Freitag, März 29, 2024

Die Lage im Kosovo: Alles zu den Spannungen mit Serbien

Die Situation an der kosovarisch-serbischen Grenze ist angespannt, einige Meldungen in Sozialen Medien stellten sich aber als pure Spekulation heraus. Um was es bei dem Grenzstreit geht, was die Beteiligten sagen und was in der Nacht auf Montag passiert ist.

Pristina/Belgrad, 01. August 2022 | Am Sonntag überschlugen sich Gerüchte, zunächst vorwiegend in Sozialen Medien, wonach serbische Kräfte die kosovarische Grenze überschritten hätten und Schüsse fielen. Auch von Luftalarm in Kosovo war die Rede. Schnell wurden Parallelen zur Ukraine gezogen, einige Profile streuten jedoch gezielt Desinformation.

Was ist passiert?

Fakt ist: Die Lage ist angespannt, das war sie aber auch schon zuvor. Hintergrund ist ein alter Grenz- und Einreisestreit, der sich derzeit wieder zuspitzt, weil der Kosovo ursprünglich ab Montag eine in Serbien umstrittene Richtlinie umsetzen wollte. Demnach wollte man Serben nur noch mit provisorischen Personaldokumenten einreisen lassen – eine Maßnahme, die auf Gegenseitigkeit beruht.

Im überwiegend serbisch bewohnten Nord-Kosovo reagierten militante serbische Gruppierungen am Sonntag mit einer Grenzblockade. Gerüchte von bewaffneten Grenzübertritten machten schnell die Runde, stellten sich allerdings als falsch heraus. Richtig ist: Es gab Luftalarm im Kosovo. Auch die Schüsse in Richtung kosovarische Polizisten fielen tatsächlich, allerdings gibt es laut Angaben der Behörden keine Verletzten.

Was sagt Kosovo?

Die kosovarische Regierung um den sozialdemokratischen Premier Albin Kurti verurteilte die Vorgänge und verschob die geplante Maßnahme um 30 Tage nach hinten. Man habe sich diesbezüglich vor allem mit dem US-Botschafter im Kosovo, Jeff Hovenier, abgestimmt. Aus dem Büro von Kurti heißt es gegenüber ZackZack, man habe eigentlich schon vor längerer Zeit angekündigt, dass „Reziprozität vis-a-vis Serbien“ eingeführt werden soll.

Kosovos Premier Albin Kurti bei einem ZackZack-Gespräch im November 2021. Bild: zVg/Kosovarische Regierung.

Heißt: Ab dem 1. August hätten serbische Staatsangehörige bei ihrer Einreise gleiche bürokratische Prozeduren (man bekommt ein Dokument ausgestellt, das besagt, man habe seinen eigentlichen Pass verloren) hinnehmen müssen wie kosovarische Staatsbürger bei Ein- oder Durchreise nach Serbien. Das sei „übrigens eine Maßnahme, die schon 2011 im Dialog vereinbart wurde, die wir aber nicht umgesetzt haben“, wird vonseiten der kosovarischen Regierung betont. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić wirft man Aufhetzung und gezielte Panikmache vor.

In der Nacht auf Montag habe Kosovos Premier Kurti dann zugestimmt, dass „falls Serbien die Blockaden entfernt, wir die Maßnahme um einen Monat verschieben, sodass sich alle Serben darauf vorbereiten können“, wie gegenüber ZackZack erklärt wird.

Was sagt Serbien?

In serbischen Medien wurde ordentlich getrommelt, beispielsweise war die Rede von „Kosovo bedroht Serbien mit Krieg“ oder gar von einem angeblichen Progrom. Politkreisen zufolge könnte die serbische Regierung das Spiel mit dem Feuer als Vorwand für die Stabilisierung der rechtsnationalen Ausrichtung des Vučić-Kabinetts nutzen. Serbiens Präsident beteuerte zwar, man wolle keinen Krieg.

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić bei einer Pressekonferenz mit Deutschlands Kanzler Olaf Scholz im Juni. Bild: APA Picturedesk.

