Donnerstag, März 28, 2024

Keplerplatz: »Niemand hält sich hier auf, weil es so toll ist«

Keplerplatz:

So wie jede Großstadt, hat auch Wien seine öffentlichen Plätze, wo Menschen in schwierigen sozialen Situationen zusammenfinden. Das kann so wie derzeit am Keplerplatz in Favoriten für Unruhe sorgen. Hier kommen die Mitarbeiter von “sam hauptbahnhof” ins Spiel.

Wien, 16. September 2022 | Die Polizei versucht mit verstärkter Präsenz und Schwerpunktaktionen, den aufblühenden Drogenhandel am Keplerplatz zu unterbinden. Doch das abschreckende Bild des Grätzls bleibt. Die unterschiedlichen Gruppierungen, die für angespannte Stimmung am Platz entlang der Favoritenstraße sorgen, lösen sich nicht einfach in Luft auf.

Schlägereien, Belästigungen und Drogenhandel

Denn viele Menschen, die durch Drogen, Alkohol oder Wohnungs- und Jobverlust aus der Bahn geworfen wurden, kommen hier zusammen. Ein Phänomen, das vor mehreren Jahren noch konzentriert am Karlsplatz aufgetreten ist, verteilt sich in Wien mittlerweile auf mehrere öffentliche Plätze. Hinzugekommen ist am Keplerplatz in diesem Jahr aber eine neue Szene aus vorwiegend jungen Erwachsenen, die den Ort durch Schlägereien, sexuelle Belästigungen und Cannabishandel in Verruf und in die Schlagzeilen gebracht hat.

(Bild: ZackZack)

Um diesen Leuten wieder eine Perspektive zu bieten, aber auch den vielen Anrainern und Geschäftsleuten wieder einer sichereres Gefühl zu vermitteln, dafür sind die Mitarbeiter aus der sozialen mobilen Arbeit von “sam hauptbahnhof”, eine Einrichtung der Wiener Suchthilfe, zuständig. Guido Fritz leitet das elfköpfige Team und zeigt sich für den dritten und zehnten Bezirk, und damit auch für den Keplerplatz, verantwortlich. ZackZack hat ihn vor Ort zum Gespräch getroffen.

“Die Leute sind auf öffentlichen Raum angewiesen”

Bei der neu dazugekommenen Szene handle es sich um junge Menschen, die oft keine Beschäftigung oder Perspektive im Leben hätten, erklärt Fritz. Hinzu komme der Konsum von Cannabis, mit dem hier vorwiegend und auch sehr offensichtlich gedealt werde.

Auf diese Leute zuzugehen und ihr Vertrauen zu gewinnen, gestaltet sich für ihn und seine Mitarbeiter dabei nicht immer leicht, meint der “sam hbh”-Leiter. Das liegt zum einen an der Sprachbarriere. Mit Mitarbeitern, die Ungarisch, Russisch, Serbokroatisch, Bulgarisch, Slowakisch oder auch Polnisch sprechen, sei man hier mittlerweile gut aufgestellt.

Im Zusammenhang mit den Jugendlichen, die vermehrt aus dem arabischen Raum nach Österreich gekommen sind, sei man in enger Kooperation mit der Regionalstelle Süd der MA17 für Integration und Diversität. Durch die von dort kommende Unterstützung in der arabischen Sprache und deren Expertise könne man viele Menschen erreichen.

Eine Polizei-Schwerpunktaktion im August – der Ort vor dem Aufgang der U1-Station ist ein Umschlagplatz für Cannabis geworden (Bild: ZackZack)

Oft käme es vor allem innerhalb der einzelnen Gruppen zu Auseinandersetzungen. Dass von dieser Szene aber gezielt Gewalt ausgeht und sie damit eine Gefahr für außenstehende Personen darstellt, sieht Fritz nicht. “Ich glaube niemand hält sich hier auf, weil es so toll ist. Diese Leute sind auf den öffentlichen Raum angewiesen und können es sich nicht leisten, in Lokale oder Restaurants zu gehen.”

Die beste Prävention sei es, für die jungen Menschen ein Gesprächspartner zu sein, ihnen Hilfe zu vermitteln und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie nicht alleine sind. Weil oft auch von zu Hause aus keine Hilfe für die Jungen kommt, komme es schon mal vor, dass einige von sich aus die Initiative ergreifen. “Die sprechen dann unsere Mitarbeiter, die täglich vor Ort sind, an, weil sie ihren Cannabiskonsum problematisch finden und Hilfe suchen”, so Fritz.

“Plan der Menschen geht oft nicht auf”

Zur Jugend gesellt sich am Keplerplatz eine weitere Szene dazu, die in erster Linie durch eine Sache geprägt wird: Alkohol. Auch hier seien viele betroffen, die aus dem Ausland nach Österreich gekommen sind und hier arbeiten wollten, um sich ein besseres Leben aufzubauen.

Vor allem EU-Bürger ohne Ansprüche auf Geld- und Versicherungsleistungen seien hier laut dem Szene-Kenner betroffen. “Oft geht ihr Plan nicht auf und sie gelangen in diese Spirale. Diese Leute hatten schon ihrem Herkunftsland Probleme und schämen sich, wieder zurückzugehen.”

Guido Fritz und sein Team sind mehrmals täglich am Antons-, Reumann- und Keplerplatz unterwegs (Bild: ZackZack)

Auch hier vermittelt das “sam hbh”-Team. Zum Beispiel an Organisationen, die Tickets in die Herkunftsländer anbieten. Sollten die Menschen medizinische Hilfe brauchen, begleitet man sie in Einrichtungen, wo auch Menschen ohne Versicherung behandelt werden.

Aber egal ob man obdachlos, suchtkrank oder einfach nur besorgter Anrainer ist – “sam hbh” will für alle ein Ansprechpartner sein, erklärt Fritz: “Was wir in erster Linie vermeiden wollen, ist, dass irgendwelche Menschen aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden und, dass man keinen Respekt für die andere Gruppe mitbringt.”

(mst)

Titelbild: ZackZack

Markus Steurer
Markus Steurer
Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.
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6 Kommentare

    • Na, wenn die echten, ehrlichen, wahrheitssuchend wackeren “Experten” nur hier im Forum herinnen “dozieren”, dann muss die Welt “da draussen” ja irgendwie verludern, oder? Ich bin mir fast sicher, dass Sie mir da zustimmen können?

    • Wien ist eine Weltstadt mit hervorragender Lebensqualität, wie man sie kaum wo findet. Sie scheinen nicht viel Ahnung zu haben, wie es in anderen Großstädten zugeht. Vielleicht beim nächsten Städtetrip einmal nicht first class absteigen und mit dem Taxi spazieren fahren…

      • Da stimme ich Ihnen natürlich zu – aber die Tendenz zeigt seit einigen Jahren konsequent nach unten.
        Und ja, ich habe die Slums in anderen Grossstädten gesehen und das Warum analysiert: Die Ursache ist in ziemlich allen Fällen ein starker Bevölkerungszuwachs, dem das lokale Sozialsystem nicht gewachsen ist.

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