Kommentar
Warum hat Österreich keinen Sicherheitsschirm für Energieversorger? Ist Stadtrat Hanke der Wiener Sobotka? Und warum ersetzt bei uns der schwarze Feitel den runden Tisch? Das fragt Peter Pilz anlässlich Wien Energie-Krise.
Peter Pilz
Wien, 30. August 2022. „Das kann für Unternehmen zu einem Liquiditätsproblem werden – sie haben im Zweifel auch bei insgesamt guter Aufstellung nicht die Mittel parat, um diese Marginings zu leisten.“ So bergründete der Wirtschaftsminister im Juni 2022 das Milliardenpaket der Regierung, das die Finanzierung von Sicherheitsleistungen der Energieversoger sicherstellen sollte. Der Finanzminister assistierte: „Wir greifen den Unternehmen unter die Arme, die ohne eigenes Zutun aufgrund der extremen Entwicklung an den Energiemärkten in vorübergehende Finanzierungsschwierigkeiten geraten sind.“
Der Wirtschaftsminister heißt Robert Habeck und kommt von den Grünen, Finanzminister Christian Lindner kommt von der liberalen FDP. Wie andere EU-Staaten hat auch Deutschland rechtzeitig einen Schutzschirm für seine Energieversorger aufgespannt.
Bettler beim Finanzminister
In Österreich ist das anders. Nehammer, Gewessler und Brunner haben im Gegensatz zu Scholz, Habeck und Lindner nichts getan. Damit war zu rechnen. Jetzt steht Wien dort, wo es die ÖVP schon lange haben will: als Bettler am Portal des Finanzministeriums.
Dabei ist die Stadt Wien zumindest diesmal nicht das arglose Opfer türkiser Dolche, wie es die wenigen, die derzeit zur Verteidigung der SPÖ ausrücken, suggerieren. Auch Wien hat sich nicht rechtzeitig um Sicherheit gesorgt. Zwei Tage nach dem Ausbruch der Wien-Energie-Krise können Bürgermeister und Finanzstadtrat immer noch nicht plausibel erklären, was passiert ist. Und den seltsamen „Energiegipfel“, den Karl Nehammer am Sonntagabend im Bundeskanzleramt zelebrierte, schwänzten Ludwig und Hanke gemeinsam.
Wahrscheinlich wird in den nächsten Tagen geklärt werden, ob Wien verantwortungsbewusst gehandelt hat oder Stadtrat Peter Hanke in wirtschaftlicher Hinsicht die Wiener Ausgabe von Wolfgang Sobotka ist. Wir werden auch erfahren, warum die Regierung auf die rechtzeitige Öffnung des Schutzschirms gepfiffen hat. Und Pamela Rendi-Wagner wird uns berichten, wie genau sie ihre Wiener Parteifreunde vor ihrem Sommergespräch über die Margin-Milliarden informiert haben.
Schwarzer Feitel gegen rote Stadt?
Aber das ändert nichts an dem, was uns von der deutschen Politik unterscheidet. Seit Jahren gibt es ein destruktives Muster der Innenpolitik: Eine Gefahr droht, die ÖVP zieht den Feitel aus der Tasche und sucht den Rücken der Stadt Wien. Karl Nehammer hat ganze Sommerlöcher mit Wien-Bashing gefüllt. Bei COVID hat der tiefe Graben zwischen dem roten Wien und dem schwarzen Bund die Zusammenarbeit schwer gemacht. Jetzt geht das in der Energiekosten-Krise wieder los.
Egal ob Masken und Quarantäne oder Margin Calls und Sicherung der Energieversorgung – wo andere runde Tische aufstellen, wird bei uns zugestochen. Damit steht das Hauptergebnis fest: Am Ende teilen sich Energiekunden und Steuerzahler die Rechnung.
Titelbild: APA/HANS PUNZ/picturedesk.com