Kommentar
Die Teil-„Rücktritte“ von Nowak und Schrom zeigen: Öffentlicher Druck bei Missständen ist nie sinnlos. Redaktionen können sich gegen Verhaberung und Message Control wehren. Ein erster Schritt ist getan, weitere müssen folgen.
Benjamin Weiser
Wien, 07. November 2022 | Noch ist nicht klar, wie weit die Teil-„Rücktritte“ von Rainer Nowak („Die Presse“) und Matthias Schrom (ORF2) gehen werden. Es gibt intern teils immer noch Diskussionen, Schrom scheint noch um seine Zukunft im ORF zu kämpfen. Für Donnerstag ist eine erneute Redaktionsversammlung angesetzt. Was man schon jetzt sagen kann: Auf Dauer sind beide nicht haltbar.
Bis Montagvormittag waren Nowak und Schrom zwei der mächtigsten Medienzampanos in Österreich. Sie waren weniger Journalisten als „federnde Tänzer auf dem Parkett“, wie „Kleine“-Chef Hubert Patterer es eher wohlwollend ausdrückte. Jedoch ist das Parkett der Macht nicht das, auf dem Journalisten tanzen sollten. Sie sollten vielmehr den Gründen nachgehen, wer dort umherirrt und warum der eine oder andere ausrutscht. Nowak und Schrom sind aber selbst aufs Parkett gefallen, ihre eigenen Chats waren die Schleimspur.
Öffentlicher Druck bringt immer etwas
Doch sie wären beide nicht zur „Seite getreten“, wenn der öffentliche Druck nicht so hoch gewesen wäre – vor allem aus den eigenen Reihen. Es ist noch kein Ende der Message Control. Und es ist auch noch lange kein Ende der Verhaberung zwischen Politik und Medien. Aber es ist eine Kampfansage.
Von den betroffenen Medienhäusern ist der ORF derjenige Tanker, der bislang am besten mit der Chat-Affäre in den eigenen Reihen umgegangen ist. Dass sich ein Chefredakteur in der ZIB2 am Sonntag stellen muss, ist mutig – und nicht selbstverständlich. Auch der geistesgegenwärtige Redaktionsrat hat richtig reagiert und im Vorfeld der Redakteursversammlung vom Montag gut kommuniziert.
Die Styria-Spitze wiederum hat eher keine Bella Figura gemacht. Gewiss kann man den vermeintlichen, temporären Freibrief von CEO Markus Mair als Rutsche für „Presse“-Multichef Nowak werten, der diese jetzt auch heruntergerutscht ist. Elegant war’s nicht, denn Nowak bleibt offenbar Geschäftsführer. Bei der „Presse“ gilt allerdings wie beim ORF: Hätte sich die Redaktion nicht so vehement gegen die Zustände im eigenen Haus gewehrt, wäre vielleicht nichts passiert.
Grasl taucht durch
Die Frage ist: Was ist mit dem „Kurier“? Auch dort gibt es gute Leute, die sicher keine Lust auf ein „Weiter so“ haben. Die keine Lust haben, ihre Unabhängigkeit wegen der unverblümten Regierungsnähe ihrer Chefredaktion dauerhaft preisgeben wollen.
Natürlich stammen die Chats von Richard Grasl aus seiner Zeit beim ORF. Doch färbt das auch auf den „Kurier“ ab. Es ist ja kein Geheimnis, dass die Zeitung während der Kurz-Jahre politisch voll auf ÖVP-Linie war. Ob das allen Redakteurinnen und Redakteuren so gut gefallen hat (oder gefällt), ist höchst fraglich.
Auf „Standard“-Nachfrage reagierte Richard Grasl trocken auf die Vorhalte in den Chats. Von Einsicht keine Spur. Bis jetzt.
Titelbild: ZackZack / Crhistopher Glanzl