Mittwoch, April 24, 2024

Lohnverhandlungen in Zeiten von Rekord-Inflation – Interview

Interview

Werden Löhne und Gehälter mit den Preissteigerungen mithalten können? Für eine faire Umverteilung kämpft die Gewerkschaft GPA, die jährlich 170 Kollektivverträge verhandelt. ZackZack hat Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher gefragt, welche Herausforderungen in der Rekord-Inflation bevorstehen.

Wien, 08. Juli 2022 |

ZackZack: Herr Dürtscher, die hohe Inflation und die Preissteigerungen bekommen mittlerweile ein Großteil der Menschen in Österreich zu spüren. Wie steuert man jetzt am besten dagegen?

Karl Dürtscher: Die Aufgabe ist jetzt einerseits, nachhaltig einen Beitrag zu leisten, dass die Inflationsrate gedämpft wird. Das ist natürlich möglich über bestimmte Steuererleichterungen. Derzeit hat sich die Regierung noch auf die Frage Einmalzahlungen festgekrallt, die nicht wirklich inflationsdämpfend wirken.

Auf der anderen Seite muss man über Lohn- und Gehaltsverhandlungen versuchen, hier entsprechend eine Abgeltung zu erhalten. Also eine nachhaltige Lohn- und Gehaltserhöhung sicherstellen, und nicht, dass man das in Form von Einmalzahlungen macht. Einmalzahlungen haben die Funktion, dass sie zwar im Moment gut wirken, aber die Einmalzahlung geht und die Inflation bleibt.

ZZ: In Deutschland und Großbritannien fordern Gewerkschafter aufgrund der Preissteigerungen schon Gehaltserhöhungen um bis zu 8,2 Prozent. Ist das auch in Österreich realistisch?

KD: Wir steigen im Herbst in die Gehaltsverhandlungen ein und traditionellerweise ist es so, dass wir für die Vergangenheit verhandeln. Das heißt wir schauen uns an, wie ist die durchgerechnete Inflationsrate bis zu diesem Zeitpunkt. Auf der anderen Seite schauen wir uns an, wie die wirtschaftliche Entwicklung der Betriebe in der Vergangenheit gelaufen ist.

Das ist die Basis für unsere Gehaltsforderungen und das werden wir dann kurzfristig anhand der aktuellen Daten festlegen. Faktum ist, wir treten einmal im Jahr für Verhandlungen an. Wirtschaftsforscher revidieren alle drei Monate ihre Prognosen, aber wir müssen einmal im Jahr für das folgende Jahr verhandeln. Das ist natürlich eine Herausforderung, da versuchen wir uns möglichst aktuell abzustimmen wie die Daten ausschauen. Ich gehe davon aus, dass wir heuer eine ordentliche Forderung auf den Tisch legen werden, weil natürlich die Rahmendaten entsprechendes erfordern.

ZZ: Energie-Experten rechnen mit Mehrkosten von 400-500 Euro pro Haushalt aufgrund der steigenden Preise. Angenommen die Verhandlungen gestalten sich schwierig: Könnte eine Streikwelle drohen, wenn sich die Menschen nichts mehr leisten können?

KD: Wir haben glaube ich gezeigt, dass wir mit der notwendigen Konsequenz und Härte verhandeln und hoffen, zu einem entsprechenden Ergebnis zu kommen. Sollte kein Ergebnis erzielbar sein, wird es natürlich am Ende des Tages Arbeitskämpfe geben, keine Frage. Wir versuchen immer am Verhandlungstisch ein akzeptables Ergebnis zu erzielen. Nur sollte das nicht möglich sein, gibt es natürlich dann noch entsprechende Maßnahmen. Da werden wir dann die Belegschaften zusammenrufen und über die weitere Vorgangsweise abstimmen.

ZZ:  Wer verhandelt welche Kollektivverträge? Welche Verhandlungen stehen demnächst an?

KD: Das ist unterschiedlich. Die Verhandlungskomitees werden von den jeweiligen Gruppierungen gewählt. Dann kommt es darauf an, ob eine Gewerkschaft alleine unterwegs ist, wie es etwa in unserem Fall beim Handel der Fall ist. Im Metallbereich verhandeln wir gemeinsam mit der PRO-GE. Im SWÖ (Pflege- und Berufe im Sozialbereich, Anm.) treten wir gemeinsam mit der Gewerkschaft vida an. Das sind unsere drei großen Bereiche, wo wir im Herbst in Verhandlungen treten werden.

Da geht es um 200.000 Arbeitnehmer im Industriebereich, um weit über 130.000 im SWÖ-Bereich und über 500.000 im Handel. Das sind Größenordnungen, wo doch viel Geld bewegt wird und umso wichtiger ist es, dass die Verhandlungen gut laufen und wir ein gutes Ergebnis für die Beschäftigten zustande bringen.

Da ist es natürlich leichter, je mehr Mitglieder wir in einer Branche haben. Deshalb versuchen wir stärker zu werden und Mitglieder zu gewinnen, damit sie uns in unseren Bemühungen unterstützen.

