Mittwoch, April 24, 2024

Kein EU-Geld für Orbáns »Wahlautokratie«? — Wie Österreich abstimmte

Wie Österreich abstimmte

Nach der Einstufung Ungarns zur »Wahlautokratie« droht die EU-Kommission der Regierung in Budapest mit dem Einfrieren von Geldern. Bei einigen österreichischen EU-Parlamentariern kann Orbán unterdessen auf Rückhalt bauen.

 

Brüssel, 19. September 2022 | Auf Vorschlag der EU-Kommission sollen 7,5 Milliarden Euro an vorgesehenen Förderungen für Ungarn aus dem EU-Topf zurückgehalten werden. Denn bei Unzulänglichkeiten, die gegen EU-Recht verstoßen, kann die Union riesige Geldsummen zurückhalten oder einfrieren.

Hahn präsentierte Sanktion

Der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn kündigte als zuständiger Haushaltskommissar den kräftigen Einschnitt in den ungarischen Haushalt an. Mehr als sieben Milliarden Euro für Ungarn sollen eingefroren werden. Es wäre eine Premiere in der Geschichte der Europäischen Union. Die Antikorruptionsbehörde der EU hätte über Jahre Veruntreuung und Korruption in Ungarn dokumentiert. „Wir müssen davon ausgehen, dass EU-Gelder in Ungarn nicht ausreichend geschützt sind“, sagte Hahn deshalb vergangene Woche auf einer Pressekonferenz in Brüssel. Es gehe immerhin um einen Beitrag der EU-Steuerzahler, der in Ungarns Machtapparat versickere.

Keine Demokratie mehr

Das EU-Parlament stimmte vergangenen Donnerstag dafür, Ungarn den Status einer Demokratie abzusprechen. Wegen der zahlreichen Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit und der grassierenden Vetternwirtschaft sei das fest im Griff von Viktor Orbán befindliche Nachbarland nicht länger als Demokratie zu bezeichnen. Von einer „Wahlautokratie“ sei die Rede. Zwar könne man in Ungarn wählen, aber die Wahlen seien nicht fair, urteilten die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE). Das hat auch mit der Medienlandschaft Ungarns zu tun, die die Opposition kaum einer Berichterstattung würdigt. Bei der vergangenen Parlamentswahl bekam die Opposition im öffentlichen ungarischen Fernsehen etwa nur fünf Minuten Sendezeit, wie zahlreiche Medien berichteten.

Abstimmungsverhalten der österreichischen EU-Abgeordneten

Interessant war das Abstimmungsverhalten einiger österreichischer ÖVP-EU-Parlamentarier. Der burgenländische ÖVP-Politiker Christian Sagartz enthielt sich beim Ungarn-Votum der Stimme, die steirische EU-Abgeordnete Simone Schmidtbauer war gleich gar nicht mehr zugegen. Bei den Abstimmungen davor nahm sie jedoch noch teil. Als ZackZack versuchte, eine Stellungnahme einzuholen, beendete Christian Sagartz ohne ein Wort das Telefongespräch. Der ÖVP-Abgeordnete Othmar Karas war für eine Stellungnahme noch nicht zu erreichen.

Die FPÖ unter Delegationsleiter Harald Vilimsky stärkte hingegen Viktor Orbán den Rücken. Alle drei Abgeordneten stimmten gegen den Entwurf, der einen „Zerfall der Demokratie“ in Ungarn feststellte. Die FPÖ stimmte im Übrigen gegen alle anderen Planpunkte im EU-Parlament, unter anderem gegen einen EU-Mindestlohn und die stärkere Nutzung erneuerbarer Energie.

Sorge in Budapest

Die Ankündigung, Ungarn die finanziellen Daumenschrauben anzuziehen, löste umgehend Reaktionen in Ungarn aus. Etwas kleinlaut verlautbarte man, eine eigene Antikorruptionsbehörde einzurichten. Grund genug für Johannes Hahn, von einer „bedeutenden Bewegung“ in Ungarn zu sprechen. Fraglich ist, ob sich Hahn und die Kommission von dieser ungarischen Scheinreformen blenden lassen werden. Ungarn hat bis 19. November Zeit, um auf die Sanktion der EU zu reagieren.

(dp)

Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

DanielPilz
DanielPilz
Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.
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28 Kommentare

  1. Nachdem die Korruption für die ÖVP ein ganz normales wirtschaftliches Verhalten darstellt, darf es auch nicht wundern, dass einige ÖVP Abgeordnete keine Sanktionen gegen Ungarn wegen der dort grassierenden Korruption haben wollen. Für FPÖ Abgeordnete gehört es ohnehin zur Ideologie gegen Alles und jedes zur sein. Als Klimaleugner, Impfgegner und Schwurblerpartei hat man schließlich seinen schlechten Ruf zu verteidigen.

  2. Fazit dieses Artikels:

    FPÖ stimmte insgesamt gegen stabile demokrat. solidar. Verhältnisse: sowohl Ungarn wie auch EU-Brüssel betreffend. Nur konsequent, wenn man “daheim” auch gegen die RU-Sanktionen ist, also (sonst) auch immer grundsätzlich antisolidarisch.

