Samstag, April 20, 2024

Ausgerechnet: Teuerungslast gerecht verteilen – Übergewinne besteuern

Ausgerechnet:

Energiekonzerne verzeichnen Rekord-Gewinne, zulasten der Bevölkerung. Wie eine Übergewinnsteuer für eine gerechte Verteilung in der Teuerungskrise sorgen könnte.

Wien, 20. August 2022 |

Jakob Sturn

Im Juli veröffentlichten die heimischen Energiekonzerne OMV und Verbund ihre Quartalsergebnisse. Sie können sich über enorme Gewinnzuwächse freuen. Allein im ersten Halbjahr 2022 erzielte der Verbund einen Gewinn von EUR 933 Mio., das ist eine Steigerung von 152% gegenüber dem ersten Halbjahr 2021. Bei der OMV macht der Gewinn rund EUR 3,4 Mrd. aus, eine Steigerung von 105%. Nun lassen sich diese riesigen Übergewinne nicht auf kluge Investitionen zurückführen, sondern auf den Krieg in der Ukraine, den niemand vorhergesehen hat. Dieser verursacht weiterhin große Unsicherheiten auf den Rohstoffmärkten, das lässt die Preise steigen. Während also Österreichs Bevölkerung unter der ohnehin hohen Inflationsrate von aktuell 9,3 Prozent schnauft, erhöhen die Energiekonzerne ihre Preise immer weiter und profitieren so indirekt vom Krieg. Zuletzt bekräftigte Vizekanzler Kogler im ORF-Sommergespräch die Forderung nach einer Übergewinnsteuer. Konservative Kräfte bremsen jedoch und warnen vor negativen Folgen für den Wirtschaftsstandort. Einer Überprüfung halten die Argumente gegen eine Übergewinnsteuer jedoch nicht stand.

Während Gegner:innen der Übergewinnsteuer oft behaupten, dass zukünftige Investitionen aufgrund der nachträglichen eingeführten Sondergewinnsteuer nicht getätigt werden, ist das aus ökonomischer Sicht unwahrscheinlich. Unternehmen tätigen eine Investition, wenn sie sich davon in absehbarer Zeit eine gute Rendite erwarten. Weil Übergewinnsteuern aber ja nur auf Gewinne gelten, die als glücklicher Zufall den Energieriesen in den Schoß gefallen sind und nicht auf einer klugen Investition beruhen, bleibt die erwartete Investitionsrendite dieselbe. Eine nachträgliche Übergewinnsteuer spielt in der Investitionsrechnung der Unternehmen daher gar keine Rolle.

Ebenso unwahrscheinlich ist die Befürchtung, dass eine Übergewinnsteuer noch höhere Preise bewirkt. Unternehmen setzen ihre Preise so, dass sie gewinnmaximierend sind. Dabei wägen sie ab zwischen hohen Preisen, die nur wenige Menschen bereit sind zu zahlen und niedrigen Preisen, die weniger Gewinne bringen. Auch in dieser Abwägung spielt eine Übergewinnsteuer keine Rolle. Der Preis, der vor der Steuer zum höchsten Gewinn führte, tut dies nach der Steuer immer noch.

Auch allfällige Sorgen über das Aufspüren der Übergewinne sind unbegründet. Unternehmensgewinne unterliegen ohnehin der Körperschaftssteuer, Österreichs Finanzminister weiß sehr gut über die Gewinne der letzten Jahre Bescheid. Daraus lässt sich leicht ein Durchschnitt der vergangenen Jahre bilden und mit den aktuellen Rekordgewinnen vergleichen. Andere Staaten in Europa schöpfen die Übergewinne selbstverständlich ab. Griechenland etwa besteuert alle Übergewinne ihrer Energieerzeuger mit 90%.