Andererseits sei der Kosovo Vučićs Ansicht nach weiterhin „Teil Serbiens“. Schließlich goss er in seiner Rede an die Nation weiter Öl ins Feuer: „Das Regime in Pristina will sich zum Opfer stilisieren und die Putin-Karte spielen, mit Kurti in der Rolle des Selenskyj“, so Vučić, der mit Ungarns Viktor Orban als Putin-Brückenkopf in Europa gilt. Beide, Vučić und Orban, hatten sich erst vor wenigen Tagen getroffen, um die enge Zusammenarbeit bei verschiedenen Themen zu betonen.

In den Reihen der serbischen Regierung fiel gestern auch das Wort „Entnazifizierung“, ähnlich des russischen Kriegs-Vorwands in der Ukraine. In ukrainischen Medien wurde umfassend über die Ereignisse im Kosovo berichtet, Russland-nahe Internet-Trolle wiederum verbreiten schon länger Gerüchte rund um eine weitere „Befreiung“. Fragwürdig war auch ein Statement des serbischen Verteidigungsministeriums, das betonte, man sei „bis jetzt“ noch nicht über die Grenze marschiert.

Welche Rolle spielen USA, NATO, EU und Russland?

Die NATO ist seit Juni 1999 mit einer Friedensmission im Kosovo stationiert. Der fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte früher zu Serbien gehört, beanspruchte aber nach dem Krieg die Unabhängigkeit, die 2008 auch erklärt wurde. Serbien erkennt diese nicht an. International haben sich klare Fronten gebildet: Die USA unterstützen die Unabhängigkeit des Kosovo, während Russland dies nicht tut. China mischt im Hintergrund mit, Serbien nimmt die Hilfe gerne an.

Der Balkan gilt seit jeher als umkämpfte Puffer-Region, geopolitische Interessen spielen eine große Rolle inmitten der immer noch nicht aufgearbeiteten jüngeren Geschichte. Am Sonntag warf das russische Außenministerium dem Kosovo „Provokationen“ vor.

Vonseiten der NATO-Mission hieß es, man sei alarmiert und im Zweifel auch bereit zur Intervention, sollte die „Stabilität im Nord-Kosovo gefährdet werden“. Gleichzeitig unterstütze man den Normalisierungs-Prozess zwischen Serbien und Kosovo voll.

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell erklärte über Twitter, er erwarte, „dass alle Blockaden sofort entfernt werden“. Brüssel nehme eine Vermittlerrolle ein. Serbien und Kosovo wollen beide in die EU, könnten dies aber nur bei einer echten Normalisierung der bilateralen Beziehungen.

Serbien ist seit 2012 offizieller Beitrittskandidat, während sich der Kosovo bis Ende 2022 auf einen Beitrittsantrag vorbereitet. Innerhalb der EU gibt es für diesen Schritt breite Zustimmung, aber auch Skepsis. Gerade Spanien tritt beim Kosovo angesichts der Angst vor einer Unabhängigkeit Kataloniens auf die Bremse. Auf der anderen Seite gilt Serbiens Vučić, der bei den Konservativen mächtig lobbyiert, als trojanisches Pferd Wladimir Putins.

(wb)

Lesen Sie hier das große ZackZack-Interview mit Kosovos Premier Kurti vom November 2021.

Titelbild: APA Picturedesk

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16 Kommentare

  1. Und jetzt will auch noch die hysterische Pelosi in Taiwan landen. Ein absoluter Tabubruch. Russland und Iran haben sich bereits an die Seite Chinas gestellt.
    Das wird spannend, China, das Vorbild der totalen Kontrolle für unsere Mediendirnen, die USA, das moralisch überlegene Vorbild, das jedem die Demokratie aufbomben darf und dann noch Pelosi, die absolut heilige Kuh für jeden kommunistischen Fanatiker, der hinter jedem Eck einen Trump-Fan wähnt.

    China droht mit dem Abschuss des Pelosifliegers (wie schade), da es sich, aus der Sicht Chinas, um chinesisches Territorium handelt. Das US-Militär unternimmt so gut wie alles, um diese Landung zu verhindern.

    Die EU droht China bereits mit Sanktionen (was soll das sein? Importverbot für Apple-Handies und PCR-Tests?)

    Wir sind wohl weit näher am 3. Weltkrieg, als es zur Kubakrise war.

