Anhaltende Proteste im Iran:
Der Kommandant der iranischen Revolutionsgarde versucht, die Proteste für beendet zu erklären und verbreitet die Verschwörungserzählungen des Regimes. Beobachter halten den Versuch für erfolglos.
Teheran, 29. Oktober 2022 | Der Kommandant der iranischen Revolutionsgarden, Hossein Salami, hat ein Ende der seit mehr als 40 Tagen anhaltenden Straßenproteste verlangt. “Die Demonstranten sollten die Geduld des Systems nicht überstrapazieren”, warnte der General am Samstag nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA. “Wir sagen es unseren Jugendlichen noch einmal: Heute ist der letzte Tag der Unruhen. Kommt nicht mehr auf die Straßen.”
General verbreitet Verschwörungserzählung
Niemand werde den Demonstranten erlauben, weiter Unsicherheit zu stiften und die Universitäten des Landes in ein “Schlachtfeld” zu verwandeln, verbreitete der General die Ansicht des religiösen Regimes. Der General bezeichnete die Unruhen seit Mitte September in einer Rede als Verschwörung der USA, Großbritanniens, Israels und Saudi-Arabiens, weil diese Länder in den vergangenen Jahren durch den Iran politische Niederlagen erlitten hätten. Die Jugend solle sich davon nicht beeinflussen lassen. “Werdet nicht Schachfiguren der Feinde des Landes”, sagte der Militärkommandant. Zugleich bot er den Demonstranten an: “Der Weg zurück ist für euch noch offen.”
Wohl erfolglos
Beobachter werteten die Rede als Mahnung, die Proteste umgehend zu beenden – obwohl eher unwahrscheinlich ist, dass dies Erfolg hat. Die autoritäre Führung in Teheran macht ausländische Mächte – allen voran die USA – für die Proteste verantwortlich. Sie hat seit mehr als einem Monat das Internet massiv eingeschränkt und soziale Netzwerke gesperrt, um Absprachen zwischen Demonstranten zu erschweren.
Bevölkerung lehnt sich gegen Unterdrückung auf
Im Iran gehen seit Wochen Menschen aller Generationen auf die Straße und lehnen sich gegen das islamistische Regime auf. Die Proteste waren durch den gewaltsamen Tod von Mahsa Amini in Polizeigewahrsam ausgelöst worden. Die 22-Jährige war von Sittenwächtern festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch falsch getragen haben soll. Bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten sind nach Angaben von Menschenrechtsgruppen landesweit mindestens 250 Menschen ums Leben gekommen. Tausende Menschen wurden den Angaben zufolge festgenommen.
Im Netz kursieren Videos, auf denen die Regime-Kräfte wild in Menschenmengen schießen und mutwillig Eigentum zerstören. Weltweit bringen Menschen ihre Solidarität mit den Demonstranten auf den Straßen Irans zum Ausdruck – indem sie ihre Haare abschneiden, mit Demonstrationen und mehr.
Regime verbreitet Lügen
Das iranische Regime bemüht sich, die Morde an Protestierenden und allen voran jenen an Mahsa Amini mit Lügen zu vertuschen. Angeblich sollen diverse Menschen an Krankheiten oder wegen eines Herzinfarktes verstorben sein. Familienmitglieder werden gezwungen, diese Erzählungen zu verbreiten.
(red/apa)
Titelbild: Solidaritäts-Demonstration am Wiener Stephansplatz, September 2022 / ZackZack/ Christopher Glanzl