Die ukrainische Botschaft ist empört über eine dubiose Vortragsreihe bei der Wiener Polizei. Dort sollen Kreml-nahe Aktivisten russische Propaganda breitgetreten haben – unter dem Reiter „Fortbildung“.
Wien/Kiew/Moskau, 02. August 2022 | Äußerst dubiose Vorgänge in der Wiener Polizei: Ende Juni hat dort eine interne „Fortbildungsveranstaltung“ zur Ukraine stattgefunden. Ausgerichtet wurde diese vom sogenannten „Koordinationsrat der Organisation russische Landsleute“ (KSORS), der die Präsentationen am Montag teilweise auf Facebook veröffentlichte.
Dabei sind auch Thesen zu hören, die zur Rechtfertigung des Kriegs gegen die Ukraine verwendet werden. Bei ukrainischen Diplomaten in Wien sorgte diese Zusammenarbeit der Polizei mit dem Kreml-loyalen Verband für „riesige Empörung“.
Nationalismus der Anderen
Neben dem von der Polizei direkt eingeladenen Wiener Slawisten Alois Woldan traten zumindest drei vom „Koordinationsrat der Organisation russische Landsleute“ nominierte „Experten“ beim Seminar auf, das laut APA-Informationen am 29. Juni in der Landespolizeidirektion Wien am Schottenring stattfand.
Eine in der russischen Szene in Wien bekannte Aktivistin namens Jelena S., die sich nach 2014 mit „humanitären Lieferungen“ in de facto von Russland kontrollierte Teile der Ostukraine beschäftigt hatte, erläuterte etwa das angebliche Wesen des ukrainischen Nationalismus: Wie könne es sein, dass der ukrainische Staat andere ukrainische Städte unter russischer Besatzung bombardiere, fragte sie.
„Wenn man diese Theorien (aus den 1930ern, Anm.) genau betrachtet, dann sieht man, dass für ukrainische Nationalisten diese unüberzeugten Ukrainer vernichtet gehören, weil sie ihre ukrainische Herkunft nicht so wertschätzen wie sie müssen“, erläuterte die Aktivistin vor – laut dem Verband KSORS – „hochrangigen Vertretern der Polizei“.
Der Psychologe Dmitri K. setzte sich indes kritisch mit Kampagnen der ukrainischen Diaspora auseinander und sprach von Kommunikation mit der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). K. erkannte in ukrainischer Kritik an einem Plakat der Wirtschaftskammer Wien, auf denen ein russisch-ukrainisches Ehepaar gezeigt wurde, aber auch das „offene Auftauchen“ einer „Ideologie von Hass gegen die Russen oder totale Vernichtung“.
Empörung bei Ukraine-Diplomaten „riesig“
„Die Empörung ist riesig“, kommentierte gegenüber der APA am Dienstag ein Vertreter der ukrainischen Botschaft in Wien. Er klagte darüber, dass staatliche Institutionen in Österreich Russen die Gelegenheit gegeben hätten, Propaganda voranzutreiben. „Das sind Narrative, die die Legitimierung schaffen, Ukrainer zu töten“, erläuterte der Diplomat. Denn in dieser russischen Darstellung seien alle Ukrainer Nazis und müssten deshalb „denazifiert“ werden.
Um die Hintergründe des Seminars zu klären, suchte die ukrainische Botschaft laut APA-Informationen zudem Gespräche mit den zuständigen Behörden.
Die Bundespolizeidirektion Wien und das Innenministerium ließen schriftliche Anfragen am Dienstag laut APA zunächst unbeantwortet.
(red/apa)
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