Das ist eine Unterüberschrift
Am Montag wurde der Grüne Wiener Ex-Politiker Christoph Chorherr vor Gericht einvernommen. Er ist wegen Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit angeklagt und bekannte sich nicht schuldig.
Stefanie Marek
Wien, 14. November 2022 | Es war keine Rede im Gemeinderat, der Medienvertreter und andere Zuschauer am Montag im Großen Schwurgerichtssaal folgten. Auch wenn es fast den Anschein hatte, als Christoph Chorherr mit lauter Stimme und ebenso laut sprechenden Händen über gemeinnützige Projekte seines Vereins in Südafrika referierte.
Es war die Einvernahme des Ex-Grünen-Politikers am Wiener Landesgericht für Strafsachen. Chorherr ist wegen Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch angeklagt. Ebenfalls angeklagt sind neun zum Teil prominente Unternehmer wie Michael Tojner, Erwin Soravia, oder René Benko wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch und Bestechung sowie zahlreiche Gesellschaften. Der Vorwurf: Im Gegenzug für Spenden an seinen wohltätigen Verein “S2Arch” – der Verein baute Schulen und Kindergärten in Südafrika – von insgesamt 1,6 Millionen Euro soll Chorherr den Unternehmern Vorteile bei Immobilienprojekten verschafft haben.
“Vassilakou hat entschieden, nicht ich”
Beim Prozessauftakt vergangene Woche waren die Verteidiger dran, an diesem Montag durfte sich Chorherr erstmals selbst vor Gericht erklären und musste schließlich erste Fragen von Richter, Beisitzern, Schöffen und den Staatsanwälten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beantworten.
Die Essenz der Befragung: Die Spenden hätten ihn nicht in seiner politischen Tätigkeit beeinflusst, er sei davon ausgegangen, dass die Spender sein Projekt in Südafrika “für cool und super und unterstützenswert” gehalten hätten. Die Spenden hätten niemanden begünstigt über einige der Zahlungen wisse er überhaupt erst seit der Anklage Bescheid.
Er habe außerdem als Gemeinderat und Planungssprecher der Grünen bei Immobilienprojekten “überhaupt nicht formal Einfluss nehmen können” auf Flächenwidmungsverfahren oder Ähnliches. Bei den Widmungsverfahren der MA21 seien einfache Gemeinderatsmitglieder wie er nicht eingebunden gewesen. Als Planungssprecher saß er nur in Besprechungen der MA21 und gab hin und wieder Inputs. So ein Widmungsverfahren sei sehr kompliziert mit vielen Beteiligten, dauere Jahre und sei sehr transparent.
Seine hauptsächliche Rolle als Planungssprecher sei es gewesen, Widmungsverfahren öffentlich zu begründen, etwa gegenüber Anrainern. Als damalige Planungsstadträtin habe die Grüne Maria Vassilakou alle wichtigen Entscheidungen getroffen und diese dann schlussendlich dem Gemeinderat vorgelegt. Wenn da alles gepasst habe, sei seiner Erinnerung nach noch nie eine Projekt vom Gemeinderat abgelehnt worden. Ob Vassilakou auf Chorherr gehört habe, will einer der Staatsanwälte wissen. Chorherr antwortet nicht direkt: Sie habe die Entscheidungen getroffen, nicht er, wiederholt er. Er sei auch nicht ihr Stellvertreter gewesen.
Bauträger “keine Feinde”
Natürlich hätten sich “Bauleute” für die Projekte seines Vereins interessiert, die Schulen und Kindergärten seien schließlich Bauprojekte gewesen. Er weist aber auch daraufhin, dass die Hauptspender keine “Bauleute” gewesen seien, sondern die Stadt Wien, eine große Bank und sein Freund Willi Hemetsberger. Dieser ist ebenfalls angeklagt aber habe mit der Immobilienbranche nichts zu tun.
Die große Bank und Hemetsberger hätten im selben Zeitraum große Spenden getätigt, Hemetsberger, weil ihm die Südafrika-Projekte sehr am Herzen lagen und er sich persönlich über Jahre auch vor Ort engagiert habe. Das sei der Grund für den plötzlichen Anstieg der Spenden 2010/11 gewesen und nicht die Regierungsbeteiligung der Grünen in Wien, wie es ihm die WKStA vorwerfe.
Als Planungssprecher führte er auch Gespräche mit den Bauträgern, diese habe er nie als Feinde gesehen. Er habe sich im Detail erkundigen und positive Anregungen geben wollen, vor allem wenn es um umstrittene Projekte wie das Heumarkt-Projekt ging (das Projekt des Angeklagten Michael Tojner).
“Ich habe einen Fehler gemacht”
Er sei nicht schuldig, aber er habe einen Fehler gemacht: “Dass ich nicht 2010 als wir in die Regierung kamen, den Obmann (Anm. d. Red.: des Vereins S2Arch) zurückgelegt habe. Ich habe damals geglaubt, es reicht, wenn man alles richtig macht. Aber man muss auch den Anschein vermeiden (Anm. d. Red.: dass man etwas falsch gemacht hat). Ich habe das unterschätzt aus Naivität, vielleicht auch aus Begeisterung für das Projekt.”
Vor Chorherrs Einvernahme hielten noch einige Anwälte ihr Eröffnungsplädoyer, die beim letzten Prozesstag nicht dran gekommen waren. Sie wiesen unter anderem darauf hin, dass es sich um private Spenden gehandelt habe, die nichts mit Bauprojekten zu tun hatten. Und sie wiesen darauf hin, dass ein Konnex etwa zwischen einer Spende von Signa (Teil der Anklage von Benko) und dem damit verbunden Projekt am Wiener Hauptbahnhof unsinnig sei, da die betreffende Immobiliengesellschaft zum Zeit der Spende der Signa gar nicht gehört habe und auch nicht festgestanden habe, dass es ein Signa-Projekt werden würde. Sachlich sei hier (und bei anderen Projekten) kein Raum für eine politische Tätigkeit Chorherrs gewesen. Die Spende eines Unternehmers sei überhaupt nur deshalb erfolgt, weil auf den Einladungen von Erwin Soravias Geburtstagsfeier eine Spende als Wunsch angegeben war.
Signa-Anwalt Rüdiger Schender zweifelte auch daran, dass Chorherr so ein „politisches Schwergewicht war, dass er die Grünen und die SPÖ auf Linie gebracht hat“ und als Fädenzieher Abstimmungsverhalten beeinflusst habe. Ob er das war oder nicht wird im Laufe des Prozesses entschieden werden, insgesamt sind elf Verhandlungstermine angesetzt. Der nächste am kommenden Freitag.
Titelbild: APA Picturedesk