Dienstag, Januar 21, 2025

Surfin Pam

SPÖ ohne Führung:

Die SPÖ surft von einem Umfragehoch zum nächsten und weiß nicht, was sie im Ernstfall tut: wenn die nächste Welle ausbleibt.

 

Wien, 3. Juli 2022   Die schwarzen Spatzen pfeifen es längst von allen Dächern: Spätestens im Oktober ist Karl Nehammer Geschichte. Wenn die Affären von den Kurz-Wahlkämpfen bis zu den Seniorenbund-Finanzierungen Aktenzahlen und neue Beschuldigte erhalten haben und sich der Sumpf der ÖVP-Finanzen über ihrem ehemaligen Generalsekretär geschlossen hat, gibt es immer noch die Partei, die überleben will. Die Suche nach dem letzten Ausweg hat begonnen.

Hinter Nehammers Rücken haben sich erste ÖVP-Granden auf den Weg gemacht. Ihr Ziel heißt „SPÖ“. Den Kanzler haben sie aufgegeben. Sie haben nur noch eine Mission: eine Nummer bleiben, egal ob 1 oder 2. Sie wollen Österreich aus der neuen Lähmung in den alten Stillstand führen. Nur so, glaubt man inzwischen von St. Pölten bis Salzburg, lassen sich schwarze Länder im letzten Moment vor der roten Flut retten.

Drei Empfänger

Die Signale richten sich an drei Empfänger: an den ÖGB, an die Wiener SPÖ und an die Gruppe rund um die Parteichefin. Der ÖGB hat seine Lektion aus dem Jahr 2000 noch nicht gelernt. Damals beerdigte die Industriellenvereinigung die alte Sozialpartnerschaft und zeigte den Gewerkschaftern, wie man sich den ganzen Sozialkuchen holt, wenn man ohne Gewerkschaft regiert. Statt jetzt den Spieß umzukehren und die Sozialversicherung wieder den Arbeitnehmern zurückzuholen, setzen einige im ÖGB auf die Wiederkehr des alten Burgfriedens. Das Bett ist noch da, die ÖVP müsste nur hinein.

Mit Michael Ludwig ist die Wiener SPÖ eine letzte alte Macht. Durch kluges COVID-Management hat sich der Bürgermeister über die Stadt hinaus einen Namen gemacht. Ludwigs politisches Ziel stand schon 1975 auf einem kleinen Polster, den Bruno Kreisky im Wahlkampf verteilen ließ: „So wie es ist, soll es auch bleiben!“ Die alte Wiener Gruppe will die Macht erhalten und die ÖVP wieder dort hinbringen, wo sie lange gut funktioniert hat: ins Amt des Vizekanzlers. Wirtschaft schwarz, Soziales rot, der Rest verlässlich aufgeteilt.

Im Gegensatz zu ÖGB und Wiener Partei verfolgt die Gruppe rund um die Parteichefin kein erkennbares politisches Ziel. In den politischen Krisen, die immer öfter über ÖVP und Grüne hereinbrechen, passiert immer dasselbe: Die Chefin der größten Oppositionspartei lässt sie aus. COVID-Desaster, Korruptions-Daueraffären und jetzt Teuerungswelle – alles ohne Pam. Nur bei Umfragen taucht sie plötzlich auf, legt ihr Surfbrett auf die Welle und lässt sich zum nächsten Umfragehoch tragen. Die Wellen kommen verlässlich, und mit ihnen der Glaube, dass das gute Surfwetter bleibt.

Aber genau das stimmt nicht. Wahlkämpfe haben ihr eigenes, unberechenbares Wetter. Und wenn es sich bis ins Kanzleramt ausgeht, steht eines fest: Zum Regieren taugen Surfbretter nicht.

Dabei kann niemand Pamela Rendi-Wagner nachsagen, sie sei keine Kämpferin. Einige Male ist sie fast gestürzt, immer wieder aufgestanden und trotz offen ausgetragener Parteifreundschaften weiter gekommen als viele geglaubt haben. Aber ab dem Herbst geht es nicht mehr um Umfragen. Spätestens ab Oktober geht es um mehr.

Ohne ÖVP

Im Herbst wird es kalt. Die Preise explodieren und die Lieferketten brechen. Wer besonderes Pech hat, wird arbeitslos, kann die Heizung nicht mehr bezahlen und steckt sich in der neuen COVID-Welle an. Dieses besondere Pech droht erstmals Hunderttausenden. Österreich steht vor der schwersten Krise seit 1945 und braucht eine Regierung, die weiß, was sie zu tun hat und das mit allen Kräften versucht.

Diese Regierung gibt es nur mit Vermögenssteuern, mit gedeckelten Energiepreisen und mit scharfen Gesetzen gegen Korruption – und damit ohne ÖVP. Alles, was es jetzt dazu braucht, ist eine Erklärung der SPÖ-Chefin: „Ich will Bundeskanzlerin einer Regierung von SPÖ, Neos und Grünen werden“. Dann weist die Chefin ihren beiden Herausforderern ihre Plätze zu: Hans Peter Doskozil soll unter ihr Innenminister, Christian Kern Wirtschafts- und Energieminister werden.

Doskozil zeigt gerade im Burgenland, wie sozialdemokratische Reformen funktionieren. „Sozial“ und „Sicherheit“ kann er. Das wird in einem Herbst, an dem sich auch die Probleme von 2015 wieder zurückmelden, wahlentscheidend. Mit Christian Kern an Bord verhindert Rendi-Wagner die drohende Spaltung der SPÖ. Aktuelle Umfragen belegen, dass eine Kern-Partei vor allem eine Kern-Spaltung der SPÖ wäre. Neben der SPÖ hätten plötzlich ÖVP, FPÖ und die neue Partei Chancen auf Platz 1.

Mit der Erklärung für eine Reformregierung ohne ÖVP und mit der Einladung an Kern und Doskozil beendet Rendi-Wagner den innerparteilichen Konflikt und die beginnende Lähmung der SPÖ. Egal, wann die Wahl ist, die SPÖ startet dann aus der Pole Position. Wenn Pamela Rendi-Wagner das alles nicht tut, wird es Zeit, Brett und Hut zu nehmen und die Führung der SPÖ jemandem, der führen will und kann, zu überlassen.

Kommentar erweitert um 9.43 Uhr

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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