikern und Ideologen überlassen – und die grundlegenden Freiheiten von Millionen von Amerikanern angegriffen”, schrieb Obama bei Twitter.

Obama teilte zudem einen Bild mit einem Text: “Schließt Euch den Aktivisten an, die seit Jahren Alarm schlagen beim Zugang zu Abtreibungen, und handelt. Steht mit ihnen bei einem örtlichen Protest”, hieß es dort. Seine Frau Michelle Obama schrieb: “Ich bin untröstlich für die Menschen in diesem Land, die gerade das Grundrecht verloren haben, fundierte Entscheidungen über ihren eigenen Körper zu treffen.” Der Richterspruch müsse ein Weckruf vor allem für junge Menschen sein.

Bundesstaaten können jetzt selbst entscheiden

Die Entscheidung sieht nun vor, es den Bundesstaaten zu überlassen, wie sie ihr Abtreibungsrecht regeln. Dies gilt als besonders drastisch. Einige Staaten haben bereits Gesetze vorbereitet, die sofort in Kraft treten können, wenn die bisherige Rechtssprechung kippt – sogenannte Trigger Laws. Es sind vor allem die erzkonservativen Staaten im Süden und mittleren Westen, die Abtreibung ganz oder fast komplett verbieten wollen. Den Anfang machten Missouri und South Dakota.

Eine Reihe liberaler US-Bundesstaaten kündigte an, das Recht auf Abtreibungen weiter schützen zu wollen. Die Gouverneurinnen und Gouverneure unter anderem aus Kalifornien, Oregon, Washington, Massachusetts, New Jersey und New York bekannten sich am Freitag zu ihrer liberalen Haltung bezüglich Schwangerschaftsabbrüchen. Für Schwangere bedeutet die Entscheidung, Hunderte oder gar Tausende Kilometer reisen zu müssen, um eine Abtreibungsklinik zu erreichen. Viele können sich das nicht leisten. Befürchtet wird, dass wieder vermehrt Frauen versuchen, selbst eine Abtreibung vorzunehmen.

Demokraten sogar intern uneinig

Die Demokraten von Biden hatten Anfang Mai versucht, dass Recht auf Abtreibung per Gesetz zu verankern – scheiterten damit aber im Senat. Die Abstimmung war in erster Linie symbolischer Natur. Mit ihrer knappen Mehrheit können die Demokraten ein solches Gesetz nicht ohne weiteres durchbringen. Hinzu kam, dass nicht einmal in den eigenen Reihen Geschlossenheit herrschte und der demokratische Senator Joe Manchin mit den Republikanern stimmte.

Mehrheit der Amerikaner für ein Recht auf Abtreibung

Nur eine Minderheit der US-Bevölkerung war Umfragen zufolge dafür, dass Roe v. Wade gekippt wird. Dem Institut Gallup zufolge unterstützt seit den Siebziger Jahren eine Mehrheit das Recht auf Abtreibung – mit Einschränkungen oder unter allen Umständen.

Nach der historischen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs kündigte eine Reihe konservativer US-Bundesstaaten weitgehende Abtreibungsverbote an oder setzte diese um. Die Gouverneurin des US-Bundesstaates Alabama, Kay Ivey, erklärte am Freitag, ein Gesetz aus dem Jahr 2019, das von einem Gericht bisher blockiert wurde, solle nun in Kraft treten können. “Im Jahr 2019 war ich stolz darauf, das Gesetz zum Schutz des menschlichen Lebens in Alabama zu unterzeichnen, das eines der schärfsten Abtreibungsverbote des Landes darstellt”, so Ivey. Das Gesetz verbietet so gut wie alle Abtreibungen. Ärztinnen und Ärzten, die eine Abtreibung durchführen, droht eine lebenslange Haftstrafe.

Riesige landesweite Proteste

Nach der Entscheidung demonstrierten mindestens tausend Menschen in New York für das Recht auf Abtreibung. Mehrere Frauenrechtsorganisationen hatten in der liberalen US-Ostküstenmetropole zu Protesten aufgerufen. Die Menge schwoll rasch weiter an. Auch in anderen Teilen des Landes wurde mit Demonstrationen gerechnet.

Protestierende im Washington Square Park in Manhattan hielten am Freitagabend Schilder mit Aufschriften wie “Mein Vergewaltiger hat mehr Rechte als ich” in die Höhe und skandierten Slogans wie etwa “Abtreibung ist ein Menschenrecht”.

Derweil in Deutschland: “Triumph”

In Berlin hat am Freitag der deutsche Bundestag die Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche beschlossen. Für die Streichung des Strafrechtsparagrafen 219a stimmten die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP sowie die Linksfraktion. Union und AfD votierten dagegen. Das Gesetz muss formal noch den Bundesrat passieren, er kann aber ohne die Zustimmung der Länderkammer in Kraft treten.