ZZ: Wie läuft so eine Verhandlung ab?

KD: Es gibt mehrere Verhandlungsrunden, die in unterschiedlicher Zusammensetzung stattfinden. Da gibt es Untergruppen, die dort die Verhandlungen führen und am Ende des Tages hofft man, dass man einen tragfähigen Kompromiss zustande bringen kann.

ZZ: Sie haben das Entlastungspaket der Regierung bereits angesprochen. Kann dieses die Spannungen im Arbeitskampf dämpfen?

KD: Nein, da ist zu viel auf Einmal-Maßnahmen wert gelegt worden und zu wenig auf Nachhaltigkeit, die wir fordern. Was uns in die Karten spielt ist, dass es nach wie vor eine gute Situation am Arbeitsmarkt gibt. Dass Arbeitskräfte gesucht werden und sich Betriebe schwertun, Arbeitskräfte zu finden. Da müssen auch die Arbeitgeber mehr bieten, damit die Leute bereit sind, die Arbeit zu machen, die anfällt.

Die Arbeitgeber sind aufgefordert, dazu einen Beitrag zu leisten. Auf der einen Seite müssen gute Lohnabschlüsse zustande kommen. Aber auch bei den Arbeitsbedingungen muss sich was tun. Da geht’s um die Frage, wie die Arbeit verteilt wird, ob es gegebenenfalls eine Arbeitszeitverkürzung oder eine Aufstockung des Personals gibt. Da gibt es mehrere Themen über die diskutiert wird.

ZZ: In welchen Berufsgruppen konnte man zuletzt Erfolge bei den Lohn- und Gehaltsverhandlungen verzeichnen? Wo gibt es noch Luft nach oben?

KD: Im Frühjahr haben wir Verhandlungen im Bereich Elektro-, Glas-, Papier-, Textil- und der chemischen Industrie abgeschlossen. In der Herbstrunde ist dann traditionell der Metallbereich mit den Fachverbänden Maschinenindustrie, Bergbau, Stahl, Nichteisenmetalle und Energie dran.

Dann kommt im Herbst auch der große Bereich der Sozialwirtschaft, wo die Beschäftigten eine entsprechende Erhöhung wollen. Dann haben wir noch den kompletten Handelsbereich, der durch große Spreizungen im Umsatz gekennzeichnet ist. Da gibt es große Gewinner und natürlich solche, denen es nicht ganz so gut geht. In allen drei Bereichen sind die Herausforderungen groß.

Karl Dürtscher ist Bundesgeschäftsführer und KV-Chefverhandler der Gewerkschaft GPA.

Titelbild: GPA

Markus Steurer
Markus Steurer
Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.
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14 Kommentare

  1. Median 1983 €980,-, Median heute €2845,- 1kg Mischbrot beim Bäcker 1983 öS3-6,- heute €3-6,- soviel nur zur Gehaltsanpassung durch Gewerkschaften die mit den Beiträgen der Arbeiter finanziert werden also FÜR ihre Arbeiten bezahlt werden, ist ja nur das 13-14fache von damals passt schon

  2. Leider sind diese wichtigen und einstmals politisch mächtigen Institutionen mittlerweile systemimmanent. Man sehe sich das Entlohnungsschema und die Sonderverträge der Spitzenvertreter von Gewerkschaften an. Des weiteren werden grobe Unvereinbarkeiten als ganz normal hingenommen. Was hat ein Gewerkschaftsfunktionär in einer gesetzgebenden Körperschaft zu suchen? Kommt er aus selbiger, wo gerade wieder eine Verschlechterung für die Arbeiter und Angestellten beschlossen wurden, tritt er vielleicht noch am selben Tage bei einer Betriebsversammlung auf. Dort wird selbiger seinen persönlichen Wählern Sand in die Augen streuen…
    Hier sollte es auch viel heller werden!

  3. Die lächerlichen jährlichen Verhandlungen gehören durch einen Automatismus ersetzt. Und nicht die Inflation soll abgegolten werden, sondern die Steigerung der Wertschöpfung der Branche – in Krisenzeiten auch negativ. Damit ist die Erfolgbeteiligung der Arbeitnehmer an der Wertschöpfung gewährleistet – in guten wie in schlechten Zeiten. Die Daten dazu liefert das Statistische Zentralamt. Der Spielraum für die Unternehmer soll die freiwillige Überzahlung über dem KV sein, die bei Bedarf auch wieder bis auf 0 gekürzt werden darf. Und die Funktionäre sollen anstatt andauern zu verhandeln, wieder einmal ein bisschen produktiv arbeiten.

  4. Meine persönliche Erfahrung war, dort wo der Betriebsrat und die Gewerkschaft mehr Macht und Einfluss gehabt haben, dort war ich als individueller DN am schlechtesten Vertreten.

    Als Starker MA verhandelt man besser für sich selbst. Traurig ist schon, dass die Gewerkschaft aus der Kraft der Gemeinschaft nicht mehr dareißt.

