Mittwoch, Januar 22, 2025

Kein Tiroler Zelt-Fest

Analyse

ÖVP und SPÖ haben in Tirol die Polit-Ehe beschlossen. Das einzig Neue an der Koalition ist ein Fingerzeig in Richtung Bundes-ÖVP. Daran werden Mattle und Dornauer zu messen sein.

Der Tirol-Experte

Innsbruck, 22. Oktober 2022 | Auf 73 Seiten haben Anton Mattle und Georg Dornauer das Regierungsprogramm der schwarz-roten Tiroler Landesregierung vorgestellt. Dafür sind die beiden Parteichefs, deren Parteien in Summe 9 Prozent bei der Landtagswahl verloren haben, am Freitag mit ihren sechs designierten Regierungsmitgliedern aus dem Innsbrucker Landhaus auf den Landhausvorplatz gekommen, eine Öffnung solle das signalisieren.

Klare Machtverhältnisse

Sagen durften die sechs neuen Landesregierungsmitglieder dann aber auch auf JournalistInnen-Nachfragen kein Wort. Aus Respekt vor dem Landtag, wie der Bundesrat, Vizebürgermeister und Landesgeschäftsführer der ÖVP, der die vom Föhn fast verblasene Präsentation moderierte, sagte.

Die Anekdote illustriert die Machtverhältnisse: Geholt haben sich Mattle und Dornauer für die Regierung Fachleute ohne viel politisches Gewicht. Das Credo Günther Platters, niemand dürfe den Landeshauptmann überstrahlen, zeigt sich auch in der Personalauswahl. Inhaltlich ist nicht viel Neues zu erwarten, auch wenn in schwarz “Stabilität in der Krise” und in rot “Erneuerung für Tirol” über den 73 Seiten steht. 192 Mal kommt das Wort “weiter” vor, 5 Mal “Änderung”.

Alles, was die ÖVP nicht will – von einer niederschwelligen Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs, über eine Reduktion des auch heimischen LKW-Verkehrs, bis zu echter Transparenz bei Parteifinanzen – wird “angestrebt”. Die Kräfteverhältnisse in der Landesregierung und im Landtag legen nahe, dass vieles beim Alten bleibt.

Einzige Überraschung: Keine Zelte

Mattles Liebkind, der Kinderbetreuungsanspruch ab dem ersten Lebensjahr, bleibt vage und wird auch in der Präsentation von den Koalitionsspitzen mit “wir sind beide Bürgermeister und Realisten” eingeleitet. Man wolle das stufenweise, in Kenntnis der schwierigen Umstände, umsetzen. Das Prestigeprojekt Mattles wird nicht annähernd in der Form kommen, auf die im Wahlkampf alle eingeschworen wurden. Dafür ist der unter Schwarz-Grün an den Grünen gescheiterte, 100 Millionen Euro teure, Fernpasstunnel – ein reiner Straßentunnel im äußersten Nordwesten Tirols – Teil des Programms. Der schwarz-rote Faden: Rote Absichtserklärungen, teure schwarze Nägel mit Köpfen.

Also alles wie gehabt im heiligen Land? Nicht ganz: SPÖ-Chef Dornauer hat sich die Flüchtlingsunterbringung-Gesellschaft des Landes, die “Tiroler Soziale Dienste”, zu sich geholt, wegen deren finanzieller und organisatorischer Missstände es einen Untersuchungsausschuss im Tiroler Landtag gab. Er wolle da aufräumen und wörtlich – “keine Zelte in Tirol”. Ein Satz, dem auch Mattle “tausendprozentig” zustimmte.

Das einzige Neue an der neuen Koalition in Tirol, ist also das Bekenntnis von Mattle und Dornauer, das zynische Spiel des Innenministeriums mit geflüchteten Menschen nicht mehr mitzuspielen und die katastrophale Tiroler Flüchtlingsunterbringungsquote von derzeit 63 Prozent der vereinbarten Plätze zu steigern. Daran werden sie, in Sachen Glaubwürdigkeit, zu messen sein.

Der Tirol-Experte ist ein Insider, der sich regelmäßig aus Tirol zu Wort meldet und die Landespolitik analysiert. Er bleibt anonym.

Titelbild: APA/EXPA/JOHANN GRODER/picturedesk.com

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