Freitag, April 19, 2024

Skylla & Charybdis – Die Entdeckung der roten Linie

Skylla & Charybdis

Julya Rabinowich mit wahrhaftigen Zeilen zum Koalitionskrach. Wie die Grünen eine rote Linie entdeckten – eine andere als Sachslehner.

Julya Rabinowich

Wien, 10. September 2022 |

Es ist geschehen, wahrhaftig! Das, was verloren wurde, vielleicht sogar nie gefunden, ist endlich aufgetaucht. Es handelt sich um die Schwester des Loch Ness-Monsters. So wie Nessie vieldiskutiert, aber nie gesehen. Um deren umstrittene Existenz sich mittlerweile fast ebenso so viele Mythen ranken. Als Herbert Kickl seiner demokratischen Umnachtung freien Galopp ließ, sah man sie noch nicht. Als Sebastian Kurz Kalif werden wollte, anstelle des Kalifen, auch nicht, wobei man hier von Glück reden kann, dass er auch nicht Orban der Zweite geworden ist.

Die Auswahl weiterer Möglichkeiten eines zeitgerechten Auftauchens ist recht breitgefächert. Es war nicht soweit, als Bundeskanzler Nehammer den Terroranschlag in Wien verschnarchte, trotz Warnungen aus dem Ausland. Es war nicht soweit, als klar wurde, dass Österreich sich in 40 Jahre Abhängigkeit von Putin begeben hatte (gasmäßig). Als Tina mitten in der Nacht mit bewaffneten Polizisten samt Hundestaffel vor den Augen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler abgeschoben wurde, da sah man sie auch noch nicht. Nicht, als der seltsame Fall COFAG sich mit ähnlichem Geruch entfaltete wie diese eine Blume, die sich so großer Beliebtheit erfreute, als sie blühte: die Stinkwurz.

Es war auch nicht soweit, als die Manipulation sich als das erwies, was sie war: das berüchtigte Beinschabtool. Auch nicht, als die BMI-Chats den Mantel der Gnade über den türkisschwarzen Gepflogenheiten lüpften, nicht, als Innenminister Karner in entsetzlicher Opfertäterumkehr die Ärztin Lisa Maria Kellermayr fallen ließ. Auch dann nicht, als Politiker in höchsten Ämtern der Wien Energie Spekulation wider besseres Wissen vorwarfen, öffentlich.

Aber jetzt kann man endlich aufatmen. Jetzt ist die Zeit gekommen! Die ÖVP hat eine rote Linie gefunden. Dieses seltene Biest, das immer nur Wellen schlägt und dessen Existenz bis gerade eben völlig unklar war. Hier ist sie, leibhaftig. Sollten die Grünen weiterhin auf dem gemeinsam festgelegten Klimabonuskonstrukt bestehen und Teile der Gesellschaft, die legal Anspruch auf ihn hätten, nicht ausschließen wollen, dann sei sie da, diese rote Linie, das scheue Wesen.

Undank ist der Welt Lohn, denn die soeben düpierten Grünen haben doch gerade leidenschaftlich mitgeholfen, der Wien Energie Skandal und Spekulation umzuhängen, wo keine waren. Und dann das. Immer, wenn es eng wird für die ÖVP schüttelt sie die Asylthemen aus dem Zylinder wie ein Zauberer die Tauben und Kaninchen. Es ist allerdings kein Kaninchen, sondern ein totgerittenes Pferd, auf dem die Schwarztürkisen immer noch Sporen geben, als gäbe es kein Morgen. Asylbewerber hätten kein Recht auf einen Klimabonus, heult man mit den Blauen im Chor.

Wenn die Grünen (natürlich zurecht) darauf bestehen, dann sei die rote Linie überschritten. Die Grünen hätten spätestens jetzt Zeit, innezuhalten und darüber nachzudenken, ob sie das zweite totgerittene Pferd in der Runde werden wollen. Vielleicht sind sie aber auch der Frosch in der Geschichte von dem Frosch und dem Skorpion.

Am Samstag trat Laura Sachslehner wegen ihrer Klimabonus-Eskalation zurück. Die Koalition steht – noch.

Titelgrafik: ZackZack

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3 Kommentare

  1. Die Grünen haben schon derartig viele rote Linien – die die ÖVP überschritten hat – nicht beachtet, dass einem Grün Wähler laufend schlecht werden müsste.

    Der “Anstand”, der dem Wähler seinerzeit angeboten wurde, hat sich mit der grünen Regierungsbeteiligung längst in Luft aufgelöst!

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