    Dem ÖVP-EU-Delegationsleiter waren 25% EU-solidarisch negatives Abstimmungsverhalten seiner Fraktion (noch) keinen Kommentar wert.

    Wer ließ sich feierlich am Roten Platz im zeitgemäßen Selfie-Framing ablichten?
    Wer bietet Orban gerne eine freundschaftlich offizielle europäische “Bühne”, weil selbst pol. internat. schon ziemlich isoliert?

    Passt doch eh wie die Faust auf’s Aug zur aktuellen innenpolitischen Malaise, oder??? Weil ich behaupte, dass beide genannten Parteien die Staatsform einer Wahlautokratie unter ihrer Ägide im fossilen Old-Economy-Setting grundsätzlich auch sympatisch finden… (Ein Projekt, was unter Kurz bekanntermaßen mit Code “Ballhausplatz” bereits unterwegs war – noch immer ist…)

  3. Der Taser Harry ist nicht ernst zu nehmen. Die blaue Partie ist nur am Geifern. Einer Ihrer Kollegen von der AFD hat gepostet das die Windräder die Böden austrocknen nicht der Klimawandel. Leider finde ich es nicht mehr.

  4. Die indiskutable FPÖ und einige Schleimer in der ÖVP beschmutzen mit ihrem Stimmverhalten pro Orban das Ansehen Österreichs.

    Was erhoffen sie sich denn davon, den ungarischen Antidemokraten zu unterstützen?

  5. Eingefroren wird nur 1/5 !!!
    Und die “angekündigte Antikorruptionsbehörde ” wird mit Orbans Handlangern besetzt…..
    Na , dann passt eh alles (sarc.off)

    • Da kann man nun sagen, was man will, aber jetzt erst erfährt man, dass wir Ungarn mit 38 Milliarden € im Jahr finanzieren. Transparenz geht wohl anders. Nein, das is schon irre, was die Geld verschlingen, ohne dass es den Menschen etwas bringt. Hat die Jobbik-Partei auch gegen den EU-Mindestlohn gestimmt?

  6. Das sagt doch alles !!
    Die blauen Burschis sind gegen einen Mindestlohn !
    Warum wohl ? Ach so das Steuergeld des volkes für unsere blauen Taschen – so geht das.

    • Das lese ich nun zum erstenmal. Und ich bin wirklich erschüttert, dass sie sich gegen den EU-Mindestlohn ausgesprochen haben.

  7. Demokratie ist für Brüssel beliebig. Was bei den “braven” Polen u.a. durchgeht, geht beim “bösen” Orban eben nicht durch. Er müsste nur bei den Lieblingsthemen der Kommission – Russland-Sanktionen, US-Hörigkeit und Migration – ein bisschen kooperativer sein, dann wären die notleidende Demokratie und die grassierende Korruption kein notwendiger Vorwand für die Subventions-Kürzungen mehr. Dafür hat man in Brüssel zunehmendes Verständnis.

    • Ja, es ist auch eine politische Entscheidung. Selbstverständlich. Oder trifft der Kreml keine politischen Entscheidungen? Oder China? Doch das tun sie. Und so auch Europa.

      Ich gehe auch davon, dass Polen die selben Kürzungen jetzt bekommen würde, hätte Putin nicht die Ukraine zerstören wollen und überfallen. Orbans Positionierung gegen die Ukraine war nun sicher ausschlaggebend. Möglicherweise hat Orban ja auch einen Deal mit Putin schon, dass er dann Teile der Ukraine bekommt, um sein Großungarn zu verwirklichen. Quasi als Tribut für seine Unterstützug gegen die EU.

      Warum Sie den Orban verteidigen, der Ihre Steuergelder missbraucht, versteh ich nicht. Sie wollten ja vor gar nicht allzulanger Zeit den Transfer in die Nettoemprägerländer ganz einstellen.

        • Nun, das ist allerdings Aufgabe der EU, “übergriffig” zu sein. So steht es in den Vereinbarungen und Verträgen, dass der EuGH über nationalem Recht steht. Der EuGH ist bindend für alle Mitglieder. Wer den Vertrag unterschreibt, weiß das. Wer das nicht will, muss aus der EU austreten. Das ist konsequent. Uns Europäer:innen jedes Jahr 40 Milliarden € aus der Tasche ziehen und uns dafür zu blockieren, das geht nicht. Dann möge Orban der rus Föderation beitreten. Und sich ansehen, was Ideologieübergriffigkeit bedeutet. Ach, das weiß er ja schon. Die nimmt er aber gerne an.

          • Die Briten sind genau aus dem Grund ausgestiegen. Und Brüssel versucht das als Gewinn darzustellen.
            Und dann will die EU unbedingt die Ukraine aufnehmen, wo die Rechtsstaatlichkeit noch meilenweit unter der ungarischen liegt und eine Besserung kaum zu erwarten ist.
            Ich würde mittlerweile gerne Brüssel gegen London tauschen.

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