    Diese Herbstlohnverhandlungen werden entscheident sein für die Zukunft der Gewerkschaft. Zum Vgl. EU Politiker Gehalt +8,5% da ist schon mal ein Gehaltssprung von 4 stelligen Beträgen drinnen.

  5. Die Gewerkschaft seit Verzetnitsch kann man mit den seinerzeitigen ehrlichen, kämpferischen, erfolgreichen Bemühungen der Gewerkschaft leider nicht vergleichen. Heute ist man derart auf (faulen) Kompromiss gepolt, die Gewerkschaft will es sich mit den Firmen nicht verscherzen bzw hat -no na net – Mitgliedsbeiträge im Auge. War 2 Jahre live bei Verhandlungen eines politischen Dienstgebers mit der Gewerkschaft (Hr. Dürtscher damals noch Vida und nicht für ggst Fall zuständig, kenne ihn jedoch und hab einen guten Eindruck von ihm gewonnen) dabei, wobei ganz offen am Ende ein Funktionär mir gegenüber ausgesagt hat: Im Prinzip kann eine Firma machen was sie will, sie versucht es über sämtliche Kanäle und sitzt immer am längeren Ast. Bin umgehend aus dem ÖGB ausgetreten. Die Peanuts, die man den Mitarbeitern vom DG schlussendlich hingeworfen hat, wurden dann von BEIDEN Seiten als Erfolg verkauft.

    • Interessante Story.

      Begleite als Sidetask ebenfalls Gesamtbetriebliche Gehaltsschemen. Der gesetzliche KV ist in der Branche so extremst schlecht, der AG selbst besteht bei uns ausdrücklich auf deutlich höhere Gehaltsstufen.

    • In so einem Habitat gedeihen bestimmt die wunderherrlichsten Dinge …
      Ideale Lebensbedingungen für Staufferfettn und Co.

  6. Dem Gewerkschafter kann geholfen werden. Bezüglich der Berecchnung braucht er sich nur daran zu orientieren, was die EU-Angestellten bis hinauf zur v d Leyen sich genehmigen. Da sind es 8.5 %. Aber nicht erst im Herbst, sondern sofort. Was die EU kann, kann der Gewerkschafter nicht ? Er wird sich wieder über den Tisch ziehen lassen, wie die Gewerkschaften seit Jahren über den Tisch gezogen werden und Reallohnkürzungen akzeptiert haben. Den Typen kann man getrost vergessen. Nur der Protest auf den Strassen und ein Generalstreik kann dem üblen Spiel ein Ende setzen.

    • Über den Tisch gezogen weren auf jeden Fall die Steuerzahler in der EU. Die EU-Verwaltung genehmigt sich in vollem Wissen, dass die Bevölkerung aufgrund ihrer fehlgeschlagenen Sanktionspolitik einen realen Kaufkraftverlust hinnehmen muss, die volle Inflationsabgeltung, jetzt und sofort. Wasser predigen, aber selbst Wein trinken. Ich denke, das wird in einem realen Vertrauensverlust enden.

  7. der ögb als solches ist leider zu sehr im gesamtsystem “gefangen”.

    eigentlich hätte es spätestens beim 12-stunden-tag oder der zerstörung der sozialversicherung einen bundesweiten streik geben müssen.

  8. Unterm Strich wird das Arbeitsentgelt einen markanten Rückstand auf die Inflation haben. Selbst bei den niedrigeren Inflationsraten in der Vergangenheit, hinkten die Abschlüsse hinterher.
    Von den sogenannten ‘Sozialleistungen’ wie ALG/NSH (wie sie neuerdings propagiert werden – wie es scheint, zahlen die Leute nicht mehr länger Versicherungsbeiträge, in sämtliche Versicherungen alle Monate ein, sondern der Staat leistet prinzipiell immer eine Art Obolus an die ‘Empfänger’ und diese sind dann im Bedarfsfall nichts weiter als würdelose Supplikanten).
    Und dann wundern sich diese hochnäsigen arroganten Schnösel, wenn selbst der doch eher als gemäßigt geltende Österreicher doch die Straßen aufsucht um dort Dampf abzulassen – die Wahrscheinlichkeit steigt, denn die ‘Verantwortlichen’ lassen den Menschen kaum etwas anderes übrig.

    • ‘Von den sogenannten ‘Sozialleistungen’ wie ALG/NSH.’ … ganz zu schweigen

      Und seit letzter Woche ist gewiss, dass das ALG bzw. die NSH nicht mal valorisiert werden sollen.
      Wobei man eindringlich auf die Ungleichstellung hinweisen muss, dass Erwerbsarbeitssuchende die die tatsächliche Sozialleistung Sozialhilfe/Mindestsicherung kriegen, von einer Valorisierung ausgehen dürfen, aber jene die das ALG bzw. die NSH kriegen nicht (wenn das so oder noch schlimmer kommt, braucht man sich nicht wundern wenn sich diese Menschen dann auf den Straßen wiederfinden und ganz vorne mitmischen) – nach dem Stand derzeitiger Überlegungen.

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