Montag, September 9, 2024

Der Froschkönig

Die ÖVP hat aus der politischen Landschaft Österreichs einen Sumpf gemacht. Von Wolfgang Schüssel bis Sebastian Kurz wird das zum großen Erbe der ÖVP werden. Als vielleicht letzter Froschkönig sitzt Karl Nehammer am Sumpfrand und quakt seiner Partei Mut zu.

 

Wien, 21. August 2022  Die politische Landschaft hat sich verändert. Wo es früher Berge und Täler, Wälder und Wiesen und dazwischen ein paar Seen gegeben hat, erstreckt sich heute ein Sumpf. Das Sumpfleben ist eintönig. Die Frösche quaken in Chören. Ab und zu steigt eine Sumpfblase auf. Die Frösche werden weniger, aber die Sumpfblasen immer größer. An der Oberfläche platzen sie. Dann stinkt es.

Stehendes Wasser über stark verschlammten Böden hat zwei Möglichkeiten: Es baut Torf auf und wird zum Moor. Oder es zersetzt jede organische Substanz und wird zum Sumpf. Die ÖVP ist die Partei der organischen Zersetzung.

Der Wiensumpf

Das Land, in dem die Versumpfung Österreichs begonnen hat, ist Niederösterreich. Der verschlammte Boden besteht aus einer dicken, undurchdringlichen Schicht von Parteibüchern. Die schwarze Grundfarbe verdankt der Sumpf den Büchern, auf denen meist „ÖAAB“, oft „Bauernbund“ und dazwischen immer wieder „Seniorenbund“ und „Wirtschaftsbund“ steht.

Ständig werden neue Bücher eingeleitet, weil die Partei seit dem Sumpf-Wendejahr 2000 aggressiv alle trockenen Lebensräume angreift. Damals hat die Versumpfung des Wiener Regierungsbezirks begonnen. Das Innenministerium mit Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz ist als erstes verschlammt und zersetzt worden. Finanzministerium, Justizministerium und Oberstaatsanwaltschaft Wien haben bald darauf zu stinken begonnen.

Im Wiensumpf verfaulen Korruptionsverfahren gegen Parteifreunde und Spender. Das Eurofighter-Verfahren ist mitsamt Tonnen an Beweisen ebenso in den Sumpf gekippt worden wie die Verfahren gegen Spender, die Sumpfabschnitte zu Immobilien und damit Dreck zu Geld machen.

Die Sumpfregel

An den Rändern des schwarzen Zentralsumpfs sind in den letzten Jahren neue, große Biotope dazugewachsen. Der Inseratensumpf schimmert tief türkis. Aber sachkundig angelegte neue Sümpfe wie der COFAG-Sumpf und der Beratersumpf zeigen, dass hier erstmals eine ökologisch versierte Hand mit am Werk ist. Der Sumpf ist rund um die Uhr mit Öffis erreichbar, und die Aufträge, die in den türkis-grünen Sumpf gekippt werden, belasten an Stelle der Ozonschicht nur noch das Budget.

Die Entstehung neuer Sümpfe folgt längst einer Regel. Wo ein Problem auftritt, entsteht ein Sumpf. COVID kommt – der Ischgl-Sumpf entsteht. COVID bleibt – der Maskensumpf schwillt an. COVID bedroht die Betriebe – der COFAG-Sumpf übersät das Land mit Blasen.

Sumpfgebrüll

Die Frösche, die die Sümpfe bevölkern, tun das, wozu sie geschaffen wurden: Sie quaken. Der große Ochsenfrosch quakt, dass die Sumpfqualität noch nie so gut gewesen sei. Sein Vizefrosch assistiert: „Sauberer Schlamm, sauberer Sumpf!“ Alle anderen quaken mit.

Der Sumpf greift Inseln an. Ruhig verzehrend kriechen seine fauligen Wasser in das benachbarte trockene Gebiet. Aber immer öfter schwillt das Quaken der Parteifrösche zum Sumpfgebrüll an. Dann kann man sicher sein, dass es Inselalarm gibt. Zuletzt war das 2019 der Fall, als das Drainage-Warnsystem der ÖVP die WKStA ausmachte. In solchen Momenten geht es um viel: Wenn die Drainage-Rohre einmal im Boden sind, wird dem Sumpf das Faulwasser abgesaugt.

2019 war es knapp. Mit allen Kräften stürzte sich die ÖVP auf die Insel, vergeblich. Die WKStA ist nicht unterspült und gesumpft worden. Seitdem bedroht ein Froschsterben die ÖVP. Aber ihr tierschützender Partner wird nicht zulassen, dass mit den türkis-schwarzen Sumpffröschen eine ganze Art gefährdet wird.

Pioniere der Versumpfung

„Das machen doch alle, die Roten doch genauso wie die Schwarzen.“ So lautet die „Volksmeinung“. Sie ist falsch. In den Zeiten der SPÖ-Kanzler gab es Korruption, immer wieder und immer öfter weit oben. Aber die Sümpfe waren wie Inseln in einem Land, das weitgehend trocken war. Große Bereiche der Verwaltung waren oft langsam, aber selten korrupt. Erst mit Wolfgang Schüssel und Karl Heinz Grasser wurde alles anders. Sie waren die Pioniere der Generalversumpfung, deren Meister Sebastian Kurz werden sollte.

Heute ist Karl Nehammer der Froschkönig. Aber eines steht fest: Wenn er geküsst wird, wandelt er sich nicht zum Prinzen. Er wird dann möglichweise eine Fahne haben. Sonst nichts.

Putin-Frosch?

Nachtrag um 10.20 Uhr: Laut „Österreich“ will Nehammer jetzt die Putin-Sanktionen „überprüfen lassen“. Ziel sei „zu überprüfen, ob die Sanktionen nicht uns mehr schaden als Russland“. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Das ist eine „Österreich“-Ente. Oder 2. Nehammer ist ein Putin-Frosch.

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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