Mittwoch, Oktober 9, 2024

Ukraine: Verzweifelte Suche nach weiteren Opfern in zerstörtem Einkaufszentrum

Ukraine:

Nach dem Raketeneinschlag in einem ukrainischen Einkaufszentrum in Krementschuk gelten noch 40 Personen als vermisst. Bisher wurden 18 Todesopfer geboren. Die G7 sprechen von “Kriegsverbrechen”. Die Kämpfe um die strategisch wichtige Stadt Lyssytschansk gehen indes weiter.

Kiew/Moskau/New York, 28. Juni 2022 | Nach dem Raketenangriff auf ein Einkaufszentrum in der Ostukraine ist die Zahl der Toten auf mindestens 18 gestiegen. Das schrieb der Gouverneur des Gebiets Poltawa, Dmytro Lunin, am Dienstagmorgen im Nachrichtendienst Telegram. Die Rettungs- und Aufräumarbeiten in der Stadt Krementschuk liefen in der Nacht weiter. Bei dem Angriff am Montag wurden rund 60 Menschen verletzt. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft berichtete am Montag von mehr als 40 Vermisstenmeldungen.

Im Osten der Ukraine gehen nach Angaben aus Kiew die Kämpfe um die strategisch wichtige Stadt Lyssytschansk weiter. Der Feind stürme die Siedlung Wowtschojariwka südwestlich der Stadt, teilte der ukrainische Generalstab am Dienstagmorgen in seinem Lagebericht mit. Russische Einheiten stehen im Süden bereits am Stadtrand.

Gekämpft werde zudem an einer Ölraffinerie. Der “Feind” gebe zudem die Hoffnung nicht auf, eine wichtige Straße zwischen Lyssytschansk und der weiter westlich gelegenen Stadt Bachmut zu kontrollieren, hieß es weiter in dem Lagebericht. Auch dort habe es Artillerieangriffe gegeben. Die Angaben ließen sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen.

Lyssytschank ist die letzte große Stadt in der Region unter ukrainischer Kontrolle. Dort sollen noch mehrere Tausend ukrainische Soldaten stationiert sein. Nach ukrainischen Angaben haben russische Truppen neben dem Einsatz von Mörsern und Artillerie auch Luftangriffe in Richtung der Stadt geflogen.

Ob Krementschuk, Philadelphia, Tel Aviv oder Dresden

Präsident Wolodymyr Selenskyj ersuchte indes den Westen mit Nachdruck um moderne Luftabwehr-Systeme. Die Ukraine habe schon vor dem Krieg und direkt nach der russischen Invasion darum gebeten, betonte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache in der Nacht auf Dienstag. “Die Leute im Einkaufszentrum in Krementschuk verdienten die gleiche Sicherheit wie Leute in jedem Einkaufszentrum der Welt, ob irgendwo in Philadelphia oder Tel Aviv, oder in einer Einkaufspassage in Dresden.”

In einem Video, das unter anderem Selenskyj verbreitete, war das brennende Gebäude mit dicken dunklen Rauchwolken zu sehen. Am Montagabend wurde der Brand örtlichen Behörden zufolge gelöscht. Die Rakete war am Nachmittag in das Gebäude eingeschlagen. Angaben der ukrainischen Luftstreitkräfte zufolge sollen bei dem Angriff Luft-Boden-Raketen des Typs X-22 eingesetzt worden sein. Diese seien von Tu-22-Langstreckenbombern aus dem russischen Gebiet Kursk abgefeuert worden, hieß es. Der Sekretär des Sicherheitsrats, Olexij Danilow, sagte, dass eine zweite Rakete in ein örtliches Sportstadion eingeschlagen sei.

Russland als “größte Terrororganisation der Welt bezeichnet”

Selenskyj bezeichnete Russland nach dem Angriff als “größte Terrororganisation der Welt”. Das müsse auch rechtlich festgestellt werden. “Und jeder auf der Welt muss wissen, dass es bedeutet, Terroristen Geld zu geben, wenn man russisches Öl kauft oder transportiert, Kontakte mit russischen Banken unterhält oder dem russischen Staat Steuern oder Zollabgaben zahlt”, sagte Selenskyj.

G7 verurteilen “Kriegsverbrechen”

Die Attacke wurde im Westen von ranghohen Politikern verurteilt. Der G7-Gipfel drohte Russland mit Konsequenzen. “Wahllose Angriffe auf unschuldige Zivilisten sind Kriegsverbrechen. Russlands Präsident Putin und die Verantwortlichen werden zur Rechenschaft gezogen werden”, hieß es in einer Erklärung der Gipfelteilnehmer am Montagabend.

“Der Angriff Russlands auf Zivilisten in einem Einkaufszentrum ist grausam”, schrieb US-Präsident Joe Biden in der Nacht auf Dienstag auf Twitter. “Wir sind solidarisch mit dem ukrainischen Volk.” Biden hält sich derzeit beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern auf.

Auch der britische Premierminister Boris Johnson verurteilte den Beschuss des Einkaufszentrums. “Dieser entsetzliche Angriff zeigt erneut, zu welchem Ausmaß an Grausamkeit und Barbarei der russische Staatschef fähig ist”, meinte Johnson am Rande des G7-Gipfels in Elmau.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezeichnete den Anschlag als “absoluten Horror”. Man teile den Schmerz der Familien der Opfer und die Wut über eine solche Schmach, schrieb der Staatschef am Montagabend in einem Tweet. Das russische Volk müsse die Wahrheit sehen.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) betonte: “Die grausamen Raketenangriffe auf Zivilisten sind unerträglich. Ich verstehe nicht, wie man solche Verbrechen begehen kann. Das Blutvergießen muss endlich aufhören”, forderte Nehammer am Montagnachmittag auf Twitter.

Am Dienstag beschäftigt die Attacke dann den UNO-Sicherheitsrat. Das Treffen des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen war auf Bitten der Ukraine anberaumt worden.

Schon über 4.700 Kriegsopfer

Die Ukraine wehrt sich seit mehr als vier Monaten gegen die russische Invasion. Die Vereinten Nationen haben bisher über 4.700 zivile Todesopfer erfasst, gehen aber wie die Regierung in Kiew von weitaus höheren Opferzahlen aus.

(apa/red)

Titelbild: APA Picturedesk

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