Auch der Verwaltungsaufwand muss niemanden schrecken. Für Deutschland rechnete eine Stiftung vor, dass bis zu 100 Milliarden Euro an Steuereinnahmen durch eine Übergewinnsteuer machbar wären. Alles einfach weiterlaufen lassen, hat drastische Folgen: Die Rekordgewinne zahlen jetzt die Konsument:innen aller Einkommensschichten. Eine Teilzeit-Angestellte mit einem Monatseinkommen von 860 Euro ist heuer im Schnitt mit Mehrkosten von über 1.000 Euro konfrontiert. Das heißt die Teuerung kostet sie mehr als ein Monatseinkommen, größter Posten sind die gestiegenen Energiepreise. Auch wenn sich die Aktionär:innen der Energiekonzerne über fette Dividenden sicherlich freuen würden: Die Lasten der Teuerungskrise gehören gerecht verteilt.

Jakob Sturn ist Ökonom am Momentum Institut. Er arbeitet zur Frage, wie wir unsere Arbeitswelt fair gestalten können. Er schreibt und forscht zu Arbeitsmarkt, Löhne, Verteilung und Steuerpolitik. Volkswirtschaft hat er an der Wirtschaftsuniversität Wien und der University of Illinois studiert.

Titelbild: ZackZack

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20 Kommentare

  1. In der jetzigen Phase ist dies naturlich ein gehbarer Schritt.
    Im März herum hätten man den Fachleuten jedoch schon Platz bieten müssen. Da wären noch ganz andere Lösungen möglich gewesen.

    Wenn man zurück denkt, auch Schade um den schlechten Diskurs. Jeder der damals schon exakt diese Konsequenzen aufgezeigt hat war gleich ein rechtsradikaler Putinversteher.

    Persönlich glaube ich, dass mit der Abschöpfung von Übergewinnen die jetzigen Probleme nicht mehr gelöst werden können. Es ist einfach schon zu spät Vollstandigkeitshalber noch erwähnt, die Regierung ist nicht gewillt, Entlastungen umzusetzen.

  2. Wenn da jetzt nicht wirklich bald gegengesteuert wird, ist das schlicht als modernes “Raubrittertum” zu bezeichnen.

    Wenn der dafür hauptverantwortl. BMF Minister das als “unzulässigen Eingriff in den Markt” behindert, den “Wirtschaftsstandort” wieder als “gefährdet” darstellt, tut er nur seinen Job wie ihm vom internat. Großkapitalist:innen aufgetragen. Dies knüppelhart enttarnt mitsamt seinen anderen parteil. Gesinnungsmarionett:innen, den Modernisierungsverhinderern und Liberalitätsfeindlichen, die seit 3 Generationen schon in maßgeblichen Führungsstäben im Lande ihr (asoziales) Unwesen treiben.

    Zufall, dass eine Finanztransaktionssteuer jahrelang maßgeblich behindert wurde?

    Zufall, dass in diesem Zeitraum die entlohnte / verdiente reale Kaufkraft im Durchschnitt für Otto:ilie Normal signifikant sank?

    Zufall, dass es “ausgemusterte” Schergen cum potestate auffällig gehäuft in diese “Pleitenwettbüros” vulgo Hedgefonds wie selbstverständlich “schwemmt”?

    • Des weiteren wurde bereits von den ‘internat. Großkapitalist:innen’ in Auftrag gegeben, die Bevölkerung gefälligst länger barabern zu lassen, also keine Sorge, ‘Gegenmaßnahmen’ sind schon im Anrollen.

  3. Solche sinnvolle Überlegungen, Herr Sturn, gehen den Schwarzen UND den Grünen am A…. vorbei.

    Die machen einfach ein paar Pressekonferenzen, in denen von der eventuellen Möglichkeit solcher Massnahmen geschwafelt wird. Und damit hat es sich. Ernsthaft wird in dieser Causa nicht unternommen.

    Soll doch das Volk gefälligst die Zähne zusammen beissen – sagt auch der Bundespräsident!

