Donnerstag, April 18, 2024

Umfragen und Message Control beschäftigen U-Ausschuss

Die Opposition wittert die nächste ÖVP-Umfragen-Affäre und befragt am Donnerstag jenen Mann, der davon wesentlich profitiert haben soll: Paul Unterhuber – er hat seit Jahren beste Verbindungen zur ÖVP. Außerdem geladen: Gerald Fleischmann, Kurz’ Mann für türkise Message Control.

Wien, 30. Juni 2022 | Geht es nach der Opposition, könnte im U-Ausschuss am Donnerstag die nächste ÖVP-Umfrage-Affäre aufgedeckt werden. Geladen ist dafür Paul Unterhuber, Geschäftsführer eines jungen Meinungsforschungsinstituts, das direkt nach seiner Gründung lukrative Aufträge von ÖVP-Ministerien abstaubte. Nach ihm wird Gerald Fleischmann befragt werden. Er hat für Sebastian Kurz die Message Control perfektioniert.

Paul Unterhuber

Paul Unterhuber ist eigentlich studierter Agrarökonom. Die SPÖ sieht in ihm die zentrale Figur der nächsten ÖVP-Umfrage-Affäre. Sicher ist, dass Unterhuber eng mit der ÖVP verbunden ist: Nach seinem Studienabschluss 2005 wurde er Direktor des Wiener Bauernbundes und damit Chef eines regionalen Ablegers einer der wichtigsten ÖVP-Teilorganisationen. Mit 2012 gab der den Posten ab und wechselte in die Marktforschung.

Unterhuber war sieben Jahre lang beim Marktforschungsinstitut GfK Österreich tätig. 2018 wurde er schließlich Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Demox Research. Ab da flossen Aufträge aus türkis-blauen Ministerien an Demox. Dazu, und wieso das Institut plötzlich so gut mit Aufträgen versehen wurde und wer das Institut beauftragt hatte, hatte Ex-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) vergangene Woche im U-Ausschuss „kein Wissen“. Sie ist übrigens Vizepräsidentin des Österreichischen Bauernbundes.

Laut Opposition finden sich in diversen Umfragen von Demox im Auftrag von ÖVP-Ministerien Fragen, die allerdings gar nicht dem Ressort zuzuordnen sind. Sie sehen damit parteipolitische Interessen bedient. Bereits 2021 hatte das “Profil” aufgedeckt, dass Demox 2020 für das Verteidigungsministerium eine Umfrage durchgeführt hatte, in der auch ganz konkret Wahlverhalten abgefragt wurde – etwa, ob die Leute eher Sebastian Kurz oder Werner Kogler ihre Stimme geben würden. Laut Demox hatte es sich dabei um eine sogenannte “Omnibus-Umfrage” gehandelt. Bei einer solchen werden Fragen mehrerer Auftraggeber in eine Befragung verpackt. Üblicherweise sind diese Umfragen dann günstiger.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) behauptete, sie habe erst durch Medienberichte davon erfahren, dass Fragen eines weiteren Kunden enthalten gewesen waren. Die Verantwortung dafür sah sie allein bei Demox. Die für eine Omnibus-Umfrage übliche Kostenreduktion hatte es laut Verteidigungsministerium jedenfalls nicht gegeben. Paul Unterhuber wollte dem “Profil” auf Anfrage nicht sagen, wer der zweite Auftraggeber gewesen war. Zur fehlenden Preisreduktion sagte er, der angebotene Preis sei mit dem unternehmerischen Risiko verbunden gewesen, ob sich zusätzliche Kunden finden würden.

NEOS-Wehrsprecher Douglas Hoyos richtete nach Bekanntwerden der Umfrage parlamentarische Anfragen zu Meinungsumfragen-Aufträgen im Jahr 2020 an alle Ministerien und auch an den Bundeskanzler. Aus deren Beantwortung geht hervor, dass zwar nicht alle ÖVP-geführten Ministerien bei Demox Umfragen in Auftrag gegeben hatten. Doch alle Aufträge an Demox kamen aus ÖVP-geführten Ministerien.

Das Landwirtschaftsministerium etwa beauftragte per Direktvergabe einen Themenmonitor für 29.520 Euro. Aus dem Wirtschaftsministerium gab es 2020 gleich drei Aufträge für Demox, laut Anfragebeantwortung von Ex-Ministerin Margarete Schramböck (ÖVP) im Umfang von insgesamt 90.540 Euro. Kai Jan Krainer, Fraktionsführer der SPÖ im U-Ausschuss, vermutet, dass die Ergebnisse diverser Umfragen mit parteipolitischen Inhalten direkt an die ÖVP gewandert sind.

Man kann Demox getrost als ÖVP-nah bezeichnen. Im Kuratorium des Unternehmens saß der Meinungsforscher Franz Sommer. Klaus Knittelfelder bezeichnet ihn beispielsweise in seinem Buch „Inside Türkis“ als Haus- und Hof-Demoskopen der ÖVP. Außerdem scheint neben Paul Unterhuber auch eine Firma als Eigentümerin von Demox Research aus, die dem Berater Rainer Nick und einem Kollegen gehört – beide sind für die ÖVP tätig gewesen.

