Freitag, März 29, 2024

Wie Berater von den Brüsseler Corona-Milliarden profitieren

Der EU-Aufbauplan verschafft Österreich Milliarden, um die Pandemie-Folgen zu dämpfen. Doch wo fließt das Geld hin? Eine paneuropäische Recherche zeigt, wie stark Deloitte, McKinsey & Co. profitieren. Das Klimaministerium in Wien schweigt zu seinen Aufträgen. #recoveryfiles

Benjamin Weiser

Wien, 18. Oktober 2022 | Rund 723,8 Milliarden Euro fließen insgesamt an die EU-Mitgliedstaaten, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen. Der Aufbau- und Resilienzplan ist das Herzstück des riesigen Wiederaufbauprogramms, das Österreich bisher 3,5 Milliarden eingebracht hat. Das Gesamtvolumen beträgt am Ende 4,5 Milliarden.

Ein europaweites Rechercheteam geht unter dem Namen #recoveryfiles den Geldern und Wegen, die diese nehmen, nach. Wie transparent ist der Geldfluss? Wer profitiert? Jüngste Recherchen zeigen: unter anderem die großen Beratungsfirmen.

Bereits vor Einreichen der nationalen Pläne in Brüssel – die Kommission musste die Pläne absegnen – waren Beraterriesen wie PricewaterhouseCoopers (PwC), McKinsey oder Deloitte involviert. In manchen Ländern schrieben die Edel-Consultants bei Plänen mit (Beispiel Griechenland) und auch danach stand man den EU-Regierungen gerne zur Seite.

In Spanien wurden sogar zeitgleich Ölfirmen beraten, die ausgerechnet beim Brüsseler Milliardenkuchen mitnaschen wollten, wie „El Confidential“ im Jahr 2021 enthüllte. Dazu gleich mehr.

Deloitte „begleitete“ Gewessler

In Österreich ist das Klimaministerium die wohl wichtigste Behörde, wenn es um die Abwicklung des nationalen Plans geht. Immerhin bewirbt die türkis-grüne Regierung ihr Programm als „Vorreiter im Bereich Klimaschutz“. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist jedenfalls begeistert: „Der österreichische Plan erfüllt all die anspruchsvollen Kriterien. Er ist ehrgeizig, er hat Weitblick und er wird dazu beitragen, dass Österreich stärker aus der Krise herausgeht.“

Ein wichtiger Pfeiler ist das mit 100 Millionen Euro budgetierte und 2021 eingeführte „Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz“. Man will damit das Land bis 2030 auf 100 Prozent Ökostrom trimmen. Dabei soll der „Österreichische Netzinfrastrukturplan“ (NIP) helfen, die Modernisierung der Energieinfrastruktur umzusetzen. Es geht um Versorgungssicherheit und „Synergieeffekte“ bei verschiedenen Technologien. Doch Synergien gab es offenbar auch mit Beraterfirmen.

Denn im Jahr 2021 erhielt der Österreich-Ableger des Beratungsriesen Deloitte einen Staatsauftrag des Klimaministeriums. Inhalt: „Begleitendes Prozess- und Qualitätsmanagement“. Das fand eine Anfrage von NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer heraus, auf die Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) antwortete.

Ein Sprecher des Unternehmens bittet auf ZackZack-Nachfrage um Verständnis: Aufgrund der „beruflichen Verschwiegenheitsverpflichtung“ könne man „keine Auskunft über Klientenbeziehungen und davon umfasste Aufträge geben“.

Unter Köstinger: PwC erstellte Netzinfrastrukturplan

Für das NIP hat aber auch das damalige Nachhaltigkeits- und Tourismusministerium von Elisabeth Köstinger (ÖVP) externe Institutionen beauftragt, darunter PwC. Die mittlerweile zurückgetretene Auftraggeberin hatte in der Vergangenheit schon Schlagzeilen mit der „McKinsey-Affäre“ rund um mysteriöse Berateraufträge im Rahmen eines Coronatest-Programms gemacht – ZackZack hatte berichtet. Jetzt ressortiert der Bereich Nachhaltigkeit bei Gewessler.