  4. Lieber Herr Sturn, alles richtig und schön was Sie sagen. Leider sieht das herrschende und entscheidende Großkapital mit den ausführenden Politmarionetten die Sache etwas anders. Warum sollten die modernen Pharaonen uns Felachen Erleichterungen gewähren und Gerechtigkeit zukommen lassen?
    Trotzdem muss es heller werden!

  5. Systemkritische Infrastruktur und Betriebe hätten nie privatisiert werden dürfen.
    Was macht einen Staat aus?
    Welche Möglichkeiten haben Politiker heute noch, etwas zu entscheiden?

    Das der freie Markt nicht funktioniert, sollte auch jeden mittlerweilen klar sein.

    Für immer Gewaltfrei

    • Genau das fordert die neue MFG. Gesundheitswesen, Bildung, Universitäten, Grundversorgung, Post etc., service public, das alles darf nicht unter Gewinnabsichten betrieben werden. Altersheime, Pflegeheime, das alles muss dem Gemeinwesen gehören, nicht profitorientierten Aktionärsgesellschaften. Auch die Energieversorgung. Für die Privatwirtschaft bleibt dann immer noch genug übrig.

  6. Zwei Drittel der Österreicher*innen sprechen sich lt. einer aktuellen Umfrage für eine Sondersteuer auf Krisengewinne aus. 66 % meinen, die hohen Erträge, die Energieunternehmen infolge der Inflation erzielen, sollten abgeschöpft und für den Kampf gegen die Teuerung eingesetzt werden.

    „Das kommt nicht“, meint Finanzminister Magnus Brunner im „profil“-Interview. Eine „Windfall-Profit-Tax“, argumentiert Brunner, wäre ein zu großer Markteingriff, eine Art „Bestrafung“.

    Das ist natürlich die übliche neoliberale Argumentation und nonsens.

    Aktuell haben Italien, Großbritannien oder Ungarn bereits „Übergewinnsteuern“ für Energiekonzerne eingeführt. Spanien plant eine befristete Sondersteuer für Banken und Energiekonzerne. Debatten darüber gibt es auch in Deutschland und den USA.

    Bei uns aber wird das nicht kommen. Die ÖVP wird das zu verhindern wissen.

    https://www.hagerhard.at/echt-rot/2022/08/finde-den-fehler/

  7. Ich bin sehr dafür, dass die die den meisten Reibach ham, in Relation auch mehr mit der Teuerung belastet werden …
    \daydream off …

  8. Ganz so einfach wie sich der Herr Sturn das vorstellt, ist es auch wieder nicht. Die Definition des Übergewinnes “glücklicher Zufall den Energieriesen in den Schoß gefallen sind und nicht auf einer klugen Investition beruhen” lässt schon mal vieles zu. Was ist glücklicher Zufall, was kluge Investition?
    Ist eine Pandemie ein “glücklicher Zufall”? Dann muss auch Pfizer, Microsoft etc. nach den neuen Kriterien versteuert werden, da riesige Übergewinne entstanden sind.
    Dann ergibt sich weiter das Problem des Vergleiches mit den Vorjahren. Was aber, wenn die Vorjahre aus unglücklichen Zufällen oder falschen Investitionen besonders schlecht oder negativ waren? Und was passiert, wenn es gar keine Vorjahre gibt die man vergleichen kann, weil Firmen neu gegründet werden können. Was wenn Holdings gebildet werden, in denen man beliebig Kapital hin und her schieben kann.
    Wir kennen die Tricks der grossen Konzerne, die keinen Euro Steuern zahlen hierzulande.

    • Der Ausbau von Wasserkraft und Erneuerbaren war, die Energieversorger betreffend, eine kluge Investition und der Krieg in der Ukraine und die in Folge dessen gestiegenen Gaspreise fallen unter “in den Schoß gefallen” Alles klar? Und was verstehen sie unter “unglücklichen Zufällen und falschen Investitionen” in Bezug auf die Stromgewinnung? Einen falsch positionierten Masten?

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