Donnerstag, April 25, 2024

Her mit dem Medien-Volksbegehren!

Kommentar

Ex-ORF-Hörfunkchef Karl Amon schreibt auf ZackZack, warum eine radikale Medien-Reform in Österreich notwendig ist.

Karl Amon

Wien, 11. November 2022 | Vor knapp zehn Jahren durfte ich bei der Abschlussfeier vor Absolventinnen und Absolventen des Studienlehrgangs Medienmanagement im Festsaal der Fachhochschule St. Pölten den Festvortrag halten. Mein Thema: „Wie bekomme ich einen Job in einem Medium?“ Meine Antwort im Kern: „Durch Hartnäckigkeit, auf der Basis eigener Leistungen und Fähigkeiten, aber auch der Zufall spielt mit“.

Politischer Einfluss wird größer

Ich habe nicht die ganze Wahrheit gesagt. Denn schon seit damals gibt es eine Fehlentwicklung, die zunehmend größer wird. Und zwar den politischen Einfluss auf die Personalpolitik der Medien.

Ein Teil der Politik, aber auch der Wirtschaft, versucht willfährige „Handlanger“ in den Medien an Spitzenpositionen zu bringen. Diese Handlanger setzen dann die Wünsche ihrer „Auftraggeber oder Auftraggeberinnen“ um oder versuchen es zumindest. Sie installieren andere Willfährige im Medium und kündigen oder entlassen sogar auf Wunsch Journalistinnen und Journalisten mit Qualität.

Auch in der Zeit, in der ich APA-Vorstand war, sollten Handlanger den in den Augen der Auftraggeber „unbequemen“ APA-Chefredakteur auswechseln. Die knappe Mehrheit der APA-Vorstände konnte das damals gerade noch verhindern. Damals.

Portisch und der „Anschlag auf die Demokratie“

Wie die SMS von Schmidt, Strache und Adressaten belegen, sind diese Dämme inzwischen weitgehend gebrochen. Wir haben jetzt in zu vielen Medien Entwicklungen, die an die 60er Jahre erinnern.

Ein kurzer Rückblick. 1964: Hugo Portisch erfährt von einem Abkommen zwischen ÖVP und SPÖ, wonach „der Rundfunk nach allen Regeln der Proporz-Kunst aufgeteilt werden soll“. Portisch spricht später von einem „Anschlag auf die Demokratie“!

Die Furche schreibt sinngemäß: „In dieser Zeit verteilen ÖVP und SPÖ in Koalitionsabkommen die Spitzenpositionen in Radio und Fernsehen unter sich und legen fest, dass die Verunglimpfungen von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu unterbinden sind, was den Parteien missfällt, ist nicht erlaubt“. Soll heißen: Politikerinnen, Politiker und sonstige „angesehene“ Personen dürfen nicht kritisiert werden. War diese journalistische Knebelung damals Wirklichkeit? Die Antwort ist: Ja! Und hat sich der österreichische Journalismus das damals gefallen lassen? Die Antwort ist: Nein! Dieser Versuch des politischen Zugriffs auf die Berichterstattung führte zum Rundfunkvolksbegehren und dann zur Neugründung des ORF.

1966: Gerd Bacher ist erster General-Intendant des neuen ORF. Es entsteht „ein neues Selbstbewusstsein des Senders“, schreibt Johannes Kunz in seinen Memoiren. Der Generalintendant ist an keinerlei Weisungen gebunden, die ORF-Redakteure und -Redakteurinnen werden zur objektiven Berichterstattung verpflichtet. Der ORF hat einen klaren Programmauftrag. Die Journalistinnen und Journalisten können wieder frei arbeiten und sind nur dem ORF-Gesetz verpflichtet. Das hat Österreichs Demokratie gutgetan.

Zurück zu heute, 2022: Durch die Chats von Thomas Schmid und deren Adressaten wird ein System der „Verhaberung“ von Politik, Wirtschaft und Journalismus sichtbar, das Österreich so bislang nicht kannte.

Eine radikale Systemänderung ist notwendig

Das geplante Medienförderungs- und Transparenzgesetz, das derzeit begutachtet wird, bringt leider keine Lösungen. Zurecht kritisiert die Vorsitzende des Presseclubs Concordia, Daniela Kraus, dass „ein Deckel für große Regierungskampagnen fehlt“, und dass Partikularinteressen weiter bedient werden. Außerdem ist der Begriff „Journalismus zu vage definiert“.

Es fehlt viel, ja sehr viel. Beispielsweise fehlt das notwendige Aus für Inseraten-Geld-Geschenke an einzelne Medien. Inserate, die Ministerien, Landesregierungen, Parteien, Kammern usw. mit Steuergeld finanzieren, sollten in allen Medien geschaltet werden – entweder Regierungs-Inserate in allen Medien oder gar nicht! Den Preis der Inserate sollte die Reichweite des jeweiligen Mediums bestimmen.

Dem Inserieren in parteinahen Vereinen muss ein Riegel vorgeschoben werden. Sollen Journalistinnen und Journalisten weiter um sehr hohe Honorare Nebenjobs bei Firmen und politiknahen Institutionen annehmen, also dort sehr gut bezahlte Veranstaltungen moderieren? Auch das bringt bewusst oder unbewusst Beißhemmung oder sogar Abhängigkeit.

Ein neues Volksbegehren

Mit einem Satz: Ein gutes halbes Jahrhundert nach der Rundfunkreform braucht Österreich eine radikale, umfassende und wirkungsvolle Medien-Reform.

Hilft hier ein Volksbegehren? Die Antwort ist: Sicher! „Leistung, Fähigkeit und etwas Glück sind Voraussetzung für einen guten Job in den heimischen Medien“, sagte ich, wie eingangs erwähnt, vor knapp zehn Jahren den Absolventinnen und Absolventen des Medienlehrgangs in der Fachhochschule St. Pölten. Ich würde gerne weiter – ohne schlechtes Gewissen – bei diesem Satz bleiben. Zwingende Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ein notwendiges Medien-Volksbegehren eine radikale System-Verbesserung bringt.

Mag. Karl Amon war Journalist und Hörfunkdirektor des ORF. Der studierte Ökonom hatte vor seiner Tätigkeit als Hörfunkchef verschiedene Stationen des ORF durchlaufen, u.a. als stellvertretender Leiter der ZIB2, Chefredakteur des Landesstudios Wien, Chefredakteur der ORF-Radios (Ö1, Ö3, FM4) sowie als Chefredakteur des ORF-Fernsehen.

Amon ist Vorsitzender des journalistischen Beirats der ZackZack-Redaktion, der dieser beratend zur Seite steht.

Titelbild: ZackZack / Christopher Glanzl

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20 Kommentare

  1. Ein unabhängiges Medium wäre bloß eines, welches wirtschaftlich weder auf Leser, noch auf Inseratenkunden, noch auf Förderungen angewiesen wäre. So etwas wird es niemals geben. Und so doch, so wäre es zwar unabhängig, nicht jedoch unparteiisch, denn es hätte natürlich eine politische Ausrichtung. Man hänge also keinen Illusionen an. Die Huren bleiben Huren. Allerdings sollte man sich bemühen, unter ihre Schminke zu blicken.

    • Wen ich mir erlauben darf, ich bin voll bei Ihnen.
      Nur noch eine Frage: Wenn ich unter die Schminke schaue,
      Wie sieht die Lösung aus?

  2. Ich brauche keine gesteuerten Medien, die mir ein Hoamatl schön reden.
    Ich brauche Fakten. Die Wahrheit. Ungeschönt, unfrisiert, überparteilich.
    Ich brauche keine “kollektive Identität”! Ich beziehe mein Selbstbewusstsein nicht aus einer Familie, Partei, Verein oder Nation. Ich bin ein selbstbestimmter Mensch mit Betonung auf selbstbestimmt und Mensch. Ich brauche respektvollen Umgang mit Individualismus! Ich brauche Journalisten, die fähig und willig sind, genau das aufzuzeigen. Danke ZackZack!

    • Zum “Hoamatl” in den Medien: Im ORF wird ganz viel auf “Hoamat” gesetzt, in einem verklärten Landschafts- und Bauernbild. Dann gibts noch die fürstlichen Residenzbeschaunisse. Ganz viel Brauchtum. Auf Servus TV noch mehr als auf ORF. Aber auch ATV macht gern auf “Almrausch” und so. Also jeweils viel “Hoamat”-Bezug.

      Würde TV die tatsächliche Lebenswirklichkeit abbilden, wären 70% Stadt-TV. Oder 50% Armuts-TV, weil ja 50% der Bevölkerung an dieser Grenze leben. Oder 40% Ethno-TV, weil eben so viele noch andere Lebesbezüge haben. TV verzerrt Österreich zu einem Bauernbund, das es nicht ist.

      Wann und wo wird das thematisiert, wie unser Land dargestellt wird, uns vorgegaukelt wird, was Österreich ist und wir denken sollen, dass es so ist? Die Krise des TV ist der Themenverfehlung geschuldet. Die Krise der Printmedien ist dem Umstand geschuldet, dass sie da durchaus mitspielen und nicht genug an die Lebenswirklichkeiten rangehen.

  3. Ja, es braucht ein Medienvolksbegehren. Und es braucht eine neue Medienlandschaft, die den demokratischen Verpflichtungen nachkommt.

    Wir haben es jetzt schwerer als vor 50 Jahren, weil fast alle Medien korrumpiert sind. Es wird keinen Aufschrei in der Krone und im ORF geben, keine Unterstützung von Österreich oder Heute. Die Krone machte damals schon für eine ORF-Reform Wind. Heute sind die Medienhäuser korrumpiert oder gar Vasallen des Großkapitals. Und darum gibt es ganz wenig Öffentlichkeit für eine Medienreform.

    Da bleibt fast nur, auf die Straße zu gehen. Aber diese Proteste kriegst du nicht wirksam hin ohne diese Medien. Und daran erkennen wir das Dilemma, in dem wir stecken. Unsere Medienlandschaft wird den demokratischen Standards nicht gerecht. Und man merkt es am deutlichsten daran, dass die meisten Medienhäuser kein Interesse daran haben, dass der Markt fair und frei wäre, weil sie es sich mittlerweile besser richten können, indem sie sich arrangieren.

  4. Weg mit verdeckt “gekaufter” Berichterstattung, her mit bunter, breiter Meinungsvielfalt.
    Her mit transparent konsensual parametriertem Förderschlüssel, weg mit Geheimniskrämereien und gesteuerten Unschärfen betreffs Förder-Deckelungen.
    Her mit dem Informationsfreiheitsgesetz für reelle offzielle Rechergearbeit, weg von inoffiziell “informationsbegleiteter Themenführung”.
    Her mit qualitativ investigativem Journalismus, weg mit ideolog. Auftragsarbeiten.
    Her mit realitätsbezogenen Inhalten / Fakten und Zusammenhängen, weg mit den Potemkin’schen Dörfern im öffentl. manipulierten Meinungs-Spin.
    Her mit österr. Patriotismus, weg von der puren Parteilichkeit. (in demokrat. Gesinnung gegen ALLE anderen)
    Her mit national kollektiver Identität, weg mit Dogmen und Ideologie.
    Weg von reaktionären, denkfaulen Mustern, her mit zukunftsorientierter Lösungs-Kultur.
    Weg mit dem Klassendenken, her mit Inklusion und Solidarität.

    -> Her mit meinen Träumen, weg mit Albträumen…

      • Stärkung im wording nationaler Zusammengehörigkeit (“Wir, solidarisch, zusammen, unsere Nation, unsere gemeinsame Geschichte, nationale gemeinsame Ziele…” zB wird kollektiv identitätsstiftend) versa Schwächung in separatistisch ideologischer Spaltung: “Wir gegen die(se) Anderen … (zB Lager, Programme im Land) ”
        -> Ein übergeordnet verordnet kommentiertes “Wir sind nicht so” zB wird dazu zu wenig sein – weil es faktisch nicht stimmt…

        • Nein das ist nicht meins. Das war das Programm der Vaterländischen Front, Klassengegensätze zu leugnen und Interessen des Pöbels auf dem Vaterländischen Altar zu opfern. Wenn mir ein nigerianischer Intellektuueller, amerikanischer Arbeiter, philippinische Künstler näher ist als ein österreichischer Waffenproduzent, Immoinvestor, dann ist bei jenen auch meine Solidarität.

  5. Diese Regierung ignoriert mit Nachdruck jedes Volksbegehren, wenn es ihr nicht in den Kram passt.

    Deshalb wird sich bei der Inseratenanfütterung verschiedener Lieblingsmedien erst dann etwas ändern, wenn es den wichtigsten Parteien endlich mehr um die Demokratie und weniger um die Einflußnahme der Partei geht. Der größte Widerstand kommt dabei natürlich von der ÖVP.

    Habt ihr das begriffen, ihr grünen Steigbügelhalter?
    Im Sinne einer sauberen Medienpolitik gäbe es auch Mehrheiten ohne ÖVP!

    Aber dazu müsst ihr die in euren Sonntagsreden hinausposaunten Demokratiebekenntnisse auch im Parlament real umsetzen!

  6. Blöd nur dass das Innenministerium auf den Volksbegehren hockt, unter der Leitung eines Dollfussanhängers.

  7. einverstanden.
    aber letztendlich wird das ebenso enden wie das antikorruptionsvolksbegehren.

    verräumt von der övp in irgendeinem ausschuss auf nimmerwiedersehen.

    • Da sollte man sich nicht nur auf die ÖVP ausreden. Alle machen das. So manch Käseblattl würde ohne Steuergelder der z.b. wiener SPÖ nicht mehr existieren.

  8. Nicht nur die Politik nimmt Einfluss, auch private Organisationen und Konzerne. Der “Journalist” als bezahlter Agitator im Interesse seines Sponsors.
    Eine Reform muss unbedingt eine empfindliche Bestrafung im Falle von Lügen, fehlender Recherche (copy-paste) und Halbwahrheiten (=auch Lüge) beinhalten, sowie die ständige Veröffentlichung (Titelseite) von Zuwendungen aus Politik und Wirtschaft. Es muss ein juristisch durchsetzbares Recht auf unmittelbare, inhaltliche Korrektur geben. Auch muss dem Konsumenten/Kunden deutlich gemacht werden, welche “Kompetenz” ein medialer Meinungsmacher hat. Schulabbrecher, die über naturwissenschaftliche Ergebnisse faseln, auf Experten ohne Namen verweisen oder die Nobelpreisträger unbegründet als inkompetente Verschwörungstheoretiker diffamieren, das darf es nicht mehr geben.
    Auch muss der Presserat dringendst reformiert werden, es kann nicht sein, dass dort Leute sitzen, die über ihre eigenen Medien urteilen bzw. eben nicht urteilen..

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