Und die muss unangenehme Fragen zu früheren Aufträgen beantworten. PwC wurde demnach mit der „Erstellung der Inhalte“ und einer „ersten Konzeptualisierung“ betraut. Datiert wird das Mandat auf das Jahr 2019 – also noch vor dem Start des europäischen Aufbauplans.

Klar ist allerdings, dass die Brüsseler Milliarden, die erst nach dem PwC-Auftrag zur Verfügung standen, nun auch für die Finanzierung bereits beschlossener Projekte genutzt werden. Ob damit auch Berateraufträge gezahlt werden, ist unklar. Das Klimaministerium antwortete nicht auf eine ZackZack-Anfrage.

Ist PwC immer noch an Bord? Auf Anfrage bittet eine PwC-Sprecherin um Verständnis: Man könne sich „aufgrund unserer berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht nicht zum Bestehen oder Nicht-Bestehen von Klientenbeziehungen sowie deren Inhalt äußern“.

Das NIP-Projekt ist indes in vollem Gange: Bis zum 1. Dezember soll ein „Planungshorizont“ für zehn Jahre erstellt werden, mit 30. Juni ist das NIP schließlich zu veröffentlichen.

„Technische Assistenz“ in Spanien

In anderen europäischen Staaten zeigt sich unterdessen ein noch brisanteres Bild. So beauftragte die spanische Regierung das Unternehmen Deloitte mit der Bereitstellung von Informationen, die für die Ausarbeitung der Energiepläne nötig gewesen sein sollen. Gleichzeitig arbeitete Deloitte wiederum für die spanische Ölgesellschaft Cepsa, die selbst Subventionen aus dem EU-Aufbauprogramm abgreifen wollte, wie unser Kooperationspartner „Follow the Money“ berichtet.

Der Spanien-Ableger von Deloitte wollte keine Stellungnahme abgeben. Aus dem spanischen Ministerium für ökologische Transformation heißt es, das Unternehmen sei nicht an der Erstellung des spanischen Aufbauplans beteiligt gewesen, wohl aber habe man „technische Assistenz beim Zusammenstellen der Informationen“ erhalten.

McKinsey arbeitet kostenlos und „altruistisch“

Dass es angeblich externe Berater brauche, hatte die EU-Kommissarin für Innovation, Mariya Gabriel, bereits indirekt eingeräumt, wie „Die Welt“ berichtet. Laut der Zeitung soll Deutschlands Finanzminister Christian Lindner bei der Kommission um Unterstützung ersucht haben: „Diese Leistungen werden über ein externes Beratungsunternehmen erbracht.“ Sowohl Kommission als auch Berliner Finanzministerium wollen aber nicht verraten, um welche Firma es sich handelt.

Fest steht: Das Business mit dem EU-Fördertopf floriert. Auch für McKinsey, wie ein interner Mailverkehr aus dem niederländischen Wirtschaftsministerium zeigt. Er liegt „Follow the Money“ vor. Auch in Italien und der Slowakei wurde der US-Riese beauftragt.

In der Slowakei soll dies allerdings „pro bono“ erfolgt sein, wie das Unternehmen beteuert. Man berate kostenlos, „aus altruistischen Gründen“. Kundenbezogene Fragen will man aber auch hier nicht beantworten.

Die soziale Selbstdarstellung des milliardenschweren Unternehmens erinnert an die Köstinger-Coronatests im Tourismus. McKinsey hatte auch hier behauptet, pro bono unterwegs gewesen zu sein – für fast zwei Monate. Beauftragt worden sein soll das Unternehmen in Österreich von einem „Labor-Konsortium“, das sich nach ZackZack-Recherchen als leere Hülle herausstellte. McKinsey zog sich nach Enthüllungen von ZackZack, „Krone“ und „Der Standard“ aus dem Projekt zurück.

#RecoveryFiles ist ein paneuropäischer investigativer Rechercheverbund, der von niederländischen Plattform „Follow the Money“ organisiert wird. ZackZack ist seit Herbst 2021 Mitglied.

Das Projekt ist für den Daphne Caruana Galizia Prize for Journalism nominiert. Am Mittwoch, den 19. Oktober 2022 findet die Preisverleihung in Straßburg statt.

Unter den Mitgliedern des Teams sind:

Attila Biro (Context, Rumänien) Lars Bové (De Tijd, Belgien), Staffan Dahllöf (DEO.dk, Dänemark/Schweden), Emiilia Garcia Morales (Grupo Merca2, Spanien), Marcos Garcia Rey (Grupo Merca2, Spanien), Ada Homolova (Follow the Money, Niederlande), Carlotta Indiano (IRPI, Italien), Beatrice Jimenez (Grupo Merca2, Spanien), Karin Kőváry Sólymos (Investigatívne centrum Jána Kuciaka, Slowakei), Louloudi (Reporters United, Griechenland), Ante Pavic (Ostro, Kroatien), Giulio Rubino (IRPI, Italien), Adrien Sénécat (Le Monde, Frankreich), Roberta Spiteri (Daphne Foundation, Malta), Peter Teffer (Follow the Money, Niederlande), Steven Vanden Bussche (Apache, Belgien), Lise Witteman, (Follow the Money, Niederlande), Matej Zwitter (Ostro, Slowenien).

Titelbild: APA Picturedesk

Ben Weiser
Ben Weiser
Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4
LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

20 Kommentare

  1. Zugegeben, ich bin an dieser Stelle ein “Schwarzmaler” aller erster Güte. Kein Wort glaube ich jenen, die behaupten die Politiker*innen und Ihre Berater*innen machen das alles nur zum Wohl der Menschheit. Ich kann es nicht beweisen, daher bahaupte ich es nicht – mein Bauchgefühl aber sagt mir dass hier überall Korruption, Vorteilsnahme und Gewinnsucht im Spiel ist. Ich möchte auch weiterhin ein “politischer Mensch” bleiben und den mir anvertrauten Jugendlichen immer ein gutes Beispiel für “Bürgerverhalten in einer Demokratie” sein. Aber es wird zusehens schwieriger, jungen neugierigen Menschen zu erklären warum dieser Politiker*innen offensichtlich zu einem sehr großen Teil nicht im Interesse der Bürger*innen handeln….. Ratlos stehe ich da!

  2. Regierungen geben jedes Jahr Millionen für professionelle Beratungsleistungen aus, obwohl selbige nicht gezwungen sind, Beratungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Erstaunlich ist hierbei, dass die Wahl der Beratung in den seltensten Fällen durch empirische Untersuchungen oder monetäre Erwägungen getroffen wird. Viel häufiger wird die Entscheidung für oder gegen eine Beratung von nur wenigen Entscheidern auf der Basis von persönlichen Urteilen, Empfehlungen, Referenzen oder der Chemie zwischen Beratern und Kunden getoffen. In vielen Fällen wird bewußt auf die Evaluierung der Beraterleistung verzichtet, da die Konzepte oder Technologien die von den Beratern eingeführt werden als “good practice” gesehen werden und somit keiner Überprüfung unterzogen werden müssen.
    Überhaupt hat die Forschung bisher nur wenig Erkenntnisse über die Hintergründe sowie die Werthaltigkeit und die Effektivität von Unternehmensberatungen geliefert. Denn obwohl Berater massiv mit ihren Fähigkeiten werbe

    • n, die Probleme ihrer Kunden zu lösen, ist es nicht üblich, sensible Informationen über die Kunden und die Projekte zu veröffentlichen.
      Während Aktiengesellschaften regelmäßig ihre Bilanzen veröffentlichen müssen, stammen die wenigen verlässlichen Daten über die Beratungsbranche aus den Datenbanken von übergeordneten Verbänden wie der Association of Management Consulting Firms (AMCF) oder der European Federation of Management Consultancies Associations (FEACO).
      Es ist eigentlich verwunderlich, dass ein Großteil der veröffentlichen Informationen über Beratungsleistung anekdotenhaft ist, auf persönlichen Einzelerfahrungen beruht und nur in den seltensten Fällen einer systematischen Untersuchung entspringt, wo doch über die Bedeutung und den Einfluß der Branche Einigkeit herrscht. Unternehmensberatung ist sowohl eine teure als auch wichtige Dienstleistung, welche den Erfolg von Unternehmen bzw. Regierungen sichern kann, Karrieren fördern und sogar ganze Ökonomien beflügeln kann. Nur wenigen anderen Branchen wird so eine große Macht und Einfluß zugesprochen.
      Umso wichtiger wäre es, die Leistungen der Branche kritischer zu hinterfragen und auf ihre Werthaltigkeit zu überprüfen. Denn trotz des explosionsartigen Wachstums der Beratungsbranche gibt es nur wenig Diskussion um die Sinnhaftigkeit, Qualität, Effektivität und Effizienz von Beratungseinsätzen.
      Die im Kommentar angeführten “Großen” haben mittlerweile globale Monopolstellung und entwickelten sich vom Berater von Regierungen zu deren Partnern. Selbiges Phänomen wäre noch weiter zu thematisieren, würde aber hier den Rahmen sprengen…
      Es muss heller werden!

  3. Recoveryfiles ist ein Superprojekt.
    Gratuliere für die Nominierung
    für den Daphne Caruana Galizia Prize for Journalism.👍

    Und dran bleiben!

    • Gabs die letzten 2 Jahre überhaupt?!. Ich kann mich nur erinnern es war Silvester 2019, dann gabs komische Berichte aus China und jetzt haben wir 2020. (also 2020 abgerundet) 😉

  4. “EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist jedenfalls begeistert: „Der österreichische Plan erfüllt all die anspruchsvollen Kriterien. Er ist ehrgeizig, er hat Weitblick und er wird dazu beitragen, dass Österreich stärker aus der Krise herausgeht.“”

    – Naja, wenn eine Beratungsleistung zu diesem Ergebnis führt, sehe ich darin kein Skandal. Dass man dem Geldflüssen verfolgt und aufarbeitet, ist dennoch richtig.

  5. Und das ist auch kein erwirtschaftetes sondern neu gedrucktes Geld. Wahrscheinlich lernt man heute nicht einmal mehr auf der Uni, welche Auswirkungen die Gelddruckerei hat.

    • Oida, wir haben das auf der Uni ur gelernt:
      Wenn man zb einen “nicht-erwirtschafteten”, also laut ihrer Gegenüberstellung ja dann einen »neu gedruckten Geldschein«, in den Kopierer legt und auf »kopieren« drückt, dann wird der Kopierer sagen: “Nein! Das druck ich nicht!”, plus er sagt der Polizei vielleicht sogar: “He! Da wollte jemand »neu gedrucktes Geld« drucken.” Und wenn dann die Polizei schlecht aufgelegt ist und man kein ÖVP-Parteibuch besitzt, kann das unter Anderem die unangenehme Auswirkung haben, dass man ur gefickt ist. Worauf man also achten muss ist, dass man schaut, dass man aufjedenfall einen “erwirtschafteten” bzw. »alt gedruckten Geldschein« in den Kopierer legt , dann weiß der Kopierer auch: “Aha, dieser Geldschein ist alt, jetzt muss ich einen Neuen drucken.”

Kommentarfunktion ist geschlossen.

Jetzt: Polizeiäffäre "Pilnacek"

Denn: ZackZack bist auch DU!