Der Paragraf regelt das Verbot, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben. Zugleich führt er aber bisher auch dazu, dass Ärztinnen und Ärzte keine ausführlichen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche öffentlich anbieten können, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daran, dass Abtreibung selbst noch immer Teil des Strafgesetzbuches ist, aber nicht verfolgt werde, erinnerte auf Twitter u.a. sofort der Journalist Tilo Jung:

Katholische Kirche erwartungsgemäß unglücklich

Die katholische Kirche bedauerte die Aufhebung des Werbeverbots für Abtreibung. Eine Überarbeitung des Gesetzesparagrafen 219a zur weiteren Verbesserung der Informationslage der Frauen wäre die bessere Lösung gewesen, teilte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, der Deutschen Presse-Agentur mit. “Diese Lösung hätte aus Sicht der Kirche sowohl den Interessen der Frauen, als auch dem verfassungsrechtlich geforderten Schutz des ungeborenen Lebens gedient.” Er betonte: “Die katholische Kirche betrachtet die Hilfe für Frauen, die sich aufgrund ihrer Schwangerschaft in einer Notlage oder in einer Konfliktsituation befinden, als zentralen Teil ihres diakonischen Dienstes.”

(apa/red)

Titelbild: APA Picturedesk

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20 Kommentare

  1. Ah yes, I love democracy.

    Ironisch, dass jene am lautesten den Fötenmord fordern, die die Panik kriegen wenn Leute Fleisch von Nutztieren essen.

    Einfach Mann mit Mann und Frau mit Frau, dann wird niemand schwanger. Sperma und Gebärmutter sind kein Spielzeug, lernt man in der Volksschule in Biologie.

    Was das mit rechts zu tun hat verstehe ich nicht. Auch von links betrachtet bin ich pro Life.

    • Nein, um Menschen die glauben 2022 müsste man nach den religiösen Märchenbüchern dieser Welt leben, diese Menschen gibt es überall. Frauen dürfen in diesen Büchern eigentlich nur Gebährmaschinen sein, sonst nichts.

      • Zum Glück wurden dort unter Applaus nur Bibeln verbannt. Man stelle sich vor, das hätte man mit anderen religiösen Märchenbüchern gemacht.

  2. Irgendwie total schizo diese Republikaner: einerseits ein Abtreibungsverbot durchdrücken, wenn die Kinder aber dann in der Schule sind und Opfer eines Amokläufers werden, da plädiert keiner von denen für ein Waffenverbot, weil das wäre ja eine Einschänkung der persönlichen Freiheit.

    • Sie haben sowas von recht!
      Es ist erschreckend was für Gestalten dort dabei sind.
      Ich assoziiere immer den KKK.

  3. die rechten schreiben frauen vor wie sie mit ihrem körper umzugehen haben und berufen sich auf ihre religion?!

    warum kommt mir das so bekannt vor?

  4. Weiß ja nicht wie es euch geht, doch mir macht dieser Donald Trump richtig Angst und dies seit schon sieben, acht Jahren. Eine gesellschaftlich so gespaltene Welt und Atommacht, kann das gut gehen? Man kann auch gut nachvollziehen warum ca. eine halbe Milliarde Menschen auf diesem Erdball in den Reps das schlechthin Böse sehen, dass man bekämpfen muss. Nach Reagan, dem Bush Clan, Sarah Palin und ihre rechtsfundamendalistischen Hardliner und Feldaufbereiter für Donald Trump plus seinem Nachwuchs. Bete und hoffe dass diese nicht wieder die völlige Macht in den USA an sich reißen können. Denn zusätzlich noch ein Bürgerkrieg in den vereinigten Staaten würde wohl die Welt aus ihren Angeln heben.

    • Mir geht’s genauso, Trump ist eine große Gefahr und man kann vor diesem widerlichen Typen und seinen Anhängern nur Angst haben. Daran, was Europa blüht, sollte er wieder an die Macht kommen, will ich erst gar nicht denken.
      Es ist der Beginn eines Desasters, dass viele nicht ernst genug nehmen.

  5. Es ist mehr als bezeichnend, dass bei den Abtreibungsgegnern vor allem Männer zu finden sind. Natürlich gibt es auch Frauen, die sind aber in der Minderheit.

  6. Besser kann man Doppelmoral nicht mehr zur Schau stellen. Die Frauen zwingt man ihre Kinder unter allen Umständen auf die Welt zu bringen um sie dann mit Waffengewalt aus selbiger zu befördern (was anscheinend keinen dieser selbsternannten Moralisten kümmert). Und was den Herrn T. betrifft, es ist mir eine Ehre ihn an dieser Stelle als widerlichen, abartigen Mistkerl zu bezeichnen.

  7. Scheinheilige bigotte Erzkonservative bejubeln eine frauenfeindliche Gesetzesänderung!
    God save America???!!!

    Dass ein unmoralischer Frauendemütiger wie Donald Trump dabei ist, passt perfekt zur schäbigen Botschaft, die eine weisse reiche Republikaner-Elite aus den USA ihre Bürger sendet.

    Wenn es Gott gibt, müsste er bei diesen bigotten und scheinheiligen Typen kotzen ohne Ende!

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