Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat nach einer Sitzung eine Einschätzung zur wachsenden Bedrohung im russisch besetzten Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine ausgesprochen.
Wien, 12. August 2022 | Seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine sind Kernkraftwerke wiederholt zur Zielscheibe russischer Soldaten geworden. Dies stellt nicht nur für die Ukraine, sondern für ganz Europa eine große Bedrohung dar.
In den letzten Tagen wurde aus der Gegend um das größte Atomkraftwerk Europas, Saporischschja, zum zweiten Mal seit Kriegsbeginn heftiger Beschuss gemeldet. Aus diesem Anlass kam am Donnerstag nach Ansuchen Russlands der UN-Sicherheitsrat in New York zusammen.
Kein Rückzug der Truppen
Zwar stelle das mehrfach beschossene Kernkraftwerk derzeit noch kein Sicherheitsrisiko dar, berichtete der Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi. „Dies kann sich jedoch jederzeit ändern.“ Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja lehnte die Forderung der Demilitarisierung von UN-Generalsekretär António Guterres ab. Das mache das AKW anfällig für Provokationen und Terrorakte, sagte Nebensja.
Grossi forderte Moskau und Kiew vor dem Sicherheitsrat auf, einen Besuch internationaler Experten schnell zu ermöglichen. „Ich persönlich bin bereit, eine solche Mission zu leiten.“ Ohne physische Präsenz von Vertretern der IAEA könnten wichtige Fakten nicht zusammengetragen werden. Der russische UN-Botschafter sagte russische Unterstützung für den Besuch einer internationalen Expertenkommission in dem AKW zu. Er zog aber die Kiewer Bereitschaft in Zweifel, eine solche Mission zuzulassen. Laut dem russischen Botschafter gehe die aktuelle Gefahr von ukrainischen Soldaten aus.
Schlimmer als Tschernobyl
Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi einen sofortigen Abzug der russischen Truppen aus dem AKW gefordert und warf Moskau „nukleare Erpressung“ vor. „Niemand sonst hat ein Atomkraftwerk so offensichtlich benutzt, um die ganze Welt zu bedrohen und Bedingungen zu stellen.“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Selenskyj warnte, dass Russland eine nukleare Katastrophe mit schlimmeren Ausmaßen als Tschernobyl verursachen könnte.
Außerdem rief er alle Behördenvertreter zur Verschwiegenheit auf. Sie sollen sich mit Kommentaren zur militärischen Lage zurückhalten, um Operationen nicht zu gefährden. Selenskyj forderte weiter, die Welt solle sich dafür einsetzen, dass russische Truppen das AKW verlassen. Erst wenn die Ukraine Saporischschja wieder kontrolliere, sei die atomare Sicherheit für ganz Europa gegeben.
(nb/apa)
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