Gerald Fleischmann

Gerald Fleischmann galt während der Kanzlerschaft von Sebastian Kurz als einer seiner wichtigsten Mitarbeiter. Als Pressesprecher begleitete er Kurz seit dessen Zeit als Integrationsstaatssekretär, also ab dem Jahr 2011. Als Sprecher und ab 2020 als Medienbeauftragter im Bundeskanzleramt setzte er sich persönlich für die Image-Pflege von Kurz und seiner Neuen Volkspartei ein – Stichwort Message Control. Den Erzählungen nach bemühte er sich darum auch mit teils ruppigen Interventionen bei Journalisten. Interviews oder Pressestatements der ÖVP liefen grundsätzlich über Fleischmann. Der Medienbeauftragte des Kanzlers nahm auch an Treffen der türkisen Stiftungsräte mit dem späteren ORF-Generaldirektor Roland Weißmann vor dessen Wahl teil.

Auch Fleischmann geriet im Zuge der Inseratenaffäre im Oktober 2021 ebenfalls ins Visier der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen des Verdachts auf Untreue und Bestechlichkeit. Es gilt die Unschuldsvermutung. Fleischmann beendete daraufhin seine Tätigkeit im Bundeskanzleramt und ist seit November 2021 Referent im ÖVP-Parlamentsklub. Pikantes Detail, das das „Profil“ aufdeckte: Er wechselte just am Tag der berühmten “Hier-ist-nichts-zu-finden”-Pressekonferenz von Gaby Schwarz, in der selbige allfällige Razzia-Gerüchte dementierte, das Handy. Etwa eine Woche später fand die große Hausdurchsuchung der WKStA rund um die Inseraten-Affäre statt.

Im Mai 2022 wurde eine von der WKStA sichergestellte Tonaufnahme bekannt. Denn 2017, fünf Jahre zuvor, hatte ein Mitarbeiter des SPÖ-Beraters Tal Silberstein behauptet, dass Gerald Fleischmann ihm im damaligen Wahlkampf über 100.000 Euro dafür geboten hätte, wenn er die Seiten wechseln würde. Fleischmann bestritt das später, es habe lediglich ein Gespräch über eine mögliche Zusammenarbeit gegeben. Dies bestätigt nun auch die Tonaufnahme.

(pma)

Titelbild: APA Picturedesk

Pia Miller-Aichholz
Pia Miller-Aichholz
Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich
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14 Kommentare

  1. Peter Sidlo und Paul Unterhuber dürften eine genetisch ziemlich enge Verwadtschaft aufweisen, wenn ich mir die Fotos vergleichend ansehe.

    SPÖ ist heute gut im Fragemodus. Unterhuber auf Glatteis. Und Fleischmann ein “unzulässiger” Nichtbeantworter. Die Verfahrensrichterin wies mehrmals darauf hin, dass er antworten müsse. Er verweigerte trotzdem.

    • Heute schau ich kurz in einen bekannten Liveticker und was sehe ich zufällig auf den ersten Blick? Eine grenzgeniale Erklärung, was BMLV bedeutet 🙂 Mich hat’s umghaut vor Lachen 🙂

    • Mein Eindruck beim UA bisher: Sobotka und Fleischmann sind erstaunlicherweise keine best buddies (mehr) – Hanger verteidigt F allerdings mit Zähnen und Klauen.

  2. Es gibt de facto keine ArbeitnehmerInnenpartei und Kranke und Arbeitslose sind komplett ohne Lobby. Wie Yuval Harari sagt, die nutzlose Klasse.

    FPÖ jammert nur über AusländerInnen.
    ÖVP schmierige Schnöselpartie.
    NEOS neoliberale Lunatics.
    Grüne Konzernhippies.
    MFG nur Corona als Programm.
    SPÖ verdient die Farbe rot nicht.

    Ist die KPÖ und Bierpartei echt das Vernünftige im Jahr 2022 in Österreich?

    Da weiß man net ob man lachen oder weinen soll.

    • Ihre Aussage stimmt.
      Nur so schwach sind die Arbeitslosen als Individuen gar nicht.

      Falls Sie zufällig Arno Dübel aus Deutschland kennen, wissen Sie was ich meine. Heutzutage laufen mehr Leute auf diesem Level herum. Der Herr galt damals als Exotikum.

  3. Werte ÖVP, wäret ihr wohl so nett und würdet das nächste Mal die Meinungsumfragen eure Partei betreffend auch aus der Parteikassa zahlen und nicht von meinem Steuergeld? Wenn ihr die Augen aufmachen würdet, dann könntet ihr ohnehin sehen, dass ein Großteil der Bevölkerung eure Partei für mies und korrupt hält. Das Geld für Umfragen könntet ihr euch also sparen.

  4. Profil selber hatte großen Anteil daran dass Kurz der SPÖ die Silberstein Affäre anhängen konnte. Waren ja als große Aufdecker am Werk. Blöd nur dass sie nicht damals schon rausgefunden haben dass Türkis der SPÖ den Oberanpatzerprofi vom Dienst abwerben wollte. Doch Kern wurde daraufhin medial vernichtet und das Unheil nahm seinen Lauf.

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