Skylla & Charybdis
Die Kolumne von Julya Rabinowich: Heute über einen grünen Abgeordneten, der das Wahlvolk offenbar für nicht dankbar genug befand.
Wien, 20. August 2022 |
Julya Rabinowich
Ich persönlich habe lange darauf gewartet, dass grüne Politikerinnen und Politiker die verstörend kuschelige Contenance endlich verlieren. Wenigstens auf Twitter! Man soll sich aber besser gut überlegen, was man sich so wünscht. Da platzt dem grünen Abgeordneten und Rechtsanwalt Georg Bürstmayr endlich der Kragen. Aber: Es ging gar nicht um Moria, nicht um illegale Pushbacks, es ging nicht um den Fall Tina, es ging nicht darum, dass die ÖVP wieder ihr Lieblingswahlkampfpferdchen, besser gesagt Sündenböckchen wieder entmottet: die Gefahr, die von der Balkanroute eini zieht, die Asylsuchenden und Vertriebenen, kurz die, die so nützlich waren -immer für FPÖ und nunmehr auch ÖVP, die sich kaum noch unterscheidet, bis auf besseres Ibizieren vielleicht. Um das alles ging es nicht.
Es ging darum, dass der Abgeordnete das Wahlvolk offenbar für nicht dankbar genug befand. Zur Verlautbarung dieser Unzufriedenheit mit dem unzufriedenen Volk wählte er die Form der Satire, genau genommen Monty Python, noch genauer genommen das Leben des Brian. Und aus allen Szenen, die Brians Leben geboten hätte, wählte er diese eine, die mit den Römern. „Was haben die Römer für uns getan?“ Und dann kommt nach und nach zur Diskussion, was diese Römer denn nicht eigentlich Wunderbares für das besetzte Judäa getan hätten. Kurzum, es führt die Befreiungsfront und ihre Kritik an der Besetzung vor. Nur dass in Bürstmayrs Fall nicht die Römer, sondern die Grünen abgefragt werden.
Dieser Tweet ist in mehrfacher Hinsicht daneben. Abgesehen von der Tatsache, dass ein Teil der Bevölkerung- und zwar kein kleiner- an begründeten Existenzängsten leidet und ein weiterer Teil bereits so verarmt ist, dass Sozialmärkte und die Tafel lange Warteschlangen abfertigen und sogar Menschen wegschicken müssen, was dafür spricht, dass es dem Land vielleicht nicht so gesalbt geht wie Herr Bürstmayr vermitteln möchte. Abgesehen von der Tatsache, dass sich die Empörung an die Leidtragenden der Koalitionspolitik richtet, und nicht an die zahlreichen und empörenden Skandale dieser Koalition und ihre Verursachenden. Herr Bürstmayr wähnt sich offenbar immer noch auf Seiten der Machtlosen, der Opposition und der Regierten, nicht der Mächtigen und Regierenden (ein Blick auf seinen Gehaltszettel könnte helfen, sich ergebnisorientiert neu zu verorten).
Ihnen, den Nichtmächtigen, obliegt die Macht der Satire, der Zuspitzung und Übertreibung, Satire zielt von unten nach oben und niemals umgekehrt, denn Oben hat keine Satire nötig, Oben hat bereits Macht. Davon abgesehen- was vermittelt das Bild der lächerlichen Volksfront? Dass die Besatzer eigentlich nur Gutes tun und Kritik an ihnen obsolet ist. Es mutet seltsam an, dass ein Menschenrechtsanwalt und Nationalratsabgeordneter sich und seine Partei als erfolgreiche Besatzer eines Landes vorführt. Im Laufe dieser Koalition ist aber „seltsam“ ein dehnbarer Begriff geworden. Wir werden uns nicht wundern.
Titelbild: ZackZack