Donnerstag, Dezember 12, 2024

Rabensteiner: Superkleber

Rabensteiner:

„Gegen all euer Leiden verschreibe ich euch Lachen“, sagte der französische Arzt und Humanist François Rabelais. Die wöchentliche Dosis Medizin verabreicht Fritz Rabensteiner. Dieses Mal: Verkehr.

Wien, 23. Juli 2022 | Sind Sie auch so eine Umweltsau wie ich? Ob Sie es glauben oder nicht, ich fahre immer noch mit dem Auto. Nicht mehr oft, in der Stadt erledige ich fast alles zu Fuß, aber wenn ich fahre, dann gerne. Und mittlerweile sehr gemäßigt, also vom Tempo her. Obwohl ich ein schnelles Auto habe.

Früher haben wir mit den Strafmandaten geheizt oder ein Zimmer tapeziert. Wenn ich mir das mit dem Heizen so überlege, dann ist das vielleicht eine Alternative für den Winter, wenn es dann kein Gas mehr gibt. Der Luft-100er gibt ja nichts mehr her, aber wenn ich in einer 30er-Zone 120 fahre, wie viel Papier wird mir dann zugeschickt?

Sogar im Urlaub waren wir jetzt schon mit dem Auto, weil wir einen großen Hund haben. Einen sehr großen. Mir wurde geraten, aus Klimaschutzgründen mit dem Rad zu fahren und ihn auf den Gepäckträger zu schnallen, aber das wollte er nicht. So ein Herdenschutzhund, er heißt übrigens Rocky, kann mit einem normalen Fahrrad nichts anfangen. Da hätte ich ein Lastenfahrrad gebraucht, aber um den Preis bekommt man schon einen Kastenwagen. Und mit der Bahn ist auch blöd. Jedes Mal eine Notbremsung einzuleiten, wenn er kacken muss, wird auf Dauer einfach zu kostspielig.

Apropos. Ich war kürzlich wieder mal mit der Bahn unterwegs. Von Tirol nach Wien. 1. Klasse. Ohne funktionierende Toiletten. Tut leid, sagte der Schaffner. Tut leid. Also nicht ihm, sondern irgendjemandem. Ich musste zum Glück nicht, aber es war interessant zu beobachten, wie aus Menschen Tiere werden, wenn sie müssen. Als ob man es sich von Innsbruck bis Wien nicht verkneifen könnte. Am meisten gejammert haben die Frauen. Wie immer. Aber ich kenne das von meiner. Bei ihr hat mit drei Jahren die Blase aufgehört zu wachsen. Ich kenne mittlerweile alle Autobahn-Toiletten Österreichs.

Immer mehr junge Menschen kleben sich auf Straßen fest. Mit Schnellzement. Das ist angeblich gut fürs Klima. Und dann kommt die Straßenmeisterei oder die Tierkörperbeseitigung und befreit sie mit Hammer und Meißel. Ginge es nach mir, dann würde ich die Straße sperren und sie ein paar Tage kleben lassen. Zum Glück fragt mich keiner. Warum kleben die sich nicht in jenen Ländern auf die Straßen, in denen Zement auf höchst umweltschädliche Weise produziert wird?

Zum Beispiel in China. Da würden sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie könnten einerseits die Menschenrechte einmahnen und andererseits gegen die Umweltverschmutzung demonstrieren. Das wäre doch nur konsequent. Aber wahrscheinlich käme im Reich der Mitte nicht die Straßenmeisterei mit Hammer und Meißel, sondern die Polizei mit Flex und Handschellen. Aber einen echten Aktivisten schreckt so etwas nicht. Anderseits ist China sehr weit weg und dann müsste man extra dort hinfliegen, das ist ganz schlecht fürs Klima, ganz schlecht, und ein Visum braucht man auch noch, das dauert… Schwierig, sehr schwierig. Na ja, schade. Kann man halt nix machen.

Walter, ein guter Freund von mir aus Wien, ist ein formvollendeter Gentleman am Volant. Ein Sir der alten Schule. Ein Herrenfahrer. Ein Kamerad der Landstraße. Als er am Südtiroler Platz einer anderen Verkehrsteilnehmerin großzügig den Vorrang lassen wollte, sah sie ihn nur teilnahmslos an und reagierte in keiner Art und Weise. Er öffnete das Fenster und gab ihr den einzig möglichen Rat: „Daun geh scheißen.“ Ob Sie es glauben oder nicht, aber diese Anekdote bringt mich nach wie vor über den Tag. Wir werden in nächster Zeit sehr viel Humor brauchen. Verlieren Sie ihn nicht.

Die Website des Autors finden Sie hier.

Titelbild: APA Picturedesk

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