    • Wie kommen Sie auf “hysterisch”? Sobald solche abwertenden Beiwörter verwendet werden, weiß man, woher diese Postings kommen. Wieso nennen Sie nicht Vucic “hysterisch”? Denn der ist es wirklich. Im Dauersuff und daueraufgebracht krakeelt er die krudesten Bedrohungsbilder in die Welt.

      Wir sind im 3. Weltkrieg. Seit dem 24.2.2022. Seit der Invasion in die Ukraine. Und Sie stehen an der Seite der Feinde.

      • Also, wer nicht mit uns ist, ist gegen uns. Solch Unsinn kennt man aus vergangenen totalitären Regimen. Pelosi ist übrigens nicht nur hysterisch sondern eine wahnsinnige Psychopatin.

          • Wäre ich das, hätte ich längst das Gas vollständig abgedreht und würde zusehen, wie Europa geeint und solidarisch, mit wehenden Fahnen, unter dem Jubel der ehemaligen grünen Pazifisten, zurück in die Steinzeit marschiert.

            Offenbar hat der Vladimir mehr Mitleid mit den naiven Idioten in Europa als ich.

          • Was für ein toller Hecht Sie doch sind. Sie sollten aufpassen, dass Sie vor lauter Manieriertheit nicht baden gehen.

  2. Der Kosovo versteht sich als eigenes Land, daher sollte die kosovarische Regierung auch in der Lage sein kluge Entscheidungen zur eigenen Sicherheit zu treffen. Konflikte mit Serbien über Banalitäten wie Nummernschildern zu suchen, ist sicher keine.

    • Genau so ist es. Es soll eine neue Front über den Puppetstate Serbien aufgemacht werden, um es der NATO zu erschweren.

      Allerdings ist es im Kosovo anders, da dort die NATO bereits ist und Albanien ein NATO Land ist. Wenn Serbien den Kosovo angreift, tritt wahrscheinlich der Bündnisfall ein und es hagelt wieder Bomben auf Belgrad.

      • Es ist die selbe Taktik wie in Georgien, Molawien, Ukraine: Man bezahlt “Separatisten” und tut so als habe man nichts damit zu tun. Aufgabe der “Separatisten” ist es – mit Unterstützung des rus Militärgeheimdienstes – eine Region so zu destabilisieren, damit zumindest diese Region unregierbar wird.

        In den westlichen Demokratien wird die Strategie der Destabilisierung ebenso gefahren, jedoch nicht in Bezug auf ein Territorium. “Separatisten”, so sie auszumachen sind, werden aber unterstützt, um die Staaten zu destabilisieren (Beispiel Katalonien). Aber eine territoriale Abspaltungsidee geht in den westeuropäischen Staaten nicht auf. Darum versucht man dort, die Parlamente zu zerrütten. Was zum Beispiel in Österreich hervorragen gelang.

  3. Schlimm genug, dass da schon wieder gezündelt wird. Ich kann den Gegenzug vom Kosovo gut verstehen, schließlich praktiziert Serbien schon längst selbst das Spiel mit den Nummerntafeln. Man kann nur hoffen, dass die Lage dort nicht eskaliert. Was angesichts von KFOR-Soldaten auch nicht sehr wahrscheinlich is

  4. DANKE, dass ihr darüber berichtet @ZackZack
    FALEMINDERIT SHUME & MNOGO VAM HVALA!

    Das Problem heißt Serbianisation: https://en.wikipedia.org/wiki/Serbianisation

    Es begann schon unter Milosevic (der von Handke so abgefeiert wird) mit dem Völkermord an den Bosniaken in Srebrenica und dem Behandeln der AlbanerInnen als Second Class Citizens in Jugoslawien.

    Die Serben sagen bis heute Noz, Zica, Srebrenica bei Demonstrationen oder Fußballspielen. Es bedeutet auf Deutsch so viel wie Messer, Stacheldraht, Srebrenica und es reimt sich auf serbisch. Niemals hat man sich für Srebrenica entschuldigt bzw. es nicht einmal anerkannt. Man feiert einen Völkermord!

    Serbien ist zusammen mit Russland die Schande Europas.

    Bis heute bezeichnet man Bosniaken als “vertürkte” Serben (poturcili) und Kroaten als “verkatholizierte” Serben (pokatolicili).

    Alle sind Serben, Großserbien. Man sagt sogar Bog je Srbin (Gott ist ein Serbe).

    Serbien ist Russland in mini.

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