Freitag, März 29, 2024

»Weil Sie mich angezeigt haben« – Kurz streitet mit Abgeordneten im U-Ausschuss

Kurz streitet mit Abgeordneten im U-Ausschuss

Bei der Befragung von Sebastian Kurz im U-Ausschuss wurde es abwechselnd frostig und hitzig. Den Showdown lieferte sich der Ex-Kanzler vor allem mit NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper und SPÖ-Politikerin Julia Herr.

Wien, 28. September 2022 | Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz hat es immer noch nicht leicht. Zumindest, wenn man Sebastian Kurz fragt und besonders, wenn man ihn befragt.

Kurz war am Mittwoch mittlerweile zum vierten Mal in einem Untersuchungsausschuss als Auskunftsperson geladen. Er wandte dort seine alte Taktik an und antwortete besonders ausschweifend bis ausweichend. Unterstützt durch seine ehemalige Partei ÖVP, zettelte er Diskussionen über die ihm gestellten Fragen an. Damit stieß er bei den Abgeordneten der anderen Fraktionen nicht auf Gegenliebe.

Seine letzte Befragung im Ibiza-Untersuchungsausschuss hatte zu noch laufenden Ermittlungen wegen Falschaussage geführt. Obwohl Kurz während der Befragung am Mittwoch wiederholt meinte, dass er sich durch die bisherigen Zeugeneinvernahmen entlastet fühle, ließ er seinen Ärger über die Ermittlungen in einer Auseinandersetzung mit NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper durchblitzen.

“Weil Sie mich angezeigt haben”

Sowohl Krisper als auch Kurz war die Anspannung in ihrem ermüdenden Frage-Antwort-Spiel bald am Tonfall anzumerken. Krisper fragte dabei auch nach Kurz’ Interesse an der Wahrheitsfindung.

Kurz meinte daraufhin etwas verschnupft, ein solches Interesse sei natürlich da. Der Hintergrund für sein Antwortverhalten an diesem Mittwoch sei, “dass Sie mich angezeigt haben und ich mich seither mit einem Verfahren herumschlagen muss.”

Er wolle keine erneute Anzeige riskieren. NEOS hatten Kurz 2021 angezeigt und zwar auf Basis einer Aussage von Kurz über Thomas Schmids Bestellung als Chef der Staatsholding ÖBAG.

Bei Themen, die Kurz als relevant für die Ermittlungen gegen ihn selbst erschienen (etwa Chats von Thomas Schmid), griff er auf sein Entschlagungsrecht zurück. Krisper bat unter anderem darum, dass Kurz sich doch bitte bei den einzelnen Fragen entschlagen solle, anstatt einfach generell zu sagen, er entschlage sich. Das sehe die Geschäftsordnung schließlich so vor.

Mit einem Lachen in der Stimme erwiderte Kurz an einer Stelle: “Ich weiß zwar nicht, was Sie davon haben, ich lese Ihnen den Satz aber gerne zum dritten Mal vor.” Daraufhin las Kurz auf jede ihrer dahingehenden Fragen denselben Entschlagungs-Satz von einem Zettel ab, den ihm seine Vertrauensperson, ÖVP-Anwalt Werner Suppan, wohl kurz zuvor aufgeschrieben hatte.

“Sebastian, emergency!”

Kurz geriet schließlich auch mit der SPÖ-Abgeordneten Julia Herr aneinander. Die beiden hatten eine längere, gereizte Diskussion über einen Immobiliendeal von René Benko. Herr wollte wissen, inwiefern Kurz involviert gewesen war. Sie bezog sich dabei ebenfalls auf einen Chat von Thomas Schmid.

“Sebastian, emergency!”, schrieb dieser an Kurz. “Hartwig (Anm.: Ex-Finanzminister Löger) und René spinnen.” Es sei nicht gut, “dass wir das Winterpalais (Anm.: der Sitz des Finanzministeriums) gegen die PSK (Anm.: Postsparkasse) tauschen”. Angeblich habe Benko Kurz diesbezüglich angerufen, schrieb Schmid.

Dass Herr dieselben Fragen (Gab es dieses von Benko erwähnte Telefonat und worum ging es? Hatten Sie mit Benko Kontakt zu diesem Deal?) ungefähr sechs Mal stellen musste, lag vor allem daran, dass Kurz einerseits zu Wortklaubereien bezüglich Herrs Fragestellung überging, andererseits war er der Meinung, sie vermische bezüglich ihrer Fragen zu Benko zwei Themen. Auch hier wolle er keine Anzeige wegen Falschaussage riskieren, so Kurz.

Grüne, SPÖ und FPÖ: “Verzögerungstaktik”

Nach einem leicht verärgerten “Ich lasse mir nicht von Ihnen das Wort im Mund umdrehen!” und einem “Sie vermischen hier Dinge! Ich hab noch nicht herausgefunden ob ich mich irre, oder ob Sie es absichtlich oder unabsichtlich vermischen!”, dann schließlich seine Antwort: Kurz könne sich an einen solchen Anruf von Benko nicht erinnern.

Nach knapp sechs Stunden war die Fragezeit schließlich erschöpft und Kurz durfte gehen. Grüne und FPÖ waren wegen der Zeitbegrenzung, Kurz’ ausschweifenden Antworten und den zahlreichen Geschäftsordnungsdebatten der ÖVP gar nicht dazu gekommen, Fragen zu stellen. FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker verlangte, Kurz noch einmal zu laden, damit alle ihre Fragen stellen können. Beide Parteien und auch die SPÖ sahen das Verhalten von Kurz und der ÖVP als klare Verzögerungstaktik.

(sm)

Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl

Stefanie Marek
Stefanie Marek
Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.
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96 Kommentare

  1. Warum werden von Nationalen und Internationalen Firmen & Institutionen, > Personen wie Kurz und seine (Ex???) Gilde mit den KURZen Gedächtnissen > mit Freuden eingestellt… ist man ein Schelm, wenn man zu dem Schluß kommt, > das diese Geschäfte betreiben, über die man am Besten nichts erinnerlich hat…?

  2. Da sieht man wieder wie Wurst der ÖVP das alles ist die Tiroler Jungbauern zahlen auch nichts zurück die machen was sie wollen die Bürger gehen wegen falsch parken in den Knast.

  3. Da blitzt halt sein Wahres Wesen hervor.
    Ihm ging es nie um Ideale oder irgend einer Überzeugung, ihm gehts einfach nur um “für mich” oder “gegen mich”.

    • So is es. Und wurde genau deshalb diametral dazu auch die “Handpuppe” – man denke bitte kurz(!) an dieses Bild – von MiLe, Sobotka, Platter, IV, WKO, RB und sonstig heimischer Oligarchie…

  4. Julia Herr dreht den Basti Boy durch die Mangel….hätte ich gern gesehen….Hochachtung vor den Leuten die im U-Ausschuss sitzen…ich würde das nicht schaffen, gegenüber solchen Leuten so ruhig zu bleiben….

    • Herr und Krisper! Eine adäquate Antwort auf Plakolm und Edtstadler. Retten sie die Ehre der Frauen in unserer Politszene?

  5. So geschickt, wie die ÖVP die Leute verarscht, haben wir enormes Glück, wenigstens Kurz und einen Teil seiner Getreuen los geworden zu sein. Dank an Werner Kogler.
    Das Schauspiel gestern im U-Ausschuß hat aber wieder gezeigt, wie machtlos gegen das böse Spiel nicht nur die Opposition, sondern auch die Grünen sind.
    Warum ist Kurz nicht längst wegen falscher Aussage vor dem U-Ausschuß angeklagt und auch sonst noch niemand? Anscheinend ging es der Justiz vorrangig darum, Strache zu ruinieren.

      • Ehre, wem Ehre gebührt. Aber PRW hat am 27.5.19 mit Antrag der SPÖ und Zustimmung von FPÖ und JETZT der quasi ÖVP Alleinregierung das Vertrauen versagt und wurde daraufhin von VdB die gesamte Regierung des Amtes enthoben.
        Kurz kam aber nach der Wahl 2019 gestärkt zurück und war ab Jänner 2020 wieder Bundeskanzler.
        Und für die Beendigung dieser Kanzlerschaft hat Werner Kogler im Okt. 21 mit der Begründung, Kurz sei nicht mehr amtsfähig, gesorgt.
        Letztlich war es eine vielleicht ungewollte, aber zielführende Teamarbeit.

        • Ehre wem Ehre gebührt…ein erfolgreiches Misstrauensvotum das zur Entlassung der gesamten Regierung führt ist einzigartig in Österreich und auch einzigartig mutig. Denke nicht das Kogler ohne PRW den Mut dazu gehabt hätte Kurz abzusägen.

          • Die Aktion von PRW im Mai 2019 war sehr mutig und wichtig. Aber Kurz kam zurück. Erst die Drohung Koglers im Oktober 2021 mit den Oppositionsparteien eine Alternative ohne ÖVP zu bilden, hat zum Rücktritt von Kurz geführt. Diese Runde ging an Kogler.

          • Da brauchte es noch ein Gespräch von PRW mit Kickl. Dann schreib PP (hier) er kenne 4 Abgeordnete, die mit der Opposition gegen die eigene Regierung stimmen würden. Dann könnte es Mut gewesen sein oder Panik (Parteispaltung) bei Werner Kogler.

          • Ja, wenn man das alles so zurückverfolgt (Verschleppung Exekution Blümel Akten f. U.Ausschuß und anderes) ergibt sich die interessante Frage, was ficht VdB an? Was verbindet ihn mit der ÖVP? Was verbindet die ÖVP mit VdB. Hat man sich gegenseitig an oder in der Hand?

          • Nein, die von Kurz vorgeschlagene “quasi ÖVP Alleinregierung” nach Rücktritt von Strache und Entfernung von Kickl war durch kein Wahlergebnis gedeckt, es sei denn eine ÖVP-interne Wahl evtl.
            Die Opposition hat auch moniert, daß sie bei der Auswahl der Mitglieder der “Übergangsregierung” nicht konsultiert wurde. War es in Ordnung daß vdB diese Warnungen ignorierte?
            Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht wie lange eine solche quasi ÖVP Alleinübergangsregierung im Amt hätte sein können, wenn man nach den zu erfolgenden Neuwahlen die Bildung einer neuen Regierung hintertrieben hätte?
            Zum Glück hat jemand daran gedacht…

          • Was soll das sein eine “quasi ÖVP Alleinregierung”? VdB hat sich immer gegen eine Alleinregierung der ÖVP ausgesprochen, weil sie de facto keine Möglichkeit hätte alleine Gesetze zu beschließen. So viel ich weiß hat er auch nie eine solche angelobt.

  6. Muss sein: Ein großes Kompliment an den Fotografen Herrn Glanzl! Die Aufnahme von Kurz zeigt eindrucksvoll, wir die Motten das Licht umschwirren. Das war 2015 so und ist es auch heute nach all dem Schaden, den er Österreich und der Bevölkerung beschert hat. Die 4. Gewalt im Staat ist ein bezahlter, abhängiger, regierungspropagandistischer… xy…. Es gibt nur 2 bis 3 Ausnahmen.

  7. Wahrheits-Variationen: Die volle Wahrheit, die nackte Wahrheit, die lautere Wahrheit, die Halbwahrheit und die Kurzsche.

  8. Ganz sicher hat Sebastian Kurz ein Interesse daran, daß im U-Ausschuß die Wahrheit ans Licht kommt, aber nur die Wahrheit, die er gerne haben möchte.

  9. Ich bewundere Journalisten für die Ausdauer bei allen Themen Kurz und Bastiboys betreffend, sowohl beim Liveticker, als auch den anschließenden Zusammenfassungen, diese Geduld habe ich nicht mehr. Für mich sind nur noch etwaige Anklagen und Urteile interessant. Dass der gesalbte Blender vorerst von der Bildfläche verschwunden ist und nur noch selten seine inkongruenten Gesten in die Kamera fuchteln kann, seine Firmanzüge auftragen muss und uns nicht mehr 24/7 mit Eil-PKs nervt, ist ein guter Start in seine Bedeutungslosigkeit.

  10. Hätte er den aufrichtig inneren Antrieb, konkrete inhaltsbezogene Antworten auf Fragen zu geben, wäre er wohl nicht Berufspolitiker geworden. Die strategisch inoffiziellen “Spielregeln” in diesem Geschäft haben mit der operativen Realität auf der Oberfläche öffentlicher Wahrnehmung nur wenig Schnittmengen – wie ich meine. Es galt, wie inzwischen offiziell belegt, eine systemisch neue Staatsform umzusetzen:

    https://zackzack.at/2022/07/05/weg-in-eine-andere-staatsform-ex-justizminister-jabloner-rechnet-mit-kurz-ab

    So wird aus einer legistischen Proforma-“Pflicht” zur Beantwortung / Auskunftserteilung inhaltlich bezogener Faktenlage (Syntax) in einem xy-UA eine locker individuell semantische “Kür” in routiniert trainierter Rhetorik. Gib eine Antwort, egal welche – nur nicht zur Frage… “Nächste Frage bitte – gerne”

    • Nur: Ver-Antwort-ung sieht anders aus! IHR Auftreten (Ihre Vorladung) ist ein reines, jämmerliches Rückzugsgefecht aus eben dieser. “Vor der Wahl diese zwar nachdrücklich einfordern, nach der Wahl aber ohne persönliche Wahrnehmungen weitestgehend nicht mehr erinnerlich.” Wie auch die gesamte Performance in den letzten Legislaturperioden als solches bezeichnet werden kann. Was kann diese faschistische Bewegung vorweisen, außer statsstreichend beständige Farbenwechsel in Kamäleon-Manier?? Aktion? Nein, re-Aktion-är, ewig gestrig, machtversessen am Volk als Volkspartei vorbeiregierend… “Da und dort Gelder rausholen aus den SPÖ-Hochburgen” © Schmid-Chat

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