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»Skandal«, der keiner ist? Was zum Wien-Energie-Aufreger bisher bekannt ist

Was zum Wien Energie-Aufreger bisher bekannt ist

Was durch die Medienlandschaft als »Fiasko«, »Skandal« oder »Spekulation« geistert, ist laut Expertenrunde im ORF eigentlich ein normaler Geschäftsvorgang. Wir fassen die Wortmeldungen zur Wien Energie zusammen.

Wien, 31. August 2022 | Die Wien Energie dominiert derzeit die nationale Berichterstattung. Der finanzielle Hilferuf des hauptstädtischen Energieversorgers machte als „Pleite“, „Super-GAU“, „Fiasko“, „Skandal“, verantwortungsloses „Spekulieren“ oder „Jonglieren mit Steuergeld“ die Runde. Nach Einschätzung führender Wirtschafts- und Energieexperten Österreichs, die am Dienstagabend am Runden Tisch im ORF teilnahmen, könnte sich das alles als falsch herausstellen.

„Satter Gewinn“ statt Verlust

Energie-Analyst Johannes Benigni etwa lehnte sich am weitesten aus dem Fenster und sprach gar von einem „satten Gewinn“, der am Ende in den Büchern der Wien Energie stehen könnte. Nämlich dann, wenn das Geld, das jetzt für Absicherungen für zukünftige Geschäfte gebraucht werde, zurückgezahlt werde. Eine Absage erteilt Benigni auch allen, die im Zusammenhang des Wien-Energie-Wirrwars von „Spekulation“ sprechen. Denn eine Spekulation hieße: „Ich erhöhe das Risiko.“

Das habe die Wien Energie aber nicht getan. Absicherungen sind bei Börsengeschäften eine Selbstverständlichkeit. Benigni betont abschließend, dass der Handel auf der Börse sicherer und weniger spekulativ sei, als der direkte Handel zwischen Unternehmen oder Staaten. Dass Wien Energie nun Geld brauche, liege am unsicheren Energiemarkt und den sprunghaft ansteigenden Preisen.

Von „ganz normal“ bis „wundert mich sehr“

Die sonst eher SPÖ-skeptische Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria, Monika Köppl-Turyna, sprach von einer Liquiditätsunterstützung, die die Wien Energie nun brauche, nicht aber von Verlust. Das Geld, das jetzt gebraucht werde, sollte eigentlich wieder zurückkommen. Köppl-Turyna unterstrich außerdem, dass es völlig normal sei, Gas einzukaufen und Strom zu verkaufen.

In denselben Tenor stimmte Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Österreich Energie, ein. Es sei gerade für Unternehmen, die auf Gas angewiesen sind, normal, dass an der Börse gekauft und verkauft wird.

Michael Böheim vom WIFO wunderte sich dagegen sehr, dass die Wien Energie Geschäfte mit so langer Laufzeit abschloss. Wien Energie-Aufsichtsrat Peter Weinelt konterte, man habe die Geschäfte vor dem Ukraine-Krieg abgeschlossen, den man nicht gesehen habe. Dass man laut Weinelt im Winter Strom verkaufen muss, sorgte auch bei Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister für Skepsis:

ÖVP-Freude über Wien-Unglück

Bei der ÖVP war man bemüht, die Causa möglichst breitzutreten. So sprach Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in der “ZIB2” von Spekulation, konnte die genaue Lage jedoch auf mehrmalige Nachfrage Armins Wolfs „nicht beurteilen“. Auch ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner thematisierte den „Wien Energie-Skandal“ auf Twitter ausführlich und griff dabei auch den Koalitionspartner der Wiener SPÖ, NEOS, direkt an.

Negative Stimmung

Die Sympathien für die Wien Energie halten sich in ganz Österreich trotzdem in Grenzen, wirft man einen Blick in die Online-Kommentarspalten oder Tageszeitungen. Der mediale Schaden ist aufgrund der skandalisierenden Berichterstattung angerichtet. Während Peter Filzmaier trotz fehlender Umfragen in der “Krone” bereits über einen totalen Absturz der Wiener SPÖ informiert sein will und laut derzeitigem Informationsstand falsche Anschuldigungen gegenüber der Wien Energie in den Raum stellt, liegt der Zorn gegenüber dem Energieträger beim Durchforsten der Kommentarfelder und den Reaktionen auf der Straße oft woanders: Bei der außergewöhnlich hohen Stromrechnung. Die gibt es derzeit freilich überall.

(dp)

Titelbild: Screenshot ZackZack

Autor

  • DanielPilz

    Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.

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