Das ist eine Unterüberschrift
Bei einem Seminar zu den Ursachen des Ukrainekriegs ließ die Wiener Polizei pro-russische Vortragende sprechen. Der ukrainische Botschafter verlangte eine Entschuldigung. Der Wiener Polizeipräsident verweigert diese.
Wien, 26. August 2022 | Anfang August sorgten Details über ein internes Seminar der Wiener Polizei für öffentliches Aufsehen. Bei der Veranstaltung Ende Juni unter dem Titel “Ukraine – Im Fokus unterschiedlicher Perspektiven” trugen verschiedene Vortragende zum Krieg in der Ukraine und dessen Ursachen vor. Der große Kritikpunkt: Unter den Vortragenden waren zwei Expertinnen und ein Experte, die der Kreml-loyale “Koordinationsrat der Organisation russische Landsleute” (KSORS) nominiert hatte.
Die Wiener Polizei ist sich der Problematik nicht bewusst. In einer Stellungnahme vom 3. August, in der sie auf die Vorwürfe reagierte, sie habe damit russischer Propaganda eine Bühne geboten, bezeichnete sie das Seminar als Diskussionsveranstaltung, bei der pro-ukrainische und pro-russische Sichtweisen vorgetragen wurden. Die Ursache des Krieges in der Ukraine liegt jedoch klar beim Angreifer Russland und dürfte damit eigentlich nicht zur Diskussion stehen.
Es handelte sich vielmehr um eine Diskussionsveranstaltung, bei der durch verschiedene Vortragende unterschiedliche Zugänge zum Ukrainekrieg und dessen Ursachen präsentiert wurden, sowohl aus pro-ukrainischer als auch aus pro-russischer Sichtweise. (5/6)
— POLIZEI WIEN (@LPDWien) August 3, 2022
Ukrainischer Botschafter entsetzt
Der Ukrainische Botschafter Wassyl Chymynez hatte am 4. August einen Brief an den Wiener Landespolizeipräsidenten Gerhard Pürstl geschrieben und darin das “Erstaunen und Entsetzen” der ukrainischen Botschaft darüber zum Ausdruck gebracht, dass “in der Landespolizeidirektion Wien eine Gruppe von pro-russischen Aktivisten ihre menschenfeindlichen, verzerrten und höchst manipulativen Argumentation” habe verbreiten können.
“Dabei wurden auch ‘Rechtfertigungen’ für Kriegsverbrechen und Gräueltaten, die vom russischen Militär gegen das ukrainische Volk verübt wurden, präsentiert”, hatte der Botschafter geklagt und von der Notwendigkeit einer öffentlichen Entschuldigung seitens der Landespolizeidirektion Wien geschrieben. Damit sollte laut dem ukrainischen Gesandten vermieden werden, dass die Wiener Polizei selbst in die Geiselhaft der russischen Propaganda gerate.
KSORS hatte nach der Polizei-Veranstaltung einen Video-Zusammenschnitt auf Facebook veröffentlicht, mittlerweile wurde er gelöscht. “Das sind Narrative, die die Legitimierung schaffen, Ukrainer zu töten”, hatte ein Diplomat die Auftritte kommentiert.
Pürstl pocht auf Meinungsfreiheit
Von einer Entschuldigung will die Wiener Polizei jedoch weiterhin nichts wissen. In einer schriftlichen Antwort vom 17. August übte der Wiener Polizeichef keine inhaltliche Kritik an Aussagen der pro-russischen Experten. Er rechtfertige die Veranstaltung mit den Worten: “Die Informationsveranstaltung, die den Dialog mit den in Österreich lebenden Menschen sucht, sollte im Rahmen der in Österreich geltenden Meinungsfreiheit ihre Sichtweisen subjektiv darstellen.”
Er warf dem Botschafter außerdem noch vor, falsch informiert zu sein und wiederholte die Erklärung aus der Stellungnahme seiner Behörde vom 3. August: Die Veranstaltung habe im Zuge der kriminalpräventiven Veranstaltungsreihe “Sicherheit und Polizei” stattgefunden. Hier würden Fremde aufgeklärt und informiert, die Kompetenz von Polizistinnen und Polizisten erweitert sowie die Kommunikation zwischen gesellschaftlichen Gruppen in Österreich gefördert, schrieb er. Bereits zuvor seien von der Wiener Polizei Syrien, Irak, Afghanistan und der arabische Raum ebenso “mehrperspektivisch” beleuchtet worden.
Bundespolizeidirektor offenbar anderer Meinung
Botschafter Chymynez hatte nach einem “sehr konstruktiven Gespräch” mit Bundespolizeidirektor Michael Takács Anfang August gegenüber der APA erklärt, dass dieser ihm gegenüber in Bezug auf die Veranstaltung die Einleitung von Schritten angekündigt habe, damit “so etwas” in Zukunft nicht mehr passieren werde.
(apa/sm)
Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com