Freitag, April 19, 2024

Strompreisdeckel für Privathaushalte – Kritik an Treffsicherheit und Finanzierung

Kritik an Treffsicherheit und Finanzierung

Erste Details zum Strompreisdeckel sind bekannt geworden. Private Haushalte werden entlastet, Experten kritisieren die schwache soziale Treffsicherheit.

Wien, 5. September 2022 | Die Regierung hat sich laut „Ö1-Morgenjournal“ auf einen Strompreiskostendeckel für private Haushalte geeinigt. Die ursprünglich bereits für August angekündigte Entlastungsmaßnahme kommt somit mit einigen Tagen Verspätung.

Entlastung bei Stromrechnung

Details sind auch am Montagvormittag erst wenige bekannt. „Ö1“ zufolge soll ab Dezember der durchschnittliche jährliche Stromgrundbedarf einer dreiköpfigen Familie, 2.900 Kilowattstunden (kWh), vom Staat gefördert werden. Die Kosten für Strom könnten sich für private Haushalte dadurch um rund 70 Prozent senken. Für Strom soll bis zu 2.900 kWh nur noch maximal 10 Cent pro kWh bezahlt werden, berichtet die “ZIB”. Nach Angaben des Ministeriums sparen sich Haushalte dadurch in etwa 500 Euro pro Jahr.

Auf ZackZack-Anfrage heißt es aus dem Klima- und Umweltschutzministerium: „Die Strompreisbremse wird am Mittwoch im Ministerrat beschlossen. Sie ist für 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs eines Haushalts wirksam und dämpft den Kostenanstieg massiv. Für den Verbrauch über 2.900 kWh hinaus muss der Marktpreis bezahlt werden. Dadurch wird auch ein Anreiz zum Stromsparen gesetzt.“

Experten skeptisch

Mit der Maßnahme werden kleine Haushalte stärker unterstützt, da sie im Normalfall weniger Strom verbrauchen als größere Familien. Verbraucht ein Vier-Personen-Haushalt etwa häufiger mehr als 2.900 kWh, schafft das eine einzelne Person, oder ein kinderloses Paar deutlich schwerer. Experten kritisieren daher schon im Vorfeld die Treffsicherheit der geplanten Maßnahme. So etwa Eco Austria-Direktorin Monika Köppl-Turyna, die das Paket in der “ZIB” am Sonntag „nicht wirklich sozial treffsicher“ nannte und monierte, dass es „wenig Anreiz bietet Strom zu sparen“.

Die Arbeiterkammer zeigte sich im ZackZack-Gespräch zwar grundsätzlich zufrieden, dass eine Entlastung geplant ist. Sie pocht aber auf eine noch größere Unterstützung für Geringverdiener, da die „Leistbarkeit von Energie garantiert sein muss“. Das würde auch die soziale Treffsicherheit erhöhen. Außerdem müsse eine Ausweitung der Preisbremse auf Erdgas beschlossen werden, um auch die durch Gasheizungen verursachte Kostenexplosion abzufedern. Bei der Arbeiterkammer wünscht man sich außerdem eine Abschöpfung von Übergewinnen bei Energiekonzernen, um die Maßnahme zu finanzieren und die Steuerzahler nicht noch weiter zu belasten.

Das fordern auch zahlreiche Twitter-User, die sich darüber beschweren, dass der Steuerzahler die hohen Zufallsgewinne von Energiekonzernen dadurch unterstützt.

Opposition schäumt

Bei der SPÖ stößt die Maßnahme auf wenig Gegenliebe. Der stellvertretende Klubobmann Jörg Leichtfried befindet die Regierung für „weder fähig noch willens, den Menschen und unserem Land in dieser Krise wirksam und nachhaltig zu helfen. Die jetzt angekündigte finanzielle Unterstützung wird erst im Winter greifen und ist überdies viel zu wenig.“

FPÖ-Chef Kickl fordert neben einem Ende der Russland-Sanktionen tiefgreifendere Maßnahmen. Die jetzige Hilfe „beschränkt sich auf eine halbherzige Symptombekämpfung und verteilt wieder einmal ‚Gutscheine‘ wie Almosen, deren Effekt blitzschnell verpufft. Insgesamt kommen die Österreicher doppelt zum Handkuss: Sie zahlen weiterhin durch die Teuerung drauf, die bei mehr als neun Prozent liegt, und die sogenannte ‚Strompreisbremse‘ finanzieren sie sich die Steuerzahler ja auch selbst.“

Die NEOS kritisieren das lange Zögern der Regierung und die Treffsicherheit der Maßnahme: „Ein Konzept für eine ordentliche Strompreisbremse ist seit Tagen überfällig. ÖVP und Grüne haben wieder einmal zu lange abgewartet, um sich dann auf etwas zu einigen, das weder die richtigen Energiesparanreize schafft noch in irgendeiner Art und Weise treffsicher ist. Stattdessen packt die Bundesregierung erneut die Gießkanne aus“, so Energiesprecherin Karin Doppelbauer.

Wärmepumpe “bestraft”?

Eifrig diskutiert wurde in den sozialen Netzwerken auch ein etwaiger Nachteil für Personen, die mittels Wärmepumpe, also Strom, heizen. Auch das E-Auto dürfte sich bei diesen Strompreisen nicht rentieren, so die Angst.

Aus dem Ministerium heißt es dazu: „Klar ist auch, dass Haushalte, die mit einer Wärmepumpe heizen, durch die hohen Kosten stark belastet sind – so wie auch Haushalte, die mit Gas, Fernwärme oder Pellets heizen. Denn auch dort sind die Preise massiv gestiegen. Im Sinne der Gleichbehandlung ist es nicht möglich, einer einzelnen Gruppe eine Heizkostenunterstützung zu gewähren, während andere die Preissteigerungen selbst tragen müssen. Die Bundesregierung fördert mit der Stromkostenbremse den Grundbedarf an Strom, die Frage der Heizkostenzuschüsse wird in einem nächsten Schritt bearbeitet.”

Deutschland plant Preisdeckel und Gewinnabschöpfung

Die deutsche Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP stellte am Sonntag ihr drittes Entlastungspaket vor. Es soll 65 Milliarden Euro kosten und Einmalzahlungen, erhöhte Sozialhilfeleistungen und einen Strompreisdeckel beinhalten. Eingeführt wird außerdem eine Sonderabgabe für „Zufallsgewinne“ von Energiekonzernen, um den Staatshaushalt nicht übermäßig zu belasten.

Update: Der Artikel wurde um 13:52 um Beiträge der Opposition und einer Antwort aus dem BMK ergänzt.

(dp)

Titelbild: ZackZack / Christopher Glanzl

DanielPilz
DanielPilz
Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.
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35 Kommentare

  1. Zur Abstimmung über den 500 Euro Bonus – ist noch nicht gekommen und ist bereits ausgegeben …. nichts da mit sparen oder etwas schönes kaufen. Ja vielleicht bleibt was übrig für einen Blumenstrauß, ein Buch oder eine Flasche Wein – ich denke da an das letzte Buch von Fred Vargas…

    • also ich nehm den extra 500er und geb ihn für blödsinn auf den malediven aus

  2. Ich mach jetzt eine Prognose: Nordstream 2 geht noch vor Weihnachten auf. Oder in Deutschland ist Bürgerkrieg.

  3. Wo ist da der Deckel? Energieunternehmen dürfen nach wie vor Phantasiepreise verlangen sind Defacto in einem Kartell mit staatlicher Unterstützung und werden vom Steuersklaven finanziert wenn das Hasardieren in die Hose geht, es kommen Vergleiche zu den Banken auf To Big To Fall? Treffsicherheit war noch nie das Ziel einer ReGIERung, das Ziel ist immer Freunde zu bedienen mit dem Geld Anderer.

  4. Diejenigen, die sich in vorauseilendem Gehorsam ein E-Auto gekauft haben, werden bald ganz schön staunen, wenn sie die nächsten Stromrechnungen sehen. Mit PV schauts spätestens ab Oktober ziemlich mies aus. Dann heissts Roller fahren gegen Putin.

    • Ich kenne einen Fall, wo sowas im Büro am Wochenende abgebrannt ist und 2 Stockwerke komplett vernichtet hat. In einem weiteren Fall ist ein Radio abgebrannt. In beiden Unternehmen ist es nicht mehr erlaubt, private Geräte ans Netz zu schalten. Ist nämlich ziemlich heikel was die Versicherung anbelangt.

  5. Ich habe bei mir nachgerechnet.
    Ich bin knapp über den Verbrauch von 2900 kWh Strom pa. 2021 habe ich 5,56 Cent / kWh bezahlt. Dh der Strom verdoppelt sich für mich bez. 2021!
    Für 2022 in der Vorauszahlung haben sie schon um 25% erhöht. (Haben sie 25% mehr Lohn bekommen?)

    Gasverbrauch kann ich reduzieren: Habe noch ein alte Gerät wo die Zündflamme ständig brennt. Die schalte ich aus bzw nur ein, wenn ich dusche.
    (Die Zündflamme verbraucht ein Mehrfaches am Tag als eine kurze Dusche.)

  6. Für den reinen Verbrauchsstrom sind die 2.900 KWh in kleineren Haushalten ganz ok. Wer aber das Pech hat, in einer Wohnung zu sitzen, die mit Strom beheizt wird und das Warmwasser erzeugt, der hat die Arschkarte. Da werden sicherlich an die 4.000 KWh zum “Marktpreis” fällig. Das hat man sich aber nicht selber ausgesucht, es wurde in den 90er-Jahren für eine gute Idee gehalten, weil damit der überschüssige Nachtstrom vernichtet werden kann.

    • 100% Zustimmung, ich hab mir gestern mal die Abrechnung vom Vorjahr nur vom Strom heraus gesucht, wir hatten einen Stromverbrauch von ca. 6600 KWh, mag für 2 Personen viel klingen, ist es aber nicht, weil wir eben die Arschkarte haben mit Warmwasser usw. Und wir haben wirklich schon alles gemacht um Strom zu sparen, also ja, klar, mehr geht immer, aber dann muß ich schon auch sagen, das wäre dann nicht mehr toll, mehr als sparen kann man nicht, nur wir haben nicht unser ganzes Leben gearbeitet um nun wieder in unsere Kindheit zurück zu fallen, wie z.b. 1 x die Woche baden usw. also das was wir verbrauchen, verbrauchen wir, recht viel mehr sparen geht nicht mehr, denn die letzten Jahre unseres Lebens wollen wir schon noch so leben, wie es uns gefällt, und nur 1 x die Woche baden, gefällt uns ganz sicher NICHT!

      Wo die, die Zahlen her haben, von wegen ein durchschnittlicher Haushalt, keine Ahnung, aber woher soll auch ein Politiker wissen, wie ein durchschnittlicher Haushalt lebt?

      • Zuerst wart ihr alle für die Corona-Massnahmen, dann für die Eu-Sanktionen. Selber schuld, sag ich da nur. Oder selber dumm gewesen.

  7. Das ist kein STROM Preisdeckel, das ist ein Zuschuss für Energiekonzerne, die in Ö derzeit großteils Übergewinne machen. Find ich nicht OK, das so zu nennen.

  8. Stromdeckel! Und den Leuten, welche die Grünen mit Klima schützen Vorwänden eingeredet haben, Heizungen zu tauschen und neue Wärmepumpen anzuschaffen, die zahlen jetzt doppelt drauf weil brauchen jetzt weit mehr Strom als zuvor mit den ca. 3.500kW. Und für alles darüber nochmal ca. 3.500kW zahlen die den hohen Spekulationspreis. Gehts noch dümmer, unüberlegter und Nichtskönnender von dieser Politiker Generation.

  9. Better than a stone on the head, but i think this is just warm air.
    Since a year they promise support for energy costs. I am quite sure they are just talking to help their own friends and not the mob.

  10. a) mokierte sich, daß oder
    b) monierte, daß…

    Ich weiß, die Zeiten eines Lektorats sind lange vorbei…

  11. Subventionen: Einem Topf ohne Boden kann man nicht mit einem Deckel beikommen. Das Merit-Order System muss zumindest ausgesetzt werden und eine ganz neue Struktur im Bereich des lebensnotwendigen Energiesektor überlegt werden. Freilich auf europäischer Ebene. Dazu braucht es politische Entscheidungen die tatsächlich auf die dauerhafte Energieversorgung zu einem ordentlichen Preis abzielen. Ob die momentan vorhandene profitorientierte Form zeitgemäß ist, muss man jetzt nicht mehr diskutieren, sie ist für viele nicht mehr leistbar.

  12. Nordstream II endlich in Betrieb zu setzen wäre viel effizienter, allerdings scheint man das – aus politischen Gründen – nicht zu wollen, nicht zu können oder sogar nicht zu dürfen. Bei der Brachliegenden Pipeline sind keine Siemensturbinen verbaut, sondern russische, die einfacher zu warten wären. Zu Behaupten, Russland setze Gas als Waffe ein, dürfte so nicht stimmen, ganz im Gegenteil, Russland